Hallo zusammen,
„munich“ hat mich gebeten einen Beitrag bzgl. Lärm und den aktuellen Forschungsthemen zu verfassen. Generell ist dies ein sehr umfassendes Thema, deswegen möchte ich es zu allererst eingrenzen. Habe in dem Artikel nur meinen aktuellen Kenntnisstand über Lärm am und im Flugzeug dargelegt. Deswegen fehlen Lärmthemen wie neue An- und Abflugverfahren (z.B. CDA Continuous Descent Approach und viele mehr), Komponentenlärm (wie von hydraulischen oder elektrischen Aktuatoren, Klimaanlagen), neue Flugzeugkonfigurationen (z.B. Nurflügler, BWBs) oder auch Lärmregularien (Nachtflugverbote etc.).
Außerdem will ich anmerken, dass ich kein absoluter Experte in Sachen Lärm bin, deshalb bitte ich um Rückmeldung wenn jemandem etwas auffällt, was vielleicht nicht ganz korrekt ist. Ich werde versuchen den Beitrag für möglichst alle lesbar zu machen, d.h. ich hoffe dass es sowohl für Leute mit wenig Luftfahrttechnikkenntnisstand als auch für die Profis einigermaßen interessant ist. Natürlich halte ich mich an das Prinzip so wenig wie möglich und so ausführlich wie nötig. Leider ist das bei dem umfassenden Thema trotzdem nicht in ein paar Sätzen gesagt. Zu allem Überfluss muss ich mit ein paar essentiellen physikalischen Grundlagen von Lärm starten, damit alle nachher die Details einigermaßen verstehen können.
1. Physik
Zuerst muss man verstehen, worüber man eigentlich redet, wenn man von Lärm spricht. Generell sind Schallwellen, welche den Lärm ausmachen, wellenförmige Fortpflanzungen von Druck- oder Dichteschwankungen in elastischen Medien (Gasen, Flüssigkeiten, Festkörpern). Die einfachste Form solcher Wellen sind Töne. Sie sind exakte Sinuswellen mit konstanter Frequenz und Amplitude. Sowas erzeugt man beispielsweise mit einer Stimmgabel oder elektronisch. Da diese periodischen Wellen so einfach sind, eignen sie sich hervorragend für eine aktive Lärmreduktion mit Gegen- oder Antischall. Man kann Töne zu annähernd 100% eliminieren, mehr dazu aber später. Leider sind reine Töne in der Natur die Ausnahme. Werden nun mehrere Töne verschiedener Amplituden und mit einer vielfachen Wellenlänge der Grundschwingung zusammengefasst, so entstehen Klänge. Diese kann man mathematisch beispielsweise mittels Fourier Transformation wieder in ihre verschiedenen sinusförmigen Einzelschwingungen zerlegen. In der Musik entspricht das einem Grundton mit seinen Obertönen. Unterscheiden kann man denselben Klang von z.B. Klavier und Gitarre durch die verschiedene Anzahl, Frequenz und Amplituden der Oberschwingungen. Auch hier kann Active Noise Reduction noch sehr gut angewendet werden. Allerdings erkennt man hier schon eine Problematik wenn es sich nicht um periodisch wiederkehrende Klangmuster handelt: man muss den Klang möglichst in Echtzeit in seine Bestandteile zerlegen, damit man den „richtigen“ Antischall quasi gleichzeitig zur Entstehung (bzw. 180° phasenverschoben) über Lautsprecher emittieren kann. Es geht aber noch weiter… es geht in diesem Beitrag über Lärm im und am Flugzeug, und diesen Lärm bezeichnet man als Geräusch. Ein Geräusch ist eine wilde Überlagerung von Schwingungen mit verschiedenen Amplituden, Frequenzen (ohne vielfaches der Grundfrequenz), es ist also chaotisch. Und hier fangen die Probleme an, zumindest mit der Active Noice Reduction Technologie. Im Flugzeugbau „bekämpft“ man Geräusche deswegen üblicherweise mit passiver Technologie wie beispielsweise Absorbern. Mehr dazu aber auch später.
Wir haben schon über Frequenzen gesprochen. Interessant für uns Menschen ist der Bereich in dem unser Ohr die Schallwellen über das Trommelfell in Signale für unser Gehirn verwandelt, und wir sie hören. Je nach Alter hören wir zwischen 16Hz (tiefster Ton, längste Wellenlänge) und 20kHz (höchster Ton, kürzeste Wellenlänge). Je älter wir werden desto schlechter hören wir, vor allem im oberen Frequenzbereich. Darüber liegt der bekannte Ultraschall, darunter der Infraschall. Diese Bereiche können im Flugzeugbau auch von Interesse sein (beispielsweise bei Schwingungen der Struktur, Resonanzen etc.), da es sich aber nicht um vom menschlichen Ohr wahrnehmbare Schallwellen handelt, werden diese hier nicht behandelt.
Über die Amplituden der Schallwellen wird wenig gesprochen, vielmehr nutzt man die Verhältniszahl Dezibel dB. Dezibel wird verwendet zur Beschreibung der Lautstärke einer Schallwelle auf einer logarithmischen Skala, d.h. als Angabe von Schallpegeln. Warum logarithmisch? Weil das menschliche Ohr einen extrem großen wahrnehmbaren Intensitätsbereich besitzt und sich die Schallempfindlichkeit nicht linear sondern logarithmisch mit der Intensität ändert. Dezibel ist keine Einheit, vielmehr beschreibt der Schallpegel das Verhältnis einer Schall-Feldgröße zu einer Schall-Energiegröße. Tiefer will ich hier gar nicht einsteigen weil wir das im Folgenden nicht wirklich brauchen. Warum erkläre ich es trotzdem? Hauptsächlich weil man hier extrem aufpassen muss wovon man spricht… Beispielsweise bedeutet eine verdoppelte Schallintensität (z.B. 2 gleiche Lautsprecher nebeneinander) eine Zunahme um 3dB. Eine Verdoppelung des Schalldrucks (= doppelte Amplitude) hingegen bedeutet eine Zunahme um 6dB. Will man nun irgendetwas doppelt so laut hören/wahrnehmen, muss man die Lautstärke um 10dB erhöhen, was einer 10-fachen Leistung entspricht (man braucht also nun einen 500W Verstärker statt eines 50W Verstärkers um Musik doppelt so laut wahrzunehmen). Außerdem sei hier noch angemerkt, dass das menschliche Ohr nicht bei allen Frequenzen gleich empfindlich ist, d.h. sowohl die Hörgrenze als auch die Schmerzgrenze liegt bei unterschiedlichen Frequenzen bei unterschiedlichen Lautstärken.
