Extreme Wetterlagen wie heute

MUCFLYER

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Einfach mal, anhand des heutigen Wetters, in die Runde der Piloten gefragt...

Wie gut kann man sich auf sowas vorbereiten?

- wie genau kann Dispatch im OFP eine aufziehende Front berücksichtigen?
- wie großzügig tankt ihr Extra Fuel?
- wie werden Alternates bei solch einer breiten Front gewählt, wenn die Standardalternates ebenso miese Bedingungen aufweisen? Heute gingen innerdeutsche Flüge für München bspw. auch nach Linz, Mailand und Bologna...
- bei incoming Langstrecke stelle ich mir das Ganze noch komplizierter vor, da der OFP, und das bei Abflug Richtung D unterstellte Wetter für die Destination, ja noch ungenauer ist. Gibt es per ACARS unterwegs Hinweise auf extreme Wetterlagen, oder zieht ihr routinemässig -wie sonst auch- euer aktuelles Wetter...?

so, genug Fragen erstmal und merci schonmal...;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo

Bereits zu Kyrill letzten Jahres haben Crews Extra Sprit für Alternates in Italien mitgenommen, da ja die Grosswetterlage gesamt Deutschland eingenommen hat und erst jenseits der Alpen der Wind nachgelassen hat.

Auch für heute hatten ja betreits die Medien einen Sturm angekündigt, nicht ganz so stark wie Kyrill, und einige haben sich für die Diversion wieder Italien ausgedacht und Sprint eingepackt. Bestimmt keine schlechte Wahl.

Wir selbst sind nach MUC geflogen und hatten Sprit für eine Stunde Extra dabei. Nach frühem reduzieren und einigen Orbits sind wir dann aud die 26R angeflogen als die Squall Line gerade reingezogen ist. Wir haben zwar den Approach noch begonnen, aber eine Landung war unmöglich. Severe Tunbulence, Windshear und absolut abnormales Flugzeugverhalten.

Nach dem GoAround sind wir nach NUE diverted und dort stand dann später das ganze Vorfeld mit AC zugeparkt die wie wir warteten bis MUC wieder aufmachte. Zur Landung hatten wir dort 1,5 to (1,1 war final reserve). So viel zu einer Stunde Extra....
 
Einfach mal, anhand des heutigen Wetters, in die Runde der Piloten gefragt...

Wie gut kann man sich auf sowas vorbereiten?

- wie genau kann Dispatch im OFP eine aufziehende Front berücksichtigen?

Das mit der Vorbereitung wird leider immer schwieriger, da (man möge mir verzeihen dass ich mich wiederhole) die Wetterdaten mit denen man arbeiten muss beständig unbrauchbarer werden. Die Gewitterfront war noch wenige Stunden vor ihrem Eintreffen in keinem TAF für MUC enthalten, obwohl man auf den Radarbildern im Web schon ahnen konnte, was da kommt.

Winde bis 70 Knoten - nicht vorhergesagt.
Heavy Thunderstorm - nicht vorhergesagt.
Hagel, Graupel und Schnee - nicht vorhergesagt.
Dass zwischenzeitlich sogar die Bahnen wegen De-Icing geschlossen werden mussten - mit dem Forecast von heute morgen nicht zu erwarten.

Desweiteren hat die ICAO vor kurzem beschlossen, dass es nicht mehr nötig ist, Frontverläufe in unseren Wetterkarten darzustellen, ist wohl zu teuer da nicht automatisierbar. Also fliegen wir 'offiziell' mit Null Plan über die aktuellesten Wettergeschehnisse durch die Gegend. Bleibt nur sich privat mit entsprechenden Infos zu versorgen, was natürlich 'unterwegs' etwas schwierig ist. Eine UMTS-Karte mit Flatrate wird wohl bald fällig. Ich könnte k****en! Entschuldigung...

- wie großzügig tankt ihr Extra Fuel?

Bei solchen Wetterlagen wird Extra nicht in Minuten, sondern in Stunden getankt. Während man bei schönem Wetter auch gern mal diskutieren kann, ob es 400 kg (10 Minuten) oder 600 kg (15 Minuten) sein werden, geht es heute nur nach dem Motto '1 Stunde von dem Herren in der ersten Reihe links - höre ich mehr - Jaaaa, zwei Stunden von dem Herren mit der blauen Jacke in der ersten Reihe rechts - Wer geht mit? - Sehr schön, zweieinhalb Stunden von links - zum ersten, zweiten und dritten!'.

Allerdings kommt da wieder obiger Punkt zum Tragen, wenn ich nicht weiß wie schlecht es werden wird, wie soll ich da sinnvoll tanken?

wie werden Alternates bei solch einer breiten Front gewählt, wenn die Standardalternates ebenso miese Bedingungen aufweisen? Heute gingen innerdeutsche Flüge für München bspw. auch nach Linz, Mailand und Bologna...

