Donnergeräusch
Mitglied
Bahnfahren nach Agra
Viel Spaß beim Gucken gehabt? Ich finde es toll - und auch alle, die mit mir in Khajuraho waren. Doch jetzt geht es weiter: Es geht mit dem Auto nach Jhansi. Dort gibt es einen Bahnhof. Ein Zug soll mich nach Agra bringen. Darauf freue ich mich besonders, denn ich fahre gerne mit Zügen – gerade in Ländern wie Indien. In Zügen kann man die Menschen besser kennen lernen, als in Flugzeugen. „Kennen lernen“ ist gut geschrieben, aber eigentlich komplett falsch: Ich habe keinen einzigen Inder auf der Zugfahrt kennen gelernt, aber ich habe sie gesehen. Man sieht die Menschen in Zügen eben besser, als in Flugzeugen. Man atmet in den Zügen etwas Lebenskultur ein, ja man riecht sie manchmal. Und das kann man wörtlich nehmen.
Reisen ist für die meisten Inder ein Privileg. Fliegen ist normalerweise unerschwinglich. Selbst eine Zugfahrt in der zweiten Klasse ist schon Luxus. Bezahlbar sind meist Busfahrten - umsonst geht es nur, wenn man auf das Dach klettert und sich dort hinsetzt – vorausgesetzt, es ist noch ein halber Quardatmeter Dach frei.
Zugfahren ist also auch Luxus – besonders in der ersten Klasse. Das kostet ein paar hundert Rupien. Die hundert Rupien sind Peanuts für mich, für Inder aber ein kleineres Vermögen. Wir gehen zum Zug. Mein Chauffeur schleppt meinen kaputten Koffer auf den Schultern bis zum Erste-Klasse-Wagen. Dort sitzen Männer drin, die alle Schlips und Kragen tragen. Aber keiner hat einen Turban auf. Es geht also schon recht westlich zu. Im Wagon sind dunkelblaue Kunstledersitze mit Armlehnen. Die Rücklehne kann man sogar etwas zurückstellen. Es gibt sogar ausklappbare Tische aus nacktem Metall. An der verrauchten Decke sind dunkle Ventilatoren, die etwas Wind spenden. Das hilft bei Temperaturen von etwas mehr als 40 Grad. An den Fenstern gibt es graue Vorhänge, die man zuziehen kann. Die meisten Fahrgäste machen das auch – vermutlich, um die heiße Sonne draußen zu lassen, vielleicht aber auch, weil die Fensterscheiben einfach ziemlich dreckig sind. Sie wurden schon seit Monaten nicht mehr geputzt. Für Licht sorgen Neonröhren: es ist ein kaltes Licht.
Jetzt zur zweiten und dritten Klasse: Dort gibt es auch Fenster, aber keine Vorhänge und weniger Ventilatoren. In der dritten Klasse gibt es zwar Fenster, aber kein Fensterglas mehr. Die Fenster sind offen, damit etwas Fahrtluft in den Wagon gelangt, um so für erfrischenden Wind zu sorgen. Denn es fehlen dort die Ventilatoren. In der dritten Klasse ist es heiß, die Temperatur kann schon problemlos 50 Grad betragen. Der Fahrtwind ist also die einzige Erfrischung. Deshalb sind die Fenster offen. Und damit keiner aus den offenen Fenstern heraus fällt, sind die Fenster mit einem Gitter gesichert. Deshalb schaut jeder Dritte-Klasse-Wagon so aus, als ob er ein Gefängniswagen sei. Auch die Sleeper-Class in den Übernachtzügen hat offene Fenster, damit etwas Luft in den Wagon kommt.
Ich bin also noch in Jhansi und sitze im Zug nach Agra. Ich warte darauf, dass wir losfahren. Das tun wir aber nicht. Der Zug will einfach nicht losfahren. Wir stehen im Bahnhof von Jhansi. Ich schaue aus dem verdreckten Fenster heraus. Da sehe ich eine Kuh, die auf dem Bahnsteig herumgeht. Ein Inder gibt der Kuh eine Zeitung zu fressen. Die Kuh frisst das Papier, der Inder ist glücklich. Was für eine Symbiose! Eine Stunde lang beobachte ich, was alles auf dem Bahnsteig passiert, doch der Zug fährt nicht los. Kühe gehen herum, und natürlich auch viele Menschen. Die Kühe sind in der Unterzahl. Manche steehn aber auch nur auf den Gleisen herum. Das machen die Menschen nicht.
