Ein paar Tage Mexico

Liebes Forum,

ich war im Juli ein paar Tage in Mexiko und dachte mir, dass ich darüber etwas schreibe. Es gibt also wieder einen Reisebericht von mir. Hier kommt der erste Teil.
 
Von Senatoren und einem Senator-Cafe

Ich bin Senator. Und das ist gut so. Gut für mich. Denn ich stehe nicht gerne in einer Schlange - schon gar nicht in einer langen Menschenschlange mit hunderten Fluggästen, die in der Economy-Klasse irgendwo hin fliegen wollen und deshalb vor dem Start am vollen Checkin-Schaltern ihre Koffer abgeben müssen. Schlangestehen ist für mich eine Strafe – ja fast eine Höchststrafe.

Ich leide beim Schlange stehen am Flughafen genauso wie im Supermarkt an der Kasse. Deshalb finde ich es gut, dass ich nun Senator bin. Da komme ich ungestraft davon, zumindest am Flughafen. Ich brauche mich dort nicht mehr anzustellen. Als Senator darf ich zum First Class Schalter gehen, auch wenn ich nur einen Economyflugschein in der Hosentasche habe - oder wie heute ein Businessclass-Ticket.

Am First Class Schalter gibt es keine Schlangen. Da ist es meist leer, und die Schalterdamen freuen sich, wenn denn mal jemand vorbeikommt, um seinen Koffer abzugeben, so wie ich es heute tue in München tue: Mein Koffer bekommt sein Etikett. MEX via FRA und Priority steht drauf. Nach Mexiko mit Umsteigen in Frankfurt geht es also, und das mit Priority!

Ich bin also Senator. Ich bin das erst seit einem Jahr. Eigentlich hätte es früher kommen müssen, dass mich die Lufthansa zum Senator ernennt. Denn vom Alter, Aussehen und Funktion wurde es langsam auch wirklich Zeit. Meine Pubertäts- und Pflegeljahre, als ich noch mit Rucksack in der billigsten Holzklasse durch die Welt gedüst bin, liegen ja schon über ein Vierteljahrhundert zurück. Economy war gestern, Business und First ist heute.

Mittlerweile habe ich auch schon graue Haare und meine senore Stimme ist noch dunkler geworden, was aber vermutlich vom vielen Rauchen und Saufen kommt. Die Haare und die Stimme machen mich schon mal seriös, seriös wie ein Senator eben ist. Und wenn ich dann keine Jeans, sondern meinen Maßanzug trage (was einmal die Woche tatsächlich vorkommt), die Krawatte sauber gebunden ist und meine Schuhe frisch poliert glänzen, dann sehe ich mindestens so seriös aus, wie der ältere Herr, der mich auf meiner Lufthansa-Miles-und-More-Senatorseite immer so gönnerhaft anlächelt, wenn ich mich dort einlogge.

Ja, so wie diesen Lufthansa-Muster-Senator-Mann im Internet, so habe ich mir immer die Senatoren vorgestellt, als ich noch keiner war: das müssen gediegene Männer im älteren Semester sein, seriös im Auftreten, adrett im Aussehen, wichtig in ihrer beruflichen Funktion, auf jeden Fall mit viel Erfahrung und von der menschlichen Art vielleicht sogar etwas konservativ, was ja nicht falsch sein muss.

Für uns Senatoren hat die Lufthansa in München ein kleines Cafe eingerichtet. Da darf man nur herein, wenn man sein Senatorkärtchen dabei hat und sein Flugticket vorzeigt. Dann ist man Gast der Lufthansa, und alle Getränke und auch der kleine Imbiss sind kostenlos. Ich mag das Senator Cafe. Es ist klein und überschaubar. Es gibt ein paar Stehtische, Barhocker und ein paar Sessel, in denen man sich entspannen kann. Auch heute bekomme ich einen doppelten Espresso, ein Glas Wasser und ein belegtes Schinkenbrötchen gegen den Frühstückshunger.

Das kleine Cafe ist meist leer. Heute ist es aber ziemlich voll. Denn es Montag, Montagmorgen. Da herrscht am Münchner Flughafen ein gewisser Ausnahmezustand – zumindest was die Geschäftsfliegerei betrifft. Da fliegen ganz viele Senatoren zur Wochenarbeit nach Düsseldorf, Hamburg oder Berlin, um dann am Donnerstag oder spätestens am Freitag wieder zurückzufliegen.