So, diese Grundlagen reichen aber nun aus um uns näher mit Flugzeuglärm zu beschäftigen. Zu allererst sollten wir schauen, wo der Lärm am Flugzeug überhaupt herkommt, damit wir uns dann damit beschäftigen können, wie wir ihn wieder weg bekommen…
2. Lärmquellen am Flugzeug
Betrachten wir zuerst plakativ einen Flug aus Passagiersicht. Beim Einsteigen vernimmt man hauptsächlich die Strömungsgeräusche der Klimaanlage. Außerdem ist weiter hinten im Flugzeug evtl. das Geräusch der APU zu hören und kurz bevor es losgeht hört man die hydraulischen Aktuatoren der Frachtraumtüren. Diese Geräusche möchte ich, wie schon in der Einleitung beschrieben, hier ausklammern. Denn richtig laut wird es erst wenn das Flugzeug zurückgepushed wird und die Triebwerke gestartet werden. Zuerst hört man wie über den pneumatischen Anlasser das Kerntriebwerk, sprich der Hochdruckverdichter und die Turbine, hochgedreht werden. Während die Hochdruckwelle (als N2 bezeichnet) beschleunigt wird das hörbare Geräusch immer höher, irgendwann setzt sich auch die Niederdruckwelle (mit N1 bezeichnet) mit dem Fan in Drehung und es entsteht ein zweites, deutlich tieferes Geräusch. Je nach Triebwerk wird bei ca. 25% Drehzahl der N2 Welle die Kraftstoffeinspritzung in die Brennkammer gestartet und der Verbrennungsvorgang beginnt. Als Passagier vernimmt man diesen Verbrennungslärm als tiefes Grollen. Ab einer gewissen Drehzahl der beiden Wellen ist das Triebwerk im Leerlauf (idle). Sowohl in der Kabine als auch außerhalb des Flugzeugs hört man das Flugzeug bzw. die Triebwerke nun deutlich. Eine große Lärmquelle haben wir also schon mal identifiziert. Es werden nun alle Triebwerke angelassen, oft vernimmt man bei den Airbussen zwischendurch die lärmtechnisch sehr dominante Power Transfer Unit PTU, die einen Druckausgleich zwischen den verschiedenen Hydrauliksystemen des Flugzeugs herstellt (sehr schön hier zu hören: http://www.youtube.com/watch?v=grd5eJjJcL4). Während wir zum Start rollen werden die Klappen gefahren und man hört wieder die meist hydraulischen Aktuatoren. Auf der Startbahn schiebt der Pilot die Schubhebel mehr oder weniger stark nach vorne, das Flugzeug beschleunigt. In diesem Moment ist der Triebwerkslärm absolut dominierend. Allerdings hört nicht jeder Passagier das gleiche. Während man ganz vorne als dominierendes Geräusch eher das bekannte Kreissägengeräusch des Fans hört, vernimmt man ganz hinten eher den Lärm des Abgasstrahls. D.h. in der Kabine herrschen je nach Ort verschiedene Geräusche vor. Wenn das Flugzeug beschleunigt, hört man wie die Luft über den Rumpf streicht (neben dem Rollgeräusch). Dieses Strömungsgeräusch wird stärker, je schneller sich das Flugzeug in der Luft bewegt bzw. fliegt. Im Reiseflug ist das vorne in der Kabine beispielsweise das dominierende Geräusch, während weiter hinten eine Überlagerung von Abgasstrahl und Strömungsgeräusch vorherrscht (natürlich neben dem Klimaanlagengeräusch). Neben der Startbahn vernimmt man als dominierendes Geräusch meist immer noch das Triebwerk, aber auch die Strömung über den Flügel und die Hochauftriebskomponenten sowie um das Fahrwerk. Bei der Landung hingegen dominieren bei den meisten modernen Verkehrsflugzeugen diese Lärmquellen über dem Triebwerkslärm. Nachdem wir nun die größten Lärmquellen identifiziert haben, müssen wir uns nun jeder einzelnen im Detail widmen und deren genaue Herkunft klären, damit die Ingenieure dann entsprechende Gegenmaßnahmen entwerfen können.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es zwei große Lärmquellen am Flugzeug gibt, das Triebwerk und die Strömungsgeräusche über den Rumpf, die Tragflächen (incl. Höhen- und Seitenflossen und Ruder), Hochauftriebshilfen und Fahrwerk. Diese beiden Forschungsfelder werden stets auch in der Fachliteratur getrennt, deswegen will ich das auch hier machen.
2.1 Lärmquellen am Triebwerk
Fangen wir mal vorne, mit dem Fan an. Dieser emittiert bei hohen Drehzahlen das bereits angesprochene Kreissägengeräusch (Buzz-Saw Noise). Dieses entsteht bei hohen Drehzahlen, da sich die Schaufelspitzen in einer Überschallströmung befinden und sich dadurch ein Verdichtungsstoß einstellt, der dieses charakteristische Geräusch entstehen lässt. Dann entsteht generell im Fan ein Breitbandgeräusch aus der Wechselwirkung der Anströmung mit den Schaufeln und bei der Abströmung hinter den Schaufeln. Außerdem kann man verschiedene Töne ausmachen, verursacht durch die Wechselwirkung der Fanschaufeln mit den dahinterliegenden Statoren (blade passing frequency). Je schneller sich der Fan dreht, desto höher ist die Frequenz der rotierenden Teile relativ zu den stehenden Teilen und desto höher sind die entstehenden Töne. Dasselbe gilt für den Hoch- und Niederdruckverdichter als auch für die Hoch- und Niederdruckturbinen. Da sich die Hochdruckwelle (N2) im Allgemeinen schneller dreht, erzeugen die Komponenten höhere Töne als die der Niederdruckwelle (N1). Zwischen Verdichter und Turbine liegt die Brennkammer, die das ebenfalls bereits angesprochene tiefe Grollen emittiert. Dies ist das tieffrequente Breitbandgeräusch der Verbrennung des Kerosins mit dem Luftsauerstoff. Hinten am Triebwerk angelangt erzeugt der austretende Strahl des Kerntriebwerks und des Bypasses ein Breitbandgeräusch aufgrund der turbulenten Vermischung des Strahls mit der umgebenden Luft. Dieses ist im Allgemeinen umso lauter, je schneller der Strahl relativ zur Umgebung austritt. Bei modernen Triebwerken dominieren bei Start der Fan- und Strahllärm, bei Landung der Verdichter-, Brennkammer- und Turbinenlärm.