Unser Zug steht einfach da. Das ist normal, sagt mein Sitznachbar, es wird eben dauern. Irgendwann mal, so nach zwei Stunden etwa, ruckelt unser Zug plötzlich und fährt langsam an. Es scheint loszugehen, hurra! Wir bewegen uns ein paar hundert Meter, doch dann kreischen leise die Bremsen und wir stehen wieder. Unser Zug hat nur den Bahnsteig freigemacht für einen anderen Zug. Da sitze ich nun im Erste-Klasse-Waggon und kann jetzt nicht einmal auf den Bahnsteig schauen. Ich sehe jetzt nur noch Gleise – und keine zeitungsfressende Kühe mehr (das war wenigsten interessant), sondern nur noch Kühe, die ohne Zeitung auf den Bahngleisen herumstehen. Nach drei Stunden geht es denn endlich wirklich halbwegs flott los – halbwegs deshalb, weil wir auf offener Strecke noch mehrmals anhalten. Aber das ist normal in Indien. Bei diesen Stopps fange ich auch an, wie manche Inder auf offener Strecke aus dem stillstehenden Zug zu springen – die Türen sind einfach zu öffnen, auch im erste Klasse Wagen. Man steht dann auf dem Schotter und wartet, dass es weitergeht. Und wenn es dann weitergeht, springt man auf den langsam anfahrenden Zug auf. Das schaffe sogar ich mir meinen grauen Haaren.
Mit fünf Stunden Verspätung kommen wir in Agra an. Dort bin ich erstaunt, wie gut das Verspätungsbetreuungsmanagement hier in Indien klappt. Schon an der Zugtüre werde ich erwartet und mein kaputter Koffer und meine Reisetasche abgenommen. Man spricht mich an und weiß, wer ich bin. Man entschuldigt sich für die Verspätung. Ich bin erstaunt, wie ich erstens identifiziert werde und zweitens, wie prompt man sich um mich kümmert. Da steht ein freundlich Inder, der sich um mich kümmert. Ich werde ins Hotel gefahren und genießen am nächsten Morgen schon um 6 Uhr früh einen Anblick, den man nur ganz selten genießen darf: das Taj Mahal beim Sonnenaufgang.
Viel Spaß beim Gucken gehabt? Ich finde es toll - und auch alle, die mit mir in Khajuraho waren. Doch jetzt geht es weiter: Es geht mit dem Auto nach Jhansi. Dort gibt es einen Bahnhof. Ein Zug soll mich nach Agra bringen. Darauf freue ich mich besonders, denn ich fahre gerne mit Zügen – gerade in Ländern wie Indien. In Zügen kann man die Menschen besser kennen lernen, als in Flugzeugen. „Kennen lernen“ ist gut geschrieben, aber eigentlich komplett falsch: Ich habe keinen einzigen Inder auf der Zugfahrt kennen gelernt, aber ich habe sie gesehen. Man sieht die Menschen in Zügen eben besser, als in Flugzeugen. Man atmet in den Zügen etwas Lebenskultur ein, ja man riecht sie manchmal. Und das kann man wörtlich nehmen.
Reisen ist für die meisten Inder ein Privileg. Fliegen ist normalerweise unerschwinglich. Selbst eine Zugfahrt in der zweiten Klasse ist schon Luxus. Bezahlbar sind meist Busfahrten - umsonst geht es nur, wenn man auf das Dach klettert und sich dort hinsetzt – vorausgesetzt, es ist noch ein halber Quardatmeter Dach frei.
Zugfahren ist also auch Luxus – besonders in der ersten Klasse. Das kostet ein paar hundert Rupien. Die hundert Rupien sind Peanuts für mich, für Inder aber ein kleineres Vermögen. Wir gehen zum Zug. Mein Chauffeur schleppt meinen kaputten Koffer auf den Schultern bis zum Erste-Klasse-Wagen. Dort sitzen Männer drin, die alle Schlips und Kragen tragen. Aber keiner hat einen Turban auf. Es geht also schon recht westlich zu. Im Wagon sind dunkelblaue Kunstledersitze mit Armlehnen. Die Rücklehne kann man sogar etwas zurückstellen. Es gibt sogar ausklappbare Tische aus nacktem Metall. An der verrauchten Decke sind dunkle Ventilatoren, die etwas Wind spenden. Das hilft bei Temperaturen von etwas mehr als 40 Grad. An den Fenstern gibt es graue Vorhänge, die man zuziehen kann. Die meisten Fahrgäste machen das auch – vermutlich, um die heiße Sonne draußen zu lassen, vielleicht aber auch, weil die Fensterscheiben einfach ziemlich dreckig sind. Sie wurden schon seit Monaten nicht mehr geputzt. Für Licht sorgen Neonröhren: es ist ein kaltes Licht.