Ich nenne diese Senatoren die Montag-Morgen-Senatoren. Sie haben meist polierte schwarze Schuhe an, oft glatt gebügelte dunkelgraue Hosen (die Falte!), blaue oder weiße Hemden und darüber ein neutrales Jackett, meist genauso dunkelgrau und aus dem selben Stoff geschnitten wie die Hose, was dann die ganze Kombination zu einem Anzug macht. Seriös schaut das aus, nur die Krawatten sind aus Gründen der Bequemlichkeit noch nicht gebunden. Dafür aber wurde die Frisur schon ordentlich adrett zurechtgeföhnt, nach hinten gekämmt, manchmal mit Gel in Form gebracht oder schlichtweg per elektrischen Langhaarschneider auf 2 mm gekürzt, was derzeit ja modisch ist.

Bis auf diese Kurzhaarträger könnte man also meinen, dass es sich bei meiner Beschreibung um ältere Herren handelt. Aber nein, das ist ein Irrtum, zumindest an diesem Montagmorgen, an dem ich nach Mexiko fliege möchte: es sind viele junge Männer im Münchner Senatorcafe – junge Männer, die erst vor drei oder maximal fünf Jahren aus einer betriebswirtschaftlichen Universität entlassen wurden, um dann bei einer der großen Unternehmensberatungen Karriere zu machen und nun die ganz Welt beraten wollen. Diese Gruppe der gerade mal etwa 30-jährigen gestriegelten Berater dominiert heute das Senatorcafe. Nur sieben andere Gäste fallen da aus der Rolle, denn sie sind schon etwas älter, haben graue Haare, tragen Jeans oder sind schlichtweg weiblich.

Zwei dieser Berater nehmen sich ihren Platz – und zwar an meinem Stehtisch. Sie fragen nicht „Ist hier noch frei?“ oder sagen nicht „Guten Morgen“. Sie treten als Tischbesetzer auf und machen sich breit, so dass ich meine Süddeutsche Zeitung zur Seite schieben muss. Soll ich um meinen Platz kämpfen? Nein, ich sage dann mal lieber „Guten Morgen“, und bekomme auch tatsächlich vom etwa 30-jährigen Senator ein gönnerhaftes Kopfnicken und von seinem jüngeren Kollegen sogar ein Guten Morgen zurück. Der Kopfnicker hebt gleich die Hand. Er will sich vom Lufthansa-Bediensteten einen Cafe Americano kommen lassen, was weltmännisch klingt, aber vom Lufthansa Mann nicht ganz verstanden wird: Schwarzer Kaffee sage ich, einfach Filterkaffee.

So beginnt also mein Senatorenmorgen im Cafe. Ich habe zwei ungebetene Tischnachbarn. Ich versuche, die Süddeutsche Zeitung weiter zu lesen, und wie immer zuerst den Wirtschaftsteil, denn nichts ist spannender als die Wirtschaft. Das Spannendste kommt aber heute von nebenan. Bei meinen beiden Tischnachbarn geht es auch um die Wirtschaft, um ein prominentes deutsches Unternehmen und ich merke: ich bin gerade mittendrin im realen Wirtschafts- und im Beratungsleben.

Der Kopfnicker spricht vom „Merger“, der „sucessfull“ war. Jetzt müsse man die „Results“ der „Scorecard“ präsentieren. Der „CIO“ müsse diese Woche unbedingt „comitted“ werden, wegen „MbO“ und damit man das „Humankapital“ im „Retail“ und den „Workflow“ optimieren könne. Ja, sagt der andere Berater, der „Outplacement-Contract“ für „Parts der third Mangement-Line“ sei schon beim „Executive Researcher“ geordert, es gehe um 10 „Heads“, die freigestellt werden müssten, um nach der Potenzialanalyse durch „performend Talents replaced“ zu werden. Das alles will man in dieser Arbeitswoche auf den Weg bringen, haben sich beide Berater vorgenommen. Mit dem Betriebsrat soll der „CIO“ reden, so höre ich aus der Unterhaltung noch heraus.

Trotz dieser traurigen Nachricht für die 10 vermutlich älteren Köpfe, die das Unternehmen unterstützt von der Unternehmensberatung bald verlassen dürfen und durch jüngere ersetzt werden – trotz dieser traurigen Nachricht ist es die lustige Mischung aus Englisch und Deutsch, die für mich diese Unterhaltung recht unterhaltsam macht: es ist ein künstliches Denglisch, was beide sprechen. Und „Denglisch“ ist gerade in Mode. Auch der Name der Unternehmensberatung, für die beide arbeiten, ist ebenfalls ein denglisches Kunstwort. Es ist so künstlich, das ich diesen Namen bis heute nicht korrekt aussprechen kann.

Was mag wohl auf der Visitenkarte der beiden Berater draufstehen? Beim wortführenden Kopfnicker vermutlich „Senior Executive Management Consultant“, beim Gutenmorgen-Sager eventuell „Senior Talent Performance Consultant“. Ja, so heißt heute ein guter Beraterjob! Ab und zu wollen solche etwa 30-jährige Senioren auch bei meinem Klientel zuerst ihren Rat verkaufen, um dann nachher zu sehen, ob der Ratschlag auch funktioniert hat. Deshalb kenne ich mich aus: Wer in dieser Branche mit 30 noch kein Senior ist, der wird dort nicht weit kommen.

Doch heute kommen meine beiden Senioren erst mal gar nicht weit: Sie fliegen nur nach Düsseldorf. Das machen sie vermutlich zigmal jährlich, was dann zum Senatorstatus reicht, den Senioren fliegen meist Business Class und nicht Economy. In der Economy sitzen die Young Professionals drin, die mit ihren vielleicht gerade mal 25 oder 27 Lebensjahren als unverbraucht frisch von der Uni auf Kunden losgelassen werden. Sie haben noch nicht den internen Senioren-Status erreicht, der zum Business fliegen berechtigt.

Ich persönlich beneide Young Professionals und auch Senior Consultants nicht. Sie wohnen in Flugzeugen, übernachten in unpersönlichen Hotelketten und sind die Woche fernab von daheim. Sie arbeiten freiwillig gut 60 Stunden in der Woche, weil man in der Ferne ja nicht jeden Abend Party feiern kann und man deshalb dazu übergeht, im Hotelzimmer abends noch mal die Excell-Tabelle zu überprüfen, ob denn auch alles stimmt mit der selbst gebastelten Beraterformel.

Es ist kurz vor 9 Uhr. Schlagartig wird es im Senator-Cafe leer. Meine beiden denglischen Consultants haben sich auf den Weg gemacht zum Gate nach Düsseldorf. Auch die Maschinen nach Berlin, Hamburg, Köln und Hannover müssen offensichtlich bald los fliegen. Beinahe alle adrett frisierten Anzugträger sind nämlich verschwunden. Nur ein Anzugträger ist noch übrig im Cafe. Alle anderen Gäste tragen keinen Anzug, sondern Bärte oder Jeans. Der Stil ist eher praktisch – praktisch für eine Flugreise. Schließlich will man im Flugzeug ja keine Modenschau machen. Auch ich habe bequemes Schuhwerk an, dann eine Bluejeans, dann ein gestreiftes Hemd und heute sogar eine Weste, in deren Taschen ich meine Dollarscheine, Kreditkarte und den Reisepass verstaut habe. So gekleidet greife ich mir meine schwarze Ledertasche, die mich seit 20 Jahren auf meinen Reisen begleitet, und gehe langsam zu meinem Flugsteig, um dort in einen Airbus einzusteigen, der mich gleich nach Frankfurt fliegen soll.
 
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Mein Dankeschön:

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@ diddi:

Mit diesem Bild einer BAC 1-11 der Bavaria hast du mir eine sehr große Freude gemacht. Danke. Ich habe zur Bavaria und der BAC 1-11 einen persönlichen Bezug. Das ist eigentlich eine eigene Geschichte wert.