2.2 Lärmquellen am Rumpf und Flügel
Im Flug entsteht generell der Strömungslärm als Breitbandgeräusch, wenn die Luft über die „festen Berandungen“ streicht. Letztendlich entsteht der Lärm durch die Wechselwirkung der turbulenten Strömungen mit den festen Körpern in der Grenzschicht, in der ja das Fluid von der Haftbedingung direkt an der Oberfläche auf die Geschwindigkeit der umgebenden Luft relativ zu dem festen Körper beschleunigt wird (wir betrachten hier das Flugzeug als das (stehende) Bezugsystem, um das die Luft strömt). Da die Hochauftriebshilfen nichts anderes als kleine Flügel sind, gelten auch hierfür die gleichen Bedingungen. Zusätzlich können aber Geräusche oder Töne entstehen, wenn die Klappen ausgefahren sind und das Fluid durch die Spalten strömt. Meist auch am Flügel zu finden sind Enteisungslöcher (anti-ice holes) oder Tankentlüftungslöcher, die Töne generieren können (ähnlich wie wenn man über die Öffnung einer leeren Flasche bläst). Der nächste große Lärmemittent ist das Fahrwerk. Hier entstehen sowohl Breitbandgeräusche durch Umströmungen, Ablösungen und Interaktionen turbulenter Nachlaufströmungen mit stromab gelegenen Komponenten. Außerdem können auch hier hochfrequente Töne durch nicht abgedichtete Löcher z.B. bei hohlen Streben entstehen. Generell sind abrupte Geometrieänderungen überall rund ums Flugzeug potentielle Lärmquellen. Durch die Hochauftriebshilfen und das Fahrwerk ist ein Flugzeug von außen beim Landeanflug ca. 10db lauter als in der „clean configuration“.
Nachdem wir nun wissen wo der Lärm am Flugzeug herkommt, kann man sich nun Gedanken machen, wie man ihn reduzieren kann.
3. Methoden der Lärmreduzierung
Jetzt stellt sich die Frage, wie man den Lärm reduzieren kann. Hier sollte man allerdings einen Schritt zurück gehen, denn besser als Lärm zu reduzieren wäre, wenn der Lärm gar nicht entstünde! Also beschäftigen wir uns erst mal damit, die Lärmentstehung zu verhindern.
3.1 Lärmentstehung verhindern
Widmen wir uns auch hier zuerst dem Triebwerk. Den Strahllärm könnte man reduzieren, indem man die Relativgeschwindigkeit des austretenden Fluides zur umgebenden Luft reduziert. Um allerding den gleichen Schub zu erhalten, muss ich dann mehr Masse durch das Triebwerk schieben, sprich den Durchmesser vergrößern. Das wird ja bereits intensiv gemacht, die Durchmesser der Triebwerke werden immer größer, das Bypassverhältnis steigt, oder (anders ausgedrückt) das Kerntriebwerk wird im Vergleich zum Rest kleiner. Langsamer austretende Luft macht das Triebwerk nicht nur leiser, es erhöht auch den Vortriebswirkungsgrad. Nachteil: je größer der Durchmesser, desto schwerer wird das Ganze, desto mehr Platz brauch ich mit heutigen Konfigurationen unter dem Flügel (deswegen muss beispielsweise die neue B737MAX auf höhere Fahrwerksbeine gestellt werden) usw. Ein anderer Ansatz ist, die Vermischung des Strahls mit der Umgebungsluft zu verbessern. Diese Technik ist bereits einige Jahrzehnte alt, was man an den blütenartigen Austrittsrändern beispielsweise der JT3 Triebwerke alter B707 sehen kann (z.B. http://www.airliners.net/photo/Luft...03180/L/&sid=152f0629de78f2393de7d1906c9e3b12). In moderneren Triebwerken findet dies noch häufig in Form des Blütenmischers Verwendung, welcher bei Triebwerken mit einer Schubdüse (integrated nozzle) zur Vermischung des Kernstroms mit dem Bypassstrom angewendet wird. (z.B. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/47/Engine_BR710-1.jpg im RR BR710 Triebwerk). Die neueste Entwicklung sind die sogenannten Chevron Nozzles, zu sehen beispielsweise am CF34, GENX oder RR1000 Triebwerk. Wie viel kann der Lärm denn nun damit reduziert werden? Antwort: es kommt drauf an… Versuche einer umgerüsteten Lufthansa A319 in Zusammenarbeit mit dem DLR brachten mit Chevronnozzle in der Kerntriebwerksdüse nur ca. 1dB an Verbesserung. Allerdings hängt am A319 die schubschwächste Variante des CFM56-5 Motors, so dass man bei einem A321 mit einer Verbesserung um ca. 2dB rechnen kann. Würde man auch noch die Sekundärdüse mit Chevrons ausrüsten, würde man sogar auf 3dB kommen. Das ist auch ungefähr der Wert, der mit umgerüsteten GE90-115B Triebwerken an einer B777 gemessen wurde. Je nach Ausstrahlgeschwindigkeit nennt die NASA auch höhere Werte für die Lärmreduktion. Eine andere Maßnahme hatten wir bereits indirekt angesprochen, das Verwenden von einer Schubdüse anstatt zwei (vgl. V2500 am LH A321 vs. CFM56-5 am A319/20). Wie man aber erkennt, muss die äußere Verkleidung dadurch sehr lange gebaut werden, was zusätzliches Gewicht bedeutet, und vor allem vor dem Hintergrund, dass die Durchmesser immer größer werden, ist das eher eine nicht praktikable Technologie für große Triebwerke. Nachdem wir jetzt am Triebwerk hinten angefangen haben, gehen wir nun wieder nach ganz vorne. Das erwähnte Kreissägengeräusch könnte ich natürlich verhindern, wenn sich die Schaufelspitzen nicht mehr im Überschall bewegen würden. Dazu muss man wissen, dass für die Anströmung die senkrechte Komponente der Geschwindigkeit zur Vorderkante maßgebend ist. Deswegen ist eine Möglichkeit, die Schaufel nach vorne (oder hinten) an der Spitze zu biegen (forward/backward sweep). Dies wird bei modernen Triebwerken wie