Das Antischall-Prinzip

HelenKasper

Mitglied
Hallo alle zusammen,

Ich befasse mich zur Zeit mit dem Thema Antischall und dies insbesondere in Bezug auf die Luftfahrt. Nun habe ich schon eine Vielzahl von Quellen zusammengesammelt und mich ausführlich zu diesem Thema informiert, allerdings fehlt mir zur Zeit immer noch eine wirklich ausführliche Erklärung die nicht nur auf Formeln basiert. Ebenso habe ich viele Informationen zu der Verwendung des Antischall Prinzips bei Triebwerken gefunden. Diese sind jedoch alle lediglich auf theoretischer Basis. Gibt es hierzu eine ausführliche Erläuterung wieso weshalb warum dies lediglich in der Theorie einigermaßen gut funktioniert? Das hier das Gewicht der verwendeten Lautsprecher und Mikrofone eine Rolle spielt ist mir bekannt. Ebenso die Komplexität des Schallfeldes in der Praxis... aber hierzu finde ich leider auch keine wirkliche Erläuterung wie denn das Schallfeld in der Praxis nun tatsächlich aussieht und was es mit den Raummoden diesbezüglich auf sich hat. Ich kann leider keine Erläuterung finden die mir wirklich schlüssig ist.


Über Tipps und Anregungen würde ich mich sehr freuen. Dies kann natürlich auch einfach in Form eines Quellenverweises sein :) Ich hoffe nur, dass ich nicht bereits alle brauchbaren Quellen unter meinen Lesezeichen abgelegt habe.

Liebe Grüße

Helen Kasper
 
Hallo Helen, ich versuche mich mal an einer Antwort und hoffe, mit möglichst wenig Formeln auszukommen.

"Antischall" beruht auf dem Prinzip der destruktiven Interferenz, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Interferenz_(Physik) und hier vor allem dieses Bild: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Interferenz_sinus.png&filetimestamp=20070305203157&

In dem beschriebenen Fall wird eine Sinus-Welle mit einer gegebenen Frequenz betrachtet. Die Idee ist, nun eine zweite Sinus-Welle zu erzeugen (z. B. mit einem zweiten Lautsprecher), die die erste Welle gerade auslöscht.
Die in dem Bild gezeigte Sinuswelle gibt den zeitlichen Verlauf der Schallamplitude an einem einzigen Punkt im Raum an. Des weiteren wird davon ausgegangen, dass der Schall aus einem einzigen Ton besteht (sprich: eine einzige Frequenz), der unendlich lange konstant bleibt.

Und damit haben wir schon die ersten Probleme:
1. Das Antischall-Prinzip soll nicht nur für einen einzigen Punkt irgendwo im Raum helfen, sondern idealerweise für ein ausgedehntes Gebiet. Was hilft es, wenn an einem Punkt an der Landebahn Ruhe ist, 10 Meter daneben der Lärm durch die Antischall-Quelle sogar verstärkt wird.

2. In der Natur vorkommende Geräusche bestehen niemals aus einer Frequenz und sind zeitlich nie konstant. D.h., man hat für die Schallamplitude keinen einfachen Sinus mehr, sondern eine sehr komplizierte Funktion mit genauso komplizierter Zeit- und Ortsabhängigkeit. Das bedeutet aber, dass das Signal, dass die Antischallquelle erzeugen muss, ebenfalls sehr kompliziert aussieht.

Man könnte sich nun vorstellen, dass man einfach den Lärm an dem Ort misst, an dem er ausgelöscht werden soll und aus Richtung der Lärmquelle mittels Lautsprecher das entsprechende Antischall-Signal in Richtung Zuhörer abstrahlt. Antischall-Kopfhörer funktionieren nach diesem Prinzip.

Allerdings ist der Gehörgang natürlich winzig im Vergleich zu einem Gebiet, das Fluglärmfrei gehalten werden soll. Und bei einem Kopfhörer kann man ganz gut von einer Punktförmigen Schallquelle ausgehen, nämlich dem Eingang zum Gehörgang, wo auch der Lautsprecher des Kopfhörers sitzt.

Jetzt zum Flugzeug und seinen Problemen:
1. Der Lärm wird nicht an einem Punkt erzeugt, sondern verteilt (Triebwerke, gesamte Rumpfoberfläche, Klappen etc., durch Luftverwirbelungen aber auch außerhalb der Flugzeuges. D. h. man müsste nicht nur über die gesamte Oberfläche des Flugzeuges verteilt Lautsprecher anbringen, sondern streng genommen auch dahinter...

2. Der vom Flieger erzeugte Lärm ist groß, d. h. die Antischallgeneratoren müssten extrem leistungsfähig sein.

3. Sobald es im Raum zwei Schallquellen gibt, die bei ähnlichen Frequenzen abstrahlen, gibt es irgendwo im Raum Punkte mit destruktiver Interferenz, aber leider auch Punkte mit konstruktiver Interferenz. Dies gilt auch dann, wenn Schall- und Antischallquelle sehr nah beieinanderliegen, aber nicht direkt aufeinander.

Ich hoffe, meine Antwort hilft dir etwas weiter. Falls du weitergehende Fragen hast, nur zu...
 
Für manche Turboprops gibt es aktive Schallreduzierungssysteme in der Kabine, z.B. den Dash-8 der Q-Serie von Bombardier wo es Noise and Vibration Suppression System genannt wird. Gibt auch unzählige Artikel über Systeme dieser Art wenn man mal die richtigen Suchwörter gefunden hat.
 
Da möchte ich doch einmal einhaken: mir ist es oft aufgefallen, dass genau hinter einem Flugzeug, welches sich am Boden befindet, fast vollständige Ruhe herrscht, selbst beim Start. Warum ist das so?
 
Lärm wird bei einem Strahltriebwerk auf zweierlei Weise produziert:

Einiges an Lärm wird von den Schaufeln des grossen Fans (ganz vorne am Triebwerkeinlass) erzeugt - signifikant z.B. beim CFM56 Triebwerk bei den LH-320ern (ein "sägendes" Geräusch). Dieser Schall wird natürlich eher nach vorne geleitet und wird hinter dem Triebwerk nicht wahrgenommen.

Der aber eigentliche Lärm wird natürlich im Triebwerk in der Brennkammer erzeugt - hier nutzt man aber die (eigentlich aus wirtschaftlichen Gründen erfundene) Bypass-Technik (nur ein kleiner Teil der vorne einströmenden Luft wird in den "heissen" Teil des Triebwerks geleitet und für die Verbrennung genutzt) und hüllt den "lärmenden" Abgasstrahl mit kalter Luft ein. Dieses Mischen bringt eine erhebliche Lärmreduzierung - gesteigert noch durch spezielle Mischtechniken, wie man sie beispielsweise beim Triebwerk der neue 747-8i kennt (gezackte Hinterkanten beim Triebwerksauslass).
Dies kann dann zur Folge haben, dass direkt hinter dem Triebwerk der Schall am geringsten ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber was ist mit Turbopropflugzeugen? Reicht dieses Prinzip zur Erklärung dafür, dass auch hinter einem startenden Turboprop fast nichts zu hören ist?
 
Naja - auch beim Turboprop werden die (lauten) Abgase der Turbine quasi von der Luft, die der Prop nach hinten drückt, "eingehüllt" ... vllt. ist das der Grund dafür?
 
Hm, das, was man von einem Turboprop im Leerlauf hört, sind eigentlich nur die Propeller. Und wenn man hinter einem steht, der dann startet, verschwindet das Propellergeräusch vollständig, kann ich mir so also nicht vorstellen.
 
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