Nun, bei uns werden die Flugpläne für alle Flüge unter 2 Stunden von keinem Menschen mehr angefasst, geht alles automatisch (in die Hose;)). Der Confuser schaut nur, ob der Platz NOTAM- und Wetter-mäßig legal planbar ist, und schon ist er 'gekauft'. Wenn für MUC oder FRA heftig geslottet wird, dann plant Dispatch evtl. auf einigen ausgewählten Flügen (meist die gewischtskritischen) im OFP schon etwas ADDFUEL ein, damit gewichtsmäßig bereits Luft für den entsprechenden Sprit bleibt.

Mit der Auswahl eines planbaren Alternates ist dem Gesetz genüge getan. Allerdings muss man einfach mal eine Massen-Diversion mit Landung unter Final Reserve Fuel (you are number three for emergency) erlebt haben, um ab diesem Tag für sich nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C zu haben. Wenn erst mal das 'Low Fuel Light' angeht, denkt es sich nur noch sehr schlecht...

Daher ist man bei dem Wetter gut bedient, einen Alternate entweder weit vor oder weit hinter der Front (oh ich vergaß - die war ja 'unbekannt') oder südlich der Alpen zu wählen.

- bei incoming Langstrecke stelle ich mir das Ganze noch komplizierter vor, da der OFP, und das bei Abflug Richtung D unterstellte Wetter für die Destination, ja noch ungenauer ist. Gibt es per ACARS unterwegs Hinweise auf extreme Wetterlagen, oder zieht ihr routinemässig -wie sonst auch- euer aktuelles Wetter...?

Ja über ACARS kann man schon das Wetter ziehen, was auch regelmäßig gemacht wird, um bei kritischen Lagen rechtzeitig den Trend erkennen zu können. Allerdings ist dann für Strategische Entscheidungen zu spät, bleibt nur noch die Taktik anzupassen und zur Not irgendwo zum Tanken oder Warten runterzugehen. Denn auf vielen Langstrecken ist die Möglichkeit, im obigen Rahmen Exta zu tanken einfach nicht gegeben. Und Hinweise auf Wetter unterwegs: Ja gab es zumindest solange das FLYNET noch lief sekunden aktuell aus dem WWW. Seither leider nicht mehr so gut...

Einen anderen Aspekt möchte ich aber noch ansprechen. Alle obigen Punkte betreffen ja zunächst nur die Normal Operation. Da hilft ein gutes Buch für die Wartezeit am Boden und ein voller Tank für alles was danach kommt schon mal ordentlich weiter.

Was ist denn aber, wenn ich einen Abnormal bekomme, bei dem mein Flugzeug mir sagt 'Land ASAP'. Mit einem Fehler der meine Flight Controls soweit einschränkt, dass man normalerweise stehenden Fusses wieder landet, muss ich dann ggf. 45 Minuten über die Alpen fliegen, bis ich einen Platz finde, auf dem ich weniger als 10 Knoten x-Wind habe. Und wenn ich evakuieren muss, ist auch nicht so toll, denn die Slides sind nur bis 25 Knoten Windspeed 'demonstrated'.

Trotzdem macht Fliegen an solchen Tagen Spaß. Kalter Kaffee und warmes Bier sind plötzlich kein Grund mehr zur Beschwerde, unsere Vielflieger die normalerweise schon bei 3.27 Minuten Verspätung über die 'Scheiß Lufthansa' schimpfen sind froh überhaupt anzukommen und beim Aussteigen (meistens stellt sich wenns es was besonderes gab auch ein Kollege aus dem Cockpit dazu) blickt man zwar ein teilweise etwas grünliche, aber durchweg dankbare Gesichter. Verabschiedungen per Handschlag sind auch nicht unüblich.

Tower, LH 123, can you please dim the wind? ;D

Gruß MAX
 
Hier nochmal einige Fakten zu meinem obigen Statement:

Die Vorhersagen von 03Z

010413 24020G35KT 9999 BKN025
TEMPO 0413 26025G45KT RA=

und 06Z

010716 25030G50KT 9999 BKN030
TEMPO 0709 RA
TEMPO 0912 27035G60KT 3000 SHRA
PROB30 TSRA BKN020CB
TEMPO 1216 SHRA BKN025CB=

Und so sah es dann in Wirklichkeit aus:

Um 0920z
25036G58KT 9999 4000N R26R/0900V1500D
R26L/P1500N -TSRA FEW007 SCT015CB
BKN024 11/07 Q0996 BECMG 27040G70KT
1000 /TSRAGS BKN008CB=