Jetzt zur zweiten und dritten Klasse: Dort gibt es auch Fenster, aber keine Vorhänge und weniger Ventilatoren. In der dritten Klasse gibt es zwar Fenster, aber kein Fensterglas mehr. Die Fenster sind offen, damit etwas Fahrtluft in den Wagon gelangt, um so für erfrischenden Wind zu sorgen. Denn es fehlen dort die Ventilatoren. In der dritten Klasse ist es heiß, die Temperatur kann schon problemlos 50 Grad betragen. Der Fahrtwind ist also die einzige Erfrischung. Deshalb sind die Fenster offen. Und damit keiner aus den offenen Fenstern heraus fällt, sind die Fenster mit einem Gitter gesichert. Deshalb schaut jeder Dritte-Klasse-Wagon so aus, als ob er ein Gefängniswagen sei. Auch die Sleeper-Class in den Übernachtzügen hat offene Fenster, damit etwas Luft in den Wagon kommt.
Ich bin also noch in Jhansi und sitze im Zug nach Agra. Ich warte darauf, dass wir losfahren. Das tun wir aber nicht. Der Zug will einfach nicht losfahren. Wir stehen im Bahnhof von Jhansi. Ich schaue aus dem verdreckten Fenster heraus. Da sehe ich eine Kuh, die auf dem Bahnsteig herumgeht. Ein Inder gibt der Kuh eine Zeitung zu fressen. Die Kuh frisst das Papier, der Inder ist glücklich. Was für eine Symbiose! Eine Stunde lang beobachte ich, was alles auf dem Bahnsteig passiert, doch der Zug fährt nicht los. Kühe gehen herum, und natürlich auch viele Menschen. Die Kühe sind in der Unterzahl. Manche steehn aber auch nur auf den Gleisen herum. Das machen die Menschen nicht.
Unser Zug steht einfach da. Das ist normal, sagt mein Sitznachbar, es wird eben dauern. Irgendwann mal, so nach zwei Stunden etwa, ruckelt unser Zug plötzlich und fährt langsam an. Es scheint loszugehen, hurra! Wir bewegen uns ein paar hundert Meter, doch dann kreischen leise die Bremsen und wir stehen wieder. Unser Zug hat nur den Bahnsteig freigemacht für einen anderen Zug. Da sitze ich nun im Erste-Klasse-Waggon und kann jetzt nicht einmal auf den Bahnsteig schauen. Ich sehe jetzt nur noch Gleise – und keine zeitungsfressende Kühe mehr (das war wenigsten interessant), sondern nur noch Kühe, die ohne Zeitung auf den Bahngleisen herumstehen. Nach drei Stunden geht es denn endlich wirklich halbwegs flott los – halbwegs deshalb, weil wir auf offener Strecke noch mehrmals anhalten. Aber das ist normal in Indien. Bei diesen Stopps fange ich auch an, wie manche Inder auf offener Strecke aus dem stillstehenden Zug zu springen – die Türen sind einfach zu öffnen, auch im erste Klasse Wagen. Man steht dann auf dem Schotter und wartet, dass es weitergeht. Und wenn es dann weitergeht, springt man auf den langsam anfahrenden Zug auf. Das schaffe sogar ich mir meinen grauen Haaren.
Mit fünf Stunden Verspätung kommen wir in Agra an. Dort bin ich erstaunt, wie gut das Verspätungsbetreuungsmanagement hier in Indien klappt. Schon an der Zugtüre werde ich erwartet und mein kaputter Koffer und meine Reisetasche abgenommen. Man spricht mich an und weiß, wer ich bin. Man entschuldigt sich für die Verspätung. Ich bin erstaunt, wie ich erstens identifiziert werde und zweitens, wie prompt man sich um mich kümmert. Da steht ein freundlich Inder, der sich um mich kümmert. Ich werde ins Hotel gefahren und genießen am nächsten Morgen schon um 6 Uhr früh einen Anblick, den man nur ganz selten genießen darf: das Taj Mahal beim Sonnenaufgang.
Zuletzt bearbeitet: