Perlmuttfarbene arabische Schönheit
Münchens Plainspotting-Gemeinde fotografiert Flugzeuge aus aller Welt - der Eleganz und Ästhetik wegen
von Nadja Kerschkewicz
Behutsam drückt Albert Kuhbandner das Objektiv seiner Canon zwischen Stacheldraht und Zaunoberkante. Heute will er sie sich "holen", die arabische Schönheit, perlmuttgleich schimmernd im Sonnenlicht, mit goldenem Schriftzug. Die Etihad fehlt ihm noch in seiner exotischen Sammlung der elegantesten Fluzeuge dieser Welt.
Kuhbandner, 48, gehört zur Spottergemeinde der "Aviation Friends Munich" (AFM). "To spot" ist Englisch und heißt auf Deutsch so viel wie: entdecken.
"Wir sind Jäger und Sammler", sagt Kuhbandner. Fotojäger auf der Jagd nach Flugzeugen, ein Hobby, dem bei der AFM immerhin 50 Aktive frönen. "Ich muss zunächst schauen, ob ein unerwarteter Flieger rausgeht", erklärt Albert Kuhbandner seine erste Runde um das Münchner Flughafengelände. Den Flugplan kennt er seit langem auswendig.
In seinem Opel Zafira geht es erst zum südlichen Rollfeld "Sierra Five", dann rüber zur nördlichen Landebahn "November One". Kuhbandner kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, die Sonne blendet beim Ausschauhalten nach der Icelandair. Er zückt ein ausgefranstes Notizbuch. Seit eineinhalb Jahren notiert er hier akribisch nach jedem Shot die Registrierungsnummer der abgelichteten Maschine. Im Notfall hilft die Spotterbibel.
Alle Flugzeuge der Welt findet er mit Registrierungsnummer in dem faustdicken Wälzer. In kleinen Kästchen kreuzt Albert Kuhbandner an, welche Maschine er schon abgelichtet hat und in welcher Qualität. Die Icelandair hat er nur bei Bewölkung fotografiert, heute wünscht er sie sich im Sonnenschein, mit blauem Himmel.
Max Teuber will sie auch erwischen - mit einer anderen Technik. Max ist der jüngste der Aviation Friends. Gerade 15 Jahre alt und einer der wenigen im Verein, die digital fotografieren. Wie viele Fotos er in den zweieinhalb Jahren seiner Spotterkarriere gemacht hat, weiß er nicht, er hat aufgehört zu zählen. Bei den Traditionellen ist Digitalfotografie verpönt - wegen der Bildbearbeitung. "Es ist aber billiger", sagt Max, "und die Bilder lassen sich auch besser lagern." Im Internet gibt es eine Bilddatenbank für alle Spotter. Immerhin ist es ja auch ein weltumspannendes Hobby.
Im Ausland haben sich ganze Reiseunternehmen auf Spottertouren spezialisiert. Regelmäßig fliegen die Münchner "Aviation Friends" zu Fototouren nach Zürich. Hier gibt es die Möglichkeit zu außergewöhnlichen Motiven - "Airsidefoto Zürich" bringt die Männer direkt aufs Vorfeld.
Auf so genannten "Slideconventions" können später saubere Schüsse getauscht und verkauft werden. Nicht selten, das weiß Albert Kuhbandner, gibt es unter den Händlern auch schwarze Schafe, die Diakopien zu Wucherpreisen anbieten. Auch Illegales ist dabei, wie Aufnahmen aus Dubai. Dort darf man unter keinen Umständen fotografieren. Die Pretiosen von dort sind auch nur etwas für Hardliner: Das Dia gibt es ab 80 Euro, nach oben gibt es keine Grenze.
"Ja Kruzifix, jetzt fährt der Depp in die andere Richtung!" Albert Kuhbandner ist verärgert. Das war nicht nach Plan. Frühzeitig hat der Pilot die Icelandair nach Norden gelenkt. Nur noch das Hinterteil des Fliegers ist zu sehen. Das Bild ist versaut. Auch das gehört zum Hobby. Nicht immer läuft alles nach Flugplan, "manchmal hat man eben Pech".
Dabei haben es die Spotter am Münchner Flughafen noch relativ leicht. Das ist nicht überall so. In London dürfen Spotter nur auf die Besucherterrasse. In Brasilien müssen sie sogar mit Gefängnisstrafen rechnen, wenn sie am Flughafenzaun gesehen werden. Die AFM-Mitglieder haben einen besonderen Draht zur Flughafensicherheit München - alle Mitglieder sind namentlich registriert. Darum gibt es keinen Ärger mit dem Sicherheitsdienst.
"Die Aviation Friends sind so was wie eine Schattenorganisation. Unser Austausch ist informell: Wenn sich etwas Auffälliges am Zaun tut, geben sie uns per Telefon Bescheid." Gerhard Wirt, der Leiter der Sicherheitsabteilung des Münchner Flughafens ist froh über die zusätzliche Aufmerksamkeit am Flughafenzaun. Die kann dem Flughafen in Zeiten erhöhter Terrorgefahr nur zugute kommen.
Die Motive der Spotter sind vielschichtig. "Ungestillte Reiseträume", nennt Albert Kuhbandner, was ihn treibt, seine Sammlung stetig zu ergänzen. Kuhbandner weiß, dass er auch auf Unverständnis stößt. Aber er weiß auch, was ein Spotter mitbringen muss, um in der Szene zu überleben: "Durchhaltevermögen, Fleiß und ein kleines bisschen Verrücktheit."