Um 0950z
30018G28KT 1000 R26R/0900N R26L/P1500D
TSSN BKN005CB 01/M00 Q1000 REGS BECMG
5000 NSW BKN020=

Um 10200z
28018KT 4000 R26R/1200N R26L/P1500N -SN
SCT005 BKN013 01/00 Q1001 RETS BECMG
5000=

Um mal ein geflügeltes Wort in unserer Firma zu zitieren: 'SO KANN ISCH NED ARBEIDE!' :thbdwn: Besonders die Kombination aus Schnee und starkem Wind ist absolut kriminell, nicht umsonst war der Airport zu dieser Zeit ja auch geschlossen, was anhand der Vorhersagen nicht wirklich zu erwarten war.

Naja, wer einmal lügt ist noch lang kein Meteorologe. Oder so ähnlich...

Gruß MAX
 
Servus,

da passt ja das folgende Video, dass einen LH 320 heute beim Landeversuch auf der 23 in Hamburg zeigt:

http://www.liveleak.com/view?i=ddb_1204404185

http://www.lars-tretau.de/forumbilder/LH(c).jpg

Zum Glück ist nichts schlimmeres passiert. War aber knapp dran - denke ich.

Komme auch grad aus HAM, inzwischen hat sich die Lage sowohl dort als auch MUC wieder normalisiert. A paar Wackler, des war's ;)

Den oben gezeigten Vorfall haben einige Kollegen von mir die mittags heimgeflogen sind auch beobachtet. HAARSTRÄUBEND!!! Da kann man wohl nur noch von Glück sagen dass NUR der Winglet verloren gegangen ist.

Dafür hatten wir einen ordentlichen Jetstream zum Mitschwimmen in FL300, der F/O hat was von über 1100km/h GS gesagt. Die Maschine war zwar ewig verspätet (über 1h), trotzdem hat der CPT odentlich Gas gegeben, nur dummerweise war man in MUC nicht auf uns vorbereitet und es hat 10 Minuten gedauert bis endlich eine Treppe da war...
 
Komme auch grad aus HAM, inzwischen hat sich die Lage sowohl dort als auch MUC wieder normalisiert. A paar Wackler, des war's ;)

Den oben gezeigten Vorfall haben einige Kollegen von mir die mittags heimgeflogen sind auch beobachtet. HAARSTRÄUBEND!!! Da kann man wohl nur noch von Glück sagen dass NUR der Winglet verloren gegangen ist.

Dafür hatten wir einen ordentlichen Jetstream zum Mitschwimmen in FL300, der F/O hat was von über 1100km/h GS gesagt. Die Maschine war zwar ewig verspätet (über 1h), trotzdem hat der CPT odentlich Gas gegeben, nur dummerweise war man in MUC nicht auf uns vorbereitet und es hat 10 Minuten gedauert bis endlich eine Treppe da war...

Da waren wir wohl im selben Flugzeuge siehe hier:
http://www.mucforum.de/showpost.php?p=124983&postcount=158
 

Ich war auf der 9A und hab meine Füsse ausgestreckt :p
(zur Info: im A319 ist das die Reihe mit dem Notausgang)

Ursprünglich war ich auf HAM-FRA-MUC gebucht (zum Buchungszeitraum die billigste Verbindung), wurde aber dann umgebucht auf HAM-MUC direkt, weil ich mir auch das heutige Chaos in FRA nicht antun wollte und die bei LH froh waren jeden Passagier heute von FRA fernzuhalten ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
danke mal wieder für die äußerst informativen und sogar 'unterhaltsamen' Antworten aus der Praxis! :)

nachfolgendes ist aber wohl kaum nachzuvollziehen!
...
Desweiteren hat die ICAO vor kurzem beschlossen, dass es nicht mehr nötig ist, Frontverläufe in unseren Wetterkarten darzustellen, ist wohl zu teuer da nicht automatisierbar. Also fliegen wir 'offiziell' mit Null Plan über die aktuellesten Wettergeschehnisse durch die Gegend. Bleibt nur sich privat mit entsprechenden Infos zu versorgen, was natürlich 'unterwegs' etwas schwierig ist.

Haben die Flugbetriebe keine Lobby mehr? Können sie sich kein Gehör verschaffen? Oder sehen die Managementpiloten -mit ihren minimum Flugstunden- gewisse Problematiken nicht mehr? Besteht nach dem Hamburg Incident von gestern Hoffnung auf mehr Sensibilität beim Thema?
 
Ich habe gerade mit einem Kollegen gesprochen, der am besagten Samstag unterwegs war.