beispielsweise dem GE90-115B (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Engine_of_Jet_Airways_Boeing_777-300ER.jpg) bereits angewendet (außerdem ist der forward sweep vorteilhaft für die vorherrschende Grenzschichtströmung in Gehäusenähe). Daher resultiert unter anderem der charakteristische S-Schlag, der übrigens auch den Wirkungsgrad deutlich verbessert. Die andere fast noch naheliegendere Möglichkeit wäre, den Fan einfach langsamer drehen zu lassen. Da allerdings der Niederdruckverdichter und die Niederdruckturbine auf derselben Welle hängen und sie eine hohe Drehzahl für optimalen Wirkungsgrad benötigen, ist das ein schwieriges Unterfangen. Deswegen gibt es die neuesten Entwicklungen, indem man den Fan von der Niederdruckwelle entkoppelt und mittels eines Planetengetriebes langsamer drehen lässt. Dadurch können alle Komponenten im Wirkungsgradoptimum arbeiten und der Fanlärm kann deutlich reduziert werden. Anwendung findet diese Technologie zum ersten Mal im Geared Turbofan PW1000 von Pratt&Whitney. Widmen wir uns nun den tonalen Quellen im Triebwerk, wie bereits beschrieben maßgeblich beeinflusst durch die Rotation der Verdichter-/Turbinenschaufeln zu den stehenden Schaufeln (sog. blade passing frequency). Hier hat man herausgefunden, dass ein gewisses Verhältnis von Rotoren zu Statoren vorherrschen muss, um die Ausbreitung tonalen Lärms zu verhindern (sog. Cut-off design). Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Abstand zwischen Rotoren und Statoren zu erhöhen, um so die Druckschwankungsspitzen wenn der Rotor am Stator vorbei geht zu verkleinern. Natürlich ist das im Verdichter und in der Turbine kaum praktikabel da das Triebwerk viel länger werden würde, aber für die Statoren direkt hinter dem Fan im Bypasskanal wird das angewendet. Eine weitere Möglichkeit ist, die Statoren in Strömungs- und Umfangsrichtung zu neigen (sog. stator sweep and lean). Bereits seit vielen Jahren wird auf eine möglichst störungsfreie Zuströmung geachtet, so dass Triebwerke die Eintrittsleiträder vor dem Fan bzw. der ersten Verdichterstufe haben, für zivile Zwecke nicht mehr gebaut werden. Dadurch wird die Lärmentstehung durch die auf die Schaufeln auftretende Luft deutlich vermindert. Immer noch zu finden ist diese Konfiguration beispielsweise bei der MD80 Familie mit JT8D Triebwerken: http://www.pixstel.com/sas-md-87-tail--engine_urlb22026.php?id=
Der restliche Breitbandlärm kann nach meinem Wissensstand nicht mehr deutlich reduziert werden, so dass hier nur Maßnahmen zur aktiven oder passiven Lärmreduktion in Frage kommen.
Kommen wir zum Fahrwerk. Wie bereits oben beschrieben entsteht im Fahrwerk viel Lärm, den man eigentlich nur durch richtige Verkleidungen verhindern/vermindern kann. Eine durchgeführte Studie mit einer kompletten aerodynamischen Verkleidung brachte im Windkanal 10dB weniger an Geräuschemissionen. Allerdings ist diese Verkleidung in der Praxis nicht machbar, da das Fahrwerk ja irgendwie im Flugzeugrumpf verstaut werden muss. Realistisch umsetzbare Verkleidungen brachten ca. 3dB an Lärmreduktion. Zusätzlich zu diesem Breitbandlärm versucht man die tonalen Lärmquellen die durch Hohlräume/Löcher entstehen durch Verschließen zu eliminieren.
Auch an den Hochauftriebshilfen kann man versuchen, die Lärmentstehung zu verhindern. Hier gibt es ebenfalls Hohlräume/Löcher, die tonale Lärmquellen darstellen. Allerdings kann man weder Anti-Ice Holes noch Tankdruckausgleichsöffnungen einfach verschließen. Deshalb hilft man sich mit kleinen Wirbelgeneratoren die stromauf angebracht werden, und so das charakteristische Pfeifen (wie wenn man über die Öffnung einer leeren Flasche bläst) zu verhindern. Experimente ergaben eine Reduktion von ca. 1-2dB. Ein anderer Ansatzpunkt sind beispielsweise die Seiten von Klappen. Diese haben an der Seite oft einen Hohlraum, der eine intensive Lärmquelle darstellt. Durch das Anbringen von Endscheiben oder Endstücken aus porösem Metallschaum oder Bürsten konnten im Windkanalversuch mit einzelnen Klappen im Windkanal bis zu 10dB Lärmreduktion gemessen werden. Bereits angesprochen haben wir die Spalte zwischen den Klappen im ausgefahrenen Zustand. Speziell zwischen den Vorflügeln (Slats) und dem eigentlichen Flügel bilden sich Turbulenzstrukturen aus, die eine erhebliche Lärmquelle darstellen. Dadurch dass man verhindert dass solche Strukturen entstehen, beispielsweise durch sog. „Slat Cove Covers“ kann eine Lärmreduktion von ca. 2-3dB erreicht werden. Ähnlich wie bei den Chevron Nozzles am Triebwerk, werden derzeit auch Versuche mit gezackten Hinterkanten oder mit Bürstenkanten durchgeführt. Eine andere Idee war, Dämpferschichten auf die Vorderkante aufzubringen, um den Lärm beim Auftreffen des Fluides zu verringern. Allerdings konnten damit nur Erfolge im 2D Versuch erzielt werden, im 3D Versuch wurde keine Lärmreduktion festgestellt.
Sicherlich gibt es noch weitere Forschungsfelder auf diesem Gebiet, aber ich glaube für eine erste Übersicht reicht das aus.
Kommen wir nun zum nächsten Thema. Überall wo wir den Lärm nicht in seiner Entstehung hindern können, müssen wir ihn dämpfen oder absorbieren. Es handelt sich dabei um passive Maßnahmen, da nichts aktiv geregelt o.ä. wird.