Artikel erschienen am 26. September 2004 "die Welt"
Münchens Plainspotting-Gemeinde fotografiert Flugzeuge aus aller Welt - der Eleganz und Ästhetik wegen
von Nadja Kerschkewicz
Behutsam drückt Albert Kuhbandner das Objektiv seiner Canon zwischen Stacheldraht und Zaunoberkante. Heute will er sie sich "holen", die arabische Schönheit, perlmuttgleich schimmernd im Sonnenlicht, mit goldenem Schriftzug. Die Etihad fehlt ihm noch in seiner exotischen Sammlung der elegantesten Fluzeuge dieser Welt.
Kuhbandner, 48, gehört zur Spottergemeinde der "Aviation Friends Munich" (AFM). "To spot" ist Englisch und heißt auf Deutsch so viel wie: entdecken.
"Wir sind Jäger und Sammler", sagt Kuhbandner. Fotojäger auf der Jagd nach Flugzeugen, ein Hobby, dem bei der AFM immerhin 50 Aktive frönen. "Ich muss zunächst schauen, ob ein unerwarteter Flieger rausgeht", erklärt Albert Kuhbandner seine erste Runde um das Münchner Flughafengelände. Den Flugplan kennt er seit langem auswendig.
In seinem Opel Zafira geht es erst zum südlichen Rollfeld "Sierra Five", dann rüber zur nördlichen Landebahn "November One". Kuhbandner kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, die Sonne blendet beim Ausschauhalten nach der Icelandair. Er zückt ein ausgefranstes Notizbuch. Seit eineinhalb Jahren notiert er hier akribisch nach jedem Shot die Registrierungsnummer der abgelichteten Maschine. Im Notfall hilft die Spotterbibel.
Alle Flugzeuge der Welt findet er mit Registrierungsnummer in dem faustdicken Wälzer. In kleinen Kästchen kreuzt Albert Kuhbandner an, welche Maschine er schon abgelichtet hat und in welcher Qualität. Die Icelandair hat er nur bei Bewölkung fotografiert, heute wünscht er sie sich im Sonnenschein, mit blauem Himmel.
Max Teuber will sie auch erwischen - mit einer anderen Technik. Max ist der jüngste der Aviation Friends. Gerade 15 Jahre alt und einer der wenigen im Verein, die digital fotografieren. Wie viele Fotos er in den zweieinhalb Jahren seiner Spotterkarriere gemacht hat, weiß er nicht, er hat aufgehört zu zählen. Bei den Traditionellen ist Digitalfotografie verpönt - wegen der Bildbearbeitung. "Es ist aber billiger", sagt Max, "und die Bilder lassen sich auch besser lagern." Im Internet gibt es eine Bilddatenbank für alle Spotter. Immerhin ist es ja auch ein weltumspannendes Hobby.
Im Ausland haben sich ganze Reiseunternehmen auf Spottertouren spezialisiert. Regelmäßig fliegen die Münchner "Aviation Friends" zu Fototouren nach Zürich. Hier gibt es die Möglichkeit zu außergewöhnlichen Motiven - "Airsidefoto Zürich" bringt die Männer direkt aufs Vorfeld.
Auf so genannten "Slideconventions" können später saubere Schüsse getauscht und verkauft werden. Nicht selten, das weiß Albert Kuhbandner, gibt es unter den Händlern auch schwarze Schafe, die Diakopien zu Wucherpreisen anbieten. Auch Illegales ist dabei, wie Aufnahmen aus Dubai. Dort darf man unter keinen Umständen fotografieren. Die Pretiosen von dort sind auch nur etwas für Hardliner: Das Dia gibt es ab 80 Euro, nach oben gibt es keine Grenze.
"Ja Kruzifix, jetzt fährt der Depp in die andere Richtung!" Albert Kuhbandner ist verärgert. Das war nicht nach Plan. Frühzeitig hat der Pilot die Icelandair nach Norden gelenkt. Nur noch das Hinterteil des Fliegers ist zu sehen. Das Bild ist versaut. Auch das gehört zum Hobby. Nicht immer läuft alles nach Flugplan, "manchmal hat man eben Pech".
Dabei haben es die Spotter am Münchner Flughafen noch relativ leicht. Das ist nicht überall so. In London dürfen Spotter nur auf die Besucherterrasse. In Brasilien müssen sie sogar mit Gefängnisstrafen rechnen, wenn sie am Flughafenzaun gesehen werden. Die AFM-Mitglieder haben einen besonderen Draht zur Flughafensicherheit München - alle Mitglieder sind namentlich registriert. Darum gibt es keinen Ärger mit dem Sicherheitsdienst.
"Die Aviation Friends sind so was wie eine Schattenorganisation. Unser Austausch ist informell: Wenn sich etwas Auffälliges am Zaun tut, geben sie uns per Telefon Bescheid." Gerhard Wirt, der Leiter der Sicherheitsabteilung des Münchner Flughafens ist froh über die zusätzliche Aufmerksamkeit am Flughafenzaun. Die kann dem Flughafen in Zeiten erhöhter Terrorgefahr nur zugute kommen.
Die Motive der Spotter sind vielschichtig. "Ungestillte Reiseträume", nennt Albert Kuhbandner, was ihn treibt, seine Sammlung stetig zu ergänzen. Kuhbandner weiß, dass er auch auf Unverständnis stößt. Aber er weiß auch, was ein Spotter mitbringen muss, um in der Szene zu überleben: "Durchhaltevermögen, Fleiß und ein kleines bisschen Verrücktheit."
Artikel erschienen am 26. September 2004 "die Welt"