Hier nun seine Version, wie man zu einer anständigen 'Wetterberatung' kommt: Nachdem vom OCC keine sinnvolle Info zu bekommen war, hat er nach jeder Landung daheim bei seiner Frau die ebenfalls fliegt angerufen und diese hat dann im www nachgesehen.

Fast wie im 21. Jahrhundert oder wie es eine große deutsche Airline in ihrer Hauspostille bezeichnen würde: UPGRADE TO INDUSTRY LEADERSHIP :no:

Gruß MAX
 
Max - meinst Du das jetzt irgendwie ernst??

Und was bringt das denn eigentlich wenn man n a c h dem Flug das aktuelle Wetter per telefonsicher Auskunft bekommt?

Das die WEttervorhersage aus dem Netz besser sein soll als der "Flughafenwetterdienst" machst mir als Nichtwetterfachmann nicht weis ;)

MFG
Mannerl, wir alle wissen ja das im Wort Wettervorhersage das Wort Sage drinn steckt - und Sagen beinhalten nun mal etwa zur Hälfe Märchen!
 
Max - meinst Du das jetzt irgendwie ernst??

Und was bringt das denn eigentlich wenn man n a c h dem Flug das aktuelle Wetter per telefonsicher Auskunft bekommt?

Nach dem Flug ist vor dem Flug... Er hat sich wohl nach jeder Landung das Wetter für den nächsten Flug besorgt. Eine eher bedenkliche Entwicklung.
 
Max - meinst Du das jetzt irgendwie ernst??

Und was bringt das denn eigentlich wenn man n a c h dem Flug das aktuelle Wetter per telefonsicher Auskunft bekommt?

Das die WEttervorhersage aus dem Netz besser sein soll als der "Flughafenwetterdienst" machst mir als Nichtwetterfachmann nicht weis

Hallo Mannerl,

das meine ich absolut ernst - leider.

Wie MUCFLYER schon schrieb, ging es dabei jeweils um die Informationen für das nächste Leg.

Und im Gegensatz zu den offiziellen TAFs, die nur alle 3 Stunden aktualisiert werden, kann man im Web Wetterradar- und andere Wetterdaten in ECHTZEIT erhalten.

Früher gab es an jedem Verkehrsflughafen auch noch eine Wetterwarte mit einem Meteorologen, bei dem man eine Wetterberatung erhalten konnte. Dann gabs nur einen Wetterbeobachter und heute sitzen die Jungs irgendwo zentral für ganz Deutschland in einem fensterlosen Büro über ihren Modellen und wundern sich, dass sich das Wetter partout nicht daran zu halten gedenkt.

Gruß MAX
 
Naja, also die Wetterbeobachter die das aktuelle METAR erstellen sitzen schon noch lokal am Flughafen (wie soll sonst auch zB die Sichtweite bestimmt werden...)
Die TAFs allerdings werden in den LBZs irgendwo zentral erstellt.
 
Naja, also die Wetterbeobachter die das aktuelle METAR erstellen sitzen schon noch lokal am Flughafen (wie soll sonst auch zB die Sichtweite bestimmt werden...)
Der METAR ist nicht wirklich so wichtig, noch weniger die vom Beobachter festgestellte Sichtweite; und die „kritischen“ Sichtweiten (die geringen also, auch RVR genannt) werden ohnedies durch optische Geräte gemessen. Den Rest kann ich mir durch Aus-dem-Cokpitfenster-schauen am Boden ziemlich genau zusammendichten. Außerdem übermittelt der Beobachter ja auch bloß die Werte seiner Instrumente.

Für den kommerziellen Flugbetrieb sind die Prognosen von größter Bedeutung, da Planungsentscheidungen, Sicherheitsmargen und damit zusammenhängende Kosten davon abhängen. Überraschungen (die sich auch meiner Erfahrung nach in den letzten Jahren häufen) sind in diesem Zusammenhang immer schlecht.
 
Ja danke, das ist mir schon klar...
ich wollt nur ein bißchen 'klugscheißen' und das mit den Beobachtern klar stellen...
 
Ja danke, das ist mir schon klar...
ich wollt nur ein bißchen 'klugscheißen' und das mit den Beobachtern klar stellen...

Na das geht dann natürlich voll auf mein Konto. Sollte meine Info falsch gewesen sein, dann bitte ich um Entschuldigung.

Ich habe es allerdings von einer Kollegin die vor der Fliegerei Meteorologie studiert hat und noch ganz gute Connections zum DWD hat und somit üblicherweise eine recht zuverlässige 'Quelle' ist. Ich werde versuchen, das alsbald nochmals zu verifizieren.

Gruß MAX
 
unter Umständen werden sich die 'Schaulustigen' mit ihren Videokameras morgen vermehrt an den Airportzäunen rumtreiben... Soll ja wieder eine steife Brise werden...;)
 
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