„munich“ hat mich gebeten einen Beitrag bzgl. Lärm und den aktuellen Forschungsthemen zu verfassen. Generell ist dies ein sehr umfassendes Thema, deswegen möchte ich es zu allererst eingrenzen. Habe in dem Artikel nur meinen aktuellen Kenntnisstand über Lärm am und im Flugzeug dargelegt. Deswegen fehlen Lärmthemen wie neue An- und Abflugverfahren (z.B. CDA Continuous Descent Approach und viele mehr), Komponentenlärm (wie von hydraulischen oder elektrischen Aktuatoren, Klimaanlagen), neue Flugzeugkonfigurationen (z.B. Nurflügler, BWBs) oder auch Lärmregularien (Nachtflugverbote etc.).
Außerdem will ich anmerken, dass ich kein absoluter Experte in Sachen Lärm bin, deshalb bitte ich um Rückmeldung wenn jemandem etwas auffällt, was vielleicht nicht ganz korrekt ist. Ich werde versuchen den Beitrag für möglichst alle lesbar zu machen, d.h. ich hoffe dass es sowohl für Leute mit wenig Luftfahrttechnikkenntnisstand als auch für die Profis einigermaßen interessant ist. Natürlich halte ich mich an das Prinzip so wenig wie möglich und so ausführlich wie nötig. Leider ist das bei dem umfassenden Thema trotzdem nicht in ein paar Sätzen gesagt. Zu allem Überfluss muss ich mit ein paar essentiellen physikalischen Grundlagen von Lärm starten, damit alle nachher die Details einigermaßen verstehen können.
1. Physik
Zuerst muss man verstehen, worüber man eigentlich redet, wenn man von Lärm spricht. Generell sind Schallwellen, welche den Lärm ausmachen, wellenförmige Fortpflanzungen von Druck- oder Dichteschwankungen in elastischen Medien (Gasen, Flüssigkeiten, Festkörpern). Die einfachste Form solcher Wellen sind Töne. Sie sind exakte Sinuswellen mit konstanter Frequenz und Amplitude. Sowas erzeugt man beispielsweise mit einer Stimmgabel oder elektronisch. Da diese periodischen Wellen so einfach sind, eignen sie sich hervorragend für eine aktive Lärmreduktion mit Gegen- oder Antischall. Man kann Töne zu annähernd 100% eliminieren, mehr dazu aber später. Leider sind reine Töne in der Natur die Ausnahme. Werden nun mehrere Töne verschiedener Amplituden und mit einer vielfachen Wellenlänge der Grundschwingung zusammengefasst, so entstehen Klänge. Diese kann man mathematisch beispielsweise mittels Fourier Transformation wieder in ihre verschiedenen sinusförmigen Einzelschwingungen zerlegen. In der Musik entspricht das einem Grundton mit seinen Obertönen. Unterscheiden kann man denselben Klang von z.B. Klavier und Gitarre durch die verschiedene Anzahl, Frequenz und Amplituden der Oberschwingungen. Auch hier kann Active Noise Reduction noch sehr gut angewendet werden. Allerdings erkennt man hier schon eine Problematik wenn es sich nicht um periodisch wiederkehrende Klangmuster handelt: man muss den Klang möglichst in Echtzeit in seine Bestandteile zerlegen, damit man den „richtigen“ Antischall quasi gleichzeitig zur Entstehung (bzw. 180° phasenverschoben) über Lautsprecher emittieren kann. Es geht aber noch weiter… es geht in diesem Beitrag über Lärm im und am Flugzeug, und diesen Lärm bezeichnet man als Geräusch. Ein Geräusch ist eine wilde Überlagerung von Schwingungen mit verschiedenen Amplituden, Frequenzen (ohne vielfaches der Grundfrequenz), es ist also chaotisch. Und hier fangen die Probleme an, zumindest mit der Active Noice Reduction Technologie. Im Flugzeugbau „bekämpft“ man Geräusche deswegen üblicherweise mit passiver Technologie wie beispielsweise Absorbern. Mehr dazu aber auch später.
Wir haben schon über Frequenzen gesprochen. Interessant für uns Menschen ist der Bereich in dem unser Ohr die Schallwellen über das Trommelfell in Signale für unser Gehirn verwandelt, und wir sie hören. Je nach Alter hören wir zwischen 16Hz (tiefster Ton, längste Wellenlänge) und 20kHz (höchster Ton, kürzeste Wellenlänge). Je älter wir werden desto schlechter hören wir, vor allem im oberen Frequenzbereich. Darüber liegt der bekannte Ultraschall, darunter der Infraschall. Diese Bereiche können im Flugzeugbau auch von Interesse sein (beispielsweise bei Schwingungen der Struktur, Resonanzen etc.), da es sich aber nicht um vom menschlichen Ohr wahrnehmbare Schallwellen handelt, werden diese hier nicht behandelt.
Über die Amplituden der Schallwellen wird wenig gesprochen, vielmehr nutzt man die Verhältniszahl Dezibel dB. Dezibel wird verwendet zur Beschreibung der Lautstärke einer Schallwelle auf einer logarithmischen Skala, d.h. als Angabe von Schallpegeln. Warum logarithmisch? Weil das menschliche Ohr einen extrem großen wahrnehmbaren Intensitätsbereich besitzt und sich die Schallempfindlichkeit nicht linear sondern logarithmisch mit der Intensität ändert. Dezibel ist keine Einheit, vielmehr beschreibt der Schallpegel das Verhältnis einer Schall-Feldgröße zu einer Schall-Energiegröße. Tiefer will ich hier gar nicht einsteigen weil wir das im Folgenden nicht wirklich brauchen. Warum erkläre ich es trotzdem? Hauptsächlich weil man hier extrem aufpassen muss wovon man spricht… Beispielsweise bedeutet eine verdoppelte Schallintensität (z.B. 2 gleiche Lautsprecher nebeneinander) eine Zunahme um 3dB. Eine Verdoppelung des Schalldrucks (= doppelte Amplitude) hingegen bedeutet eine Zunahme um 6dB. Will man nun irgendetwas doppelt so laut hören/wahrnehmen, muss man die Lautstärke um 10dB erhöhen, was einer 10-fachen Leistung entspricht (man braucht also nun einen 500W Verstärker statt eines 50W Verstärkers um Musik doppelt so laut wahrzunehmen). Außerdem sei hier noch angemerkt, dass das menschliche Ohr nicht bei allen Frequenzen gleich empfindlich ist, d.h. sowohl die Hörgrenze als auch die Schmerzgrenze liegt bei unterschiedlichen Frequenzen bei unterschiedlichen Lautstärken.
