Sollte dem Fragesteller an einer igenieursmässigen oder/und wissenschaftlich 110% korrekten Auskunft gelegen sein, kann ich damit leider nicht dienen, bin hier nur der 'DAU'.
Ebensowenig kann und will ich mich an akademischen Grundsatzdiskussionen beteiligen, obwohl (oder weil ;D) ich auch mal die T(heoretische) U(niversität) München für ein paar Semester von innen gesehen habe.
Zur praktischen Seite der Fragestellung:
Das ganze Thema Wind/Winddreiecke/Windberechnung nimmt in der theoretischen Ausbildung einen großen Stellenwert ein. Für den ATPL muss die Lösung rechnerisch und zeichnerisch beherrscht werden, zu meiner Zeit die rechnerische Lösung auch noch mit dem berühmten 'Drehmeier' (Aristo Aviat, log. Rechenscheibe, feines Teil!).
Grundsätzlich ist fliegerisch zwischen 2 Aufgabenstellungen zu unterscheiden. Auf die Differenzierung zwischen True-, Magnetic- und Compass-Heading sowie zwischen True-, Indicated- und Calibrated Airspeed verzichte ich der Einfachheit halber und verwende nur True-Werte.
1. Flugplanung: Bekannt sind Windvector (WA/WS) sowie Track (TT) und Airspeed (TAS), gesucht ist der 'Wind Correction Angle', sprich welches Heading muss ich fliegen, muss, um trotz Seitenwindkomponente meinem gewünschten Track zu folgen.
2. Driftbestimmung: Bekannt sind Groundvector (TT/GS) und Airvector (TH/TAS), gesucht ist der Windvector. Dies kommt m.M. der Fragestellung schon ziemlich nahe.
Die Airspeed kommt in einem modernen Airliner vom 'Air Data Computer'. Die Navigationsdaten, sprich das Heading, der Track sowie die Ground Speed kommen aus dem FMS, welches von unterschiedlichen Sensoren gefüttert werden kann.
Das Verständnis für das Zustandekommen der aktuellen Positionsdaten aus einem Mix von IRS-, GPS- sowie VOR/DME-Signalen fehlt selbst vielen Kollegen, da die Funktionsweise recht komplex ist. Daher nehmen wir einfach mal an, es handelt sich um GPS-Daten ohne BIAS, ohne Update.
Anhand dieser 4 Daten (TH/TAS-TT/GS) wird dann permanent der Windvector errechnet und meist auf dem Nav Display zur Anzeige gebracht. Da die Airspeed ohne nennenswerten Fehler ermittelt wird, wird die Windanzeige relativ genau stimmen, solange die Qualität der NAV-Daten gewährleistet ist.
Sehr schön zu sehen ist der Unterschied zwischen guter und nicht so guter Qualität der Nav-Daten beim Vergleich der Non-GPS zu den GPS-Fliegern in unserer Flotte. Bei ersteren kommen die Daten nur aus dem IRS, dessen Position über automatische Updates (mit DME oder/und VOR-Stationen) nachgeführt wird. Wenn die Dinger mal ein paar Stunden laufen, dann kommte es hier teiweise zu recht erheblichen 'residual Groundspeeds', also wird bei Stillstand des Fliegers am Boden noch eine (fälschliche, zu Hohe) Groundspeed angezeit, welche natürlich in diesem Fall auch die Windberechnung verfälschen würde. Ab einem bestimmten Wert ist dann vor dem nächsten Flug entweder ein Quick oder ein Full Allignement der IRSse nötig.
Die GPS-Flieger nehmen nur GPS-Signale fürs Update (solange GPS verfügbar) und zeigen eigentlich immer richtig an.
Besonders hinderlich ist das bei einem 'alten' (Non-GPS) Flieger im Hinblick auf die sehr hilfreiche Groundspeed-Mini-Funktion, welche im Anflugs die Targetspeed automatisch erhöht. Dabei wird die Differenz der Headwind-Komponenten des Bodenwindes (aus der ATIS, im FMS eingegeben) und des aktuellen Windes genommen und auf die V app aufgeschlagen. Ist der aktuelle (berechnete) Wind signifikant falsch, stimmt natürlich auch die V app nicht. Bei Interesse kann ich gerne mehr zu dieser wirklich tollen Funktion des A320 schreiben.
Das wär's jetzt mal fürs erste gewesen, bei Interesse bitte konreter nachfragen!
Gruß MAX
PS. Das ganze Thema Wind ist extrem vielfältig und interessant. Für alle Begeisterten noch eine Quizfrage zum Abschluss, vollkommen theoretisch und unter Annahme von Idealbedingungen.
Ein bereits im Flug befindliches überfliegt Punkt A Richtung Punkt B. Die hierfür benötigte Zeit wird gemessen, dann kehrt der Flieger um und fliegt die gleiche Strecke in die andere Richtung, wieder wird die Zeit zwischen den Überflügen gemessen.
Gegeben:
Entfernung A-B = 300 km
TAS des Fliegers = 100 km/h
Der Kurs von A nach B beträgt 90°, der Gegenkurs also 270°
Fall 1: Es herrscht absolute Windstille
Fall 2: Der Wind weht konstant mit 270°/50 km/h
Gesucht:
Berechnen Sie die Gesamtflugzeiten A-B B-A (jeweils Überflug bis Überflug)!
Sind die Zeiten in Fall 1 und 2 gleich?
Wenn ja warum, wenn nein warum nicht?
Viel Spaß ;D