So, diese Grundlagen reichen aber nun aus um uns näher mit Flugzeuglärm zu beschäftigen. Zu allererst sollten wir schauen, wo der Lärm am Flugzeug überhaupt herkommt, damit wir uns dann damit beschäftigen können, wie wir ihn wieder weg bekommen…
2. Lärmquellen am Flugzeug
Betrachten wir zuerst plakativ einen Flug aus Passagiersicht. Beim Einsteigen vernimmt man hauptsächlich die Strömungsgeräusche der Klimaanlage. Außerdem ist weiter hinten im Flugzeug evtl. das Geräusch der APU zu hören und kurz bevor es losgeht hört man die hydraulischen Aktuatoren der Frachtraumtüren. Diese Geräusche möchte ich, wie schon in der Einleitung beschrieben, hier ausklammern. Denn richtig laut wird es erst wenn das Flugzeug zurückgepushed wird und die Triebwerke gestartet werden. Zuerst hört man wie über den pneumatischen Anlasser das Kerntriebwerk, sprich der Hochdruckverdichter und die Turbine, hochgedreht werden. Während die Hochdruckwelle (als N2 bezeichnet) beschleunigt wird das hörbare Geräusch immer höher, irgendwann setzt sich auch die Niederdruckwelle (mit N1 bezeichnet) mit dem Fan in Drehung und es entsteht ein zweites, deutlich tieferes Geräusch. Je nach Triebwerk wird bei ca. 25% Drehzahl der N2 Welle die Kraftstoffeinspritzung in die Brennkammer gestartet und der Verbrennungsvorgang beginnt. Als Passagier vernimmt man diesen Verbrennungslärm als tiefes Grollen. Ab einer gewissen Drehzahl der beiden Wellen ist das Triebwerk im Leerlauf (idle). Sowohl in der Kabine als auch außerhalb des Flugzeugs hört man das Flugzeug bzw. die Triebwerke nun deutlich. Eine große Lärmquelle haben wir also schon mal identifiziert. Es werden nun alle Triebwerke angelassen, oft vernimmt man bei den Airbussen zwischendurch die lärmtechnisch sehr dominante Power Transfer Unit PTU, die einen Druckausgleich zwischen den verschiedenen Hydrauliksystemen des Flugzeugs herstellt (sehr schön hier zu hören: http://www.youtube.com/watch?v=grd5eJjJcL4). Während wir zum Start rollen werden die Klappen gefahren und man hört wieder die meist hydraulischen Aktuatoren. Auf der Startbahn schiebt der Pilot die Schubhebel mehr oder weniger stark nach vorne, das Flugzeug beschleunigt. In diesem Moment ist der Triebwerkslärm absolut dominierend. Allerdings hört nicht jeder Passagier das gleiche. Während man ganz vorne als dominierendes Geräusch eher das bekannte Kreissägengeräusch des Fans hört, vernimmt man ganz hinten eher den Lärm des Abgasstrahls. D.h. in der Kabine herrschen je nach Ort verschiedene Geräusche vor. Wenn das Flugzeug beschleunigt, hört man wie die Luft über den Rumpf streicht (neben dem Rollgeräusch). Dieses Strömungsgeräusch wird stärker, je schneller sich das Flugzeug in der Luft bewegt bzw. fliegt. Im Reiseflug ist das vorne in der Kabine beispielsweise das dominierende Geräusch, während weiter hinten eine Überlagerung von Abgasstrahl und Strömungsgeräusch vorherrscht (natürlich neben dem Klimaanlagengeräusch). Neben der Startbahn vernimmt man als dominierendes Geräusch meist immer noch das Triebwerk, aber auch die Strömung über den Flügel und die Hochauftriebskomponenten sowie um das Fahrwerk. Bei der Landung hingegen dominieren bei den meisten modernen Verkehrsflugzeugen diese Lärmquellen über dem Triebwerkslärm. Nachdem wir nun die größten Lärmquellen identifiziert haben, müssen wir uns nun jeder einzelnen im Detail widmen und deren genaue Herkunft klären, damit die Ingenieure dann entsprechende Gegenmaßnahmen entwerfen können.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es zwei große Lärmquellen am Flugzeug gibt, das Triebwerk und die Strömungsgeräusche über den Rumpf, die Tragflächen (incl. Höhen- und Seitenflossen und Ruder), Hochauftriebshilfen und Fahrwerk. Diese beiden Forschungsfelder werden stets auch in der Fachliteratur getrennt, deswegen will ich das auch hier machen.
2.1 Lärmquellen am Triebwerk
Fangen wir mal vorne, mit dem Fan an. Dieser emittiert bei hohen Drehzahlen das bereits angesprochene Kreissägengeräusch (Buzz-Saw Noise). Dieses entsteht bei hohen Drehzahlen, da sich die Schaufelspitzen in einer Überschallströmung befinden und sich dadurch ein Verdichtungsstoß einstellt, der dieses charakteristische Geräusch entstehen lässt. Dann entsteht generell im Fan ein Breitbandgeräusch aus der Wechselwirkung der Anströmung mit den Schaufeln und bei der Abströmung hinter den Schaufeln. Außerdem kann man verschiedene Töne ausmachen, verursacht durch die Wechselwirkung der Fanschaufeln mit den dahinterliegenden Statoren (blade passing frequency). Je schneller sich der Fan dreht, desto höher ist die Frequenz der rotierenden Teile relativ zu den stehenden Teilen und desto höher sind die entstehenden Töne. Dasselbe gilt für den Hoch- und Niederdruckverdichter als auch für die Hoch- und Niederdruckturbinen. Da sich die Hochdruckwelle (N2) im Allgemeinen schneller dreht, erzeugen die Komponenten höhere Töne als die der Niederdruckwelle (N1). Zwischen Verdichter und Turbine liegt die Brennkammer, die das ebenfalls bereits angesprochene tiefe Grollen emittiert. Dies ist das tieffrequente Breitbandgeräusch der Verbrennung des Kerosins mit dem Luftsauerstoff. Hinten am Triebwerk angelangt erzeugt der austretende Strahl des Kerntriebwerks und des Bypasses ein Breitbandgeräusch aufgrund der turbulenten Vermischung des Strahls mit der umgebenden Luft. Dieses ist im Allgemeinen umso lauter, je schneller der Strahl relativ zur Umgebung austritt. Bei modernen Triebwerken dominieren bei Start der Fan- und Strahllärm, bei Landung der Verdichter-, Brennkammer- und Turbinenlärm.
2.2 Lärmquellen am Rumpf und Flügel
Im Flug entsteht generell der Strömungslärm als Breitbandgeräusch, wenn die Luft über die „festen Berandungen“ streicht. Letztendlich entsteht der Lärm durch die Wechselwirkung der turbulenten Strömungen mit den festen Körpern in der Grenzschicht, in der ja das Fluid von der Haftbedingung direkt an der Oberfläche auf die Geschwindigkeit der umgebenden Luft relativ zu dem festen Körper beschleunigt wird (wir betrachten hier das Flugzeug als das (stehende) Bezugsystem, um das die Luft strömt). Da die Hochauftriebshilfen nichts anderes als kleine Flügel sind, gelten auch hierfür die gleichen Bedingungen. Zusätzlich können aber Geräusche oder Töne entstehen, wenn die Klappen ausgefahren sind und das Fluid durch die Spalten strömt. Meist auch am Flügel zu finden sind Enteisungslöcher (anti-ice holes) oder Tankentlüftungslöcher, die Töne generieren können (ähnlich wie wenn man über die Öffnung einer leeren Flasche bläst). Der nächste große Lärmemittent ist das Fahrwerk. Hier entstehen sowohl Breitbandgeräusche durch Umströmungen, Ablösungen und Interaktionen turbulenter Nachlaufströmungen mit stromab gelegenen Komponenten. Außerdem können auch hier hochfrequente Töne durch nicht abgedichtete Löcher z.B. bei hohlen Streben entstehen. Generell sind abrupte Geometrieänderungen überall rund ums Flugzeug potentielle Lärmquellen. Durch die Hochauftriebshilfen und das Fahrwerk ist ein Flugzeug von außen beim Landeanflug ca. 10db lauter als in der „clean configuration“.
Nachdem wir nun wissen wo der Lärm am Flugzeug herkommt, kann man sich nun Gedanken machen, wie man ihn reduzieren kann.
3. Methoden der Lärmreduzierung
Jetzt stellt sich die Frage, wie man den Lärm reduzieren kann. Hier sollte man allerdings einen Schritt zurück gehen, denn besser als Lärm zu reduzieren wäre, wenn der Lärm gar nicht entstünde! Also beschäftigen wir uns erst mal damit, die Lärmentstehung zu verhindern.
3.1 Lärmentstehung verhindern
Widmen wir uns auch hier zuerst dem Triebwerk. Den Strahllärm könnte man reduzieren, indem man die Relativgeschwindigkeit des austretenden Fluides zur umgebenden Luft reduziert. Um allerding den gleichen Schub zu erhalten, muss ich dann mehr Masse durch das Triebwerk schieben, sprich den Durchmesser vergrößern. Das wird ja bereits intensiv gemacht, die Durchmesser der Triebwerke werden immer größer, das Bypassverhältnis steigt, oder (anders ausgedrückt) das Kerntriebwerk wird im Vergleich zum Rest kleiner. Langsamer austretende Luft macht das Triebwerk nicht nur leiser, es erhöht auch den Vortriebswirkungsgrad. Nachteil: je größer der Durchmesser, desto schwerer wird das Ganze, desto mehr Platz brauch ich mit heutigen Konfigurationen unter dem Flügel (deswegen muss beispielsweise die neue B737MAX auf höhere Fahrwerksbeine gestellt werden) usw. Ein anderer Ansatz ist, die Vermischung des Strahls mit der Umgebungsluft zu verbessern. Diese Technik ist bereits einige Jahrzehnte alt, was man an den blütenartigen Austrittsrändern beispielsweise der JT3 Triebwerke alter B707 sehen kann (z.B. http://www.airliners.net/photo/Luft...03180/L/&sid=152f0629de78f2393de7d1906c9e3b12). In moderneren Triebwerken findet dies noch häufig in Form des Blütenmischers Verwendung, welcher bei Triebwerken mit einer Schubdüse (integrated nozzle) zur Vermischung des Kernstroms mit dem Bypassstrom angewendet wird. (z.B. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/47/Engine_BR710-1.jpg im RR BR710 Triebwerk). Die neueste Entwicklung sind die sogenannten Chevron Nozzles, zu sehen beispielsweise am CF34, GENX oder RR1000 Triebwerk. Wie viel kann der Lärm denn nun damit reduziert werden? Antwort: es kommt drauf an… Versuche einer umgerüsteten Lufthansa A319 in Zusammenarbeit mit dem DLR brachten mit Chevronnozzle in der Kerntriebwerksdüse nur ca. 1dB an Verbesserung. Allerdings hängt am A319 die schubschwächste Variante des CFM56-5 Motors, so dass man bei einem A321 mit einer Verbesserung um ca. 2dB rechnen kann. Würde man auch noch die Sekundärdüse mit Chevrons ausrüsten, würde man sogar auf 3dB kommen. Das ist auch ungefähr der Wert, der mit umgerüsteten GE90-115B Triebwerken an einer B777 gemessen wurde. Je nach Ausstrahlgeschwindigkeit nennt die NASA auch höhere Werte für die Lärmreduktion. Eine andere Maßnahme hatten wir bereits indirekt angesprochen, das Verwenden von einer Schubdüse anstatt zwei (vgl. V2500 am LH A321 vs. CFM56-5 am A319/20). Wie man aber erkennt, muss die äußere Verkleidung dadurch sehr lange gebaut werden, was zusätzliches Gewicht bedeutet, und vor allem vor dem Hintergrund, dass die Durchmesser immer größer werden, ist das eher eine nicht praktikable Technologie für große Triebwerke. Nachdem wir jetzt am Triebwerk hinten angefangen haben, gehen wir nun wieder nach ganz vorne. Das erwähnte Kreissägengeräusch könnte ich natürlich verhindern, wenn sich die Schaufelspitzen nicht mehr im Überschall bewegen würden. Dazu muss man wissen, dass für die Anströmung die senkrechte Komponente der Geschwindigkeit zur Vorderkante maßgebend ist. Deswegen ist eine Möglichkeit, die Schaufel nach vorne (oder hinten) an der Spitze zu biegen (forward/backward sweep). Dies wird bei modernen Triebwerken wie beispielsweise dem GE90-115B (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Engine_of_Jet_Airways_Boeing_777-300ER.jpg) bereits angewendet (außerdem ist der forward sweep vorteilhaft für die vorherrschende Grenzschichtströmung in Gehäusenähe). Daher resultiert unter anderem der charakteristische S-Schlag, der übrigens auch den Wirkungsgrad deutlich verbessert. Die andere fast noch naheliegendere Möglichkeit wäre, den Fan einfach langsamer drehen zu lassen. Da allerdings der Niederdruckverdichter und die Niederdruckturbine auf derselben Welle hängen und sie eine hohe Drehzahl für optimalen Wirkungsgrad benötigen, ist das ein schwieriges Unterfangen. Deswegen gibt es die neuesten Entwicklungen, indem man den Fan von der Niederdruckwelle entkoppelt und mittels eines Planetengetriebes langsamer drehen lässt. Dadurch können alle Komponenten im Wirkungsgradoptimum arbeiten und der Fanlärm kann deutlich reduziert werden. Anwendung findet diese Technologie zum ersten Mal im Geared Turbofan PW1000 von Pratt&Whitney. Widmen wir uns nun den tonalen Quellen im Triebwerk, wie bereits beschrieben maßgeblich beeinflusst durch die Rotation der Verdichter-/Turbinenschaufeln zu den stehenden Schaufeln (sog. blade passing frequency). Hier hat man herausgefunden, dass ein gewisses Verhältnis von Rotoren zu Statoren vorherrschen muss, um die Ausbreitung tonalen Lärms zu verhindern (sog. Cut-off design). Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Abstand zwischen Rotoren und Statoren zu erhöhen, um so die Druckschwankungsspitzen wenn der Rotor am Stator vorbei geht zu verkleinern. Natürlich ist das im Verdichter und in der Turbine kaum praktikabel da das Triebwerk viel länger werden würde, aber für die Statoren direkt hinter dem Fan im Bypasskanal wird das angewendet. Eine weitere Möglichkeit ist, die Statoren in Strömungs- und Umfangsrichtung zu neigen (sog. stator sweep and lean). Bereits seit vielen Jahren wird auf eine möglichst störungsfreie Zuströmung geachtet, so dass Triebwerke die Eintrittsleiträder vor dem Fan bzw. der ersten Verdichterstufe haben, für zivile Zwecke nicht mehr gebaut werden. Dadurch wird die Lärmentstehung durch die auf die Schaufeln auftretende Luft deutlich vermindert. Immer noch zu finden ist diese Konfiguration beispielsweise bei der MD80 Familie mit JT8D Triebwerken: http://www.pixstel.com/sas-md-87-tail--engine_urlb22026.php?id=
Der restliche Breitbandlärm kann nach meinem Wissensstand nicht mehr deutlich reduziert werden, so dass hier nur Maßnahmen zur aktiven oder passiven Lärmreduktion in Frage kommen.
Kommen wir zum Fahrwerk. Wie bereits oben beschrieben entsteht im Fahrwerk viel Lärm, den man eigentlich nur durch richtige Verkleidungen verhindern/vermindern kann. Eine durchgeführte Studie mit einer kompletten aerodynamischen Verkleidung brachte im Windkanal 10dB weniger an Geräuschemissionen. Allerdings ist diese Verkleidung in der Praxis nicht machbar, da das Fahrwerk ja irgendwie im Flugzeugrumpf verstaut werden muss. Realistisch umsetzbare Verkleidungen brachten ca. 3dB an Lärmreduktion. Zusätzlich zu diesem Breitbandlärm versucht man die tonalen Lärmquellen die durch Hohlräume/Löcher entstehen durch Verschließen zu eliminieren.
Auch an den Hochauftriebshilfen kann man versuchen, die Lärmentstehung zu verhindern. Hier gibt es ebenfalls Hohlräume/Löcher, die tonale Lärmquellen darstellen. Allerdings kann man weder Anti-Ice Holes noch Tankdruckausgleichsöffnungen einfach verschließen. Deshalb hilft man sich mit kleinen Wirbelgeneratoren die stromauf angebracht werden, und so das charakteristische Pfeifen (wie wenn man über die Öffnung einer leeren Flasche bläst) zu verhindern. Experimente ergaben eine Reduktion von ca. 1-2dB. Ein anderer Ansatzpunkt sind beispielsweise die Seiten von Klappen. Diese haben an der Seite oft einen Hohlraum, der eine intensive Lärmquelle darstellt. Durch das Anbringen von Endscheiben oder Endstücken aus porösem Metallschaum oder Bürsten konnten im Windkanalversuch mit einzelnen Klappen im Windkanal bis zu 10dB Lärmreduktion gemessen werden. Bereits angesprochen haben wir die Spalte zwischen den Klappen im ausgefahrenen Zustand. Speziell zwischen den Vorflügeln (Slats) und dem eigentlichen Flügel bilden sich Turbulenzstrukturen aus, die eine erhebliche Lärmquelle darstellen. Dadurch dass man verhindert dass solche Strukturen entstehen, beispielsweise durch sog. „Slat Cove Covers“ kann eine Lärmreduktion von ca. 2-3dB erreicht werden. Ähnlich wie bei den Chevron Nozzles am Triebwerk, werden derzeit auch Versuche mit gezackten Hinterkanten oder mit Bürstenkanten durchgeführt. Eine andere Idee war, Dämpferschichten auf die Vorderkante aufzubringen, um den Lärm beim Auftreffen des Fluides zu verringern. Allerdings konnten damit nur Erfolge im 2D Versuch erzielt werden, im 3D Versuch wurde keine Lärmreduktion festgestellt.
Sicherlich gibt es noch weitere Forschungsfelder auf diesem Gebiet, aber ich glaube für eine erste Übersicht reicht das aus.
Kommen wir nun zum nächsten Thema. Überall wo wir den Lärm nicht in seiner Entstehung hindern können, müssen wir ihn dämpfen oder absorbieren. Es handelt sich dabei um passive Maßnahmen, da nichts aktiv geregelt o.ä. wird.
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