Ich versuche, diese Geschichte einmal kurz aufzuschreiben:

Als Kind wollte ich immer mal die weite Welt sehen und einmal im Leben fliegen. Denn meine Eltern und wir Kinder sind nie so richtig aus München weg gekommen. "Urlaub" haben wir in den 70er Jahre des letzten Jahrhunderts immer in einem Zuhäuserl auf einem Chiemgauer Bauernhof verbracht, also nur 100 Kilometer von München weg. Wir sind auch mal nach Salzburg und nach Wien gefahren, aber weiter ging es fast nie. Ich fand da ziemlich doof, denn andere Mitschüler konnten nach den Sommerferien vom Adriastrand berichten, oder von einem Charterflug nach Spanien. Ich dagegen konnte nur den Kühen und Katzen des Bauernhofes erzählen, oder vom bayerischen Meer: Baden am Chiemsee – nur 6 Kilometer mit der Fahrrad vom Bauernhof entfernt! (Übrigens: Heute finde ich das Chiemgau gar nicht mehr doof: Ich wohne dort *smile*)

Zurück in die 70er Jahre: Ich wollte auch mal weiter weg. Ich damals fast alle zwei Wochen zum Riemer Flughafen gefahren, um dort von der weiten Jetset-Welt zu träumen. Ich bin dann auf den Hügel am östlichen Ende der Start- und Landebahn rauf gerannt, um die Flugzeuge zu sehen. Das war eigentlich kein Besucherhügel wie heute am neuen Münchner Flughafen, sondern er war ein Baggersee-Hügel. Meist war ich am Samstag Vormittag dort. Vormittags flogen immer zwei Jumbos von München nach New York. Die erste Boeing 747 war von Pan Am. Sie flog über Frankfurt.
Der zweite Jumbo war von Lufthansa. Er flog über Köln und später über Düsseldorf nach New York. Die Jumbos waren ei fach toll!

Am Vormittag konnte man in Riem also Jumbos gucken. Ab und zu kam dann auch eine BAC 1-11 am Hügel vorbei. Das war ein Flugzeug mit zwei Triebwerken am Heck, gebaut in England. Die British European Airline, der europäische Vorläufer der heutigen British Airways, flog damit nach München genauso wie die Monarch, eine britische Charterfluggesellschaft. Aber auch die Bavaria hatte die BAC 1-11. Die Bavaria war eine Charterfluggesellschaft aus München und gehört dem damaligen bayerischen Baulöwen und Araballahotelbesitzer Schörghuber.

Die BAC 1-11 machte beim Start einen ordentlichen Krach. Dieser Donnervogel war viel lauter als ein Jumbo-Jet. Nach dem eine BAC 1-11 mit vollem Triebwerkschub abgehoben hatte, hörte man noch lange das Grollen der Düsen, als ob dort ein Nachbrenner eingebaut wäre. Das klang wie ein Donnergeräusch. Von diesen Hörerlebnis aus alten Riemer Zeiten kommt denn auch mein Nick: Donnergeräusch, denn ich liebte dieses Geräusch, es bedeutete für mich die weite Welt.

Irgendwann bekam ich auf dem Aussichtshügel am Flughafen Riem zur Ansicht, dass die Flugzeuge der Bavaria am Leitwerk langweilig angemalt waren: Auf der Flosse war der bayerische Löwe innerhalb eines Kreises nur einfach dunkelblau draufgemalt. Da sah das frische Himmelblau der Pan Am schöner aus, dachte ich mir – und noch mehr: Vielleicht kann ich ja ein neues Design für die Bavaria erfinden und bekomme dann als Lob dafür einen Freiflug. Das könnte doch möglich sein, oder?

Ich war damals gerade neun oder zehn Jahre alt, da kommt man schon auf solche nette Gedanken. Also setzte ich mich daheim hin und malte mir die neue BAC 1-11 der Bavaria auf ein Stück Papier. Vorne war die Schnauze schwarz, dann malte ich an den Fenstern entlang eine hellblaue, dicke Linie und das Leitwerk war dann meine Sensation: das ganze Leitwerk voll mit weiß blauen Rauten! So wie die bayerische Flagge! Mitten auf das Leitwerk habe ich dann einen Kreis weiß ausgespart und dort den bayerischen Löwen reingemalt. Damit müsste doch die Münchner Fluggesellschaft Bavaria ein gutes Bild abgeben, dachte ich mir – genauso ein gutes Bild wie die Pan Am mit ihrem Himmelblau. Und Pan Am war damals die beste Fluggesellschaft der Welt.

Jetzt muss nur noch die Bavaria Fluggesellschaft wissen, dass ich einen guten Vorschlag habe. Also suchte ich damals (Anfang der 70er Jahre) die Telefonnummer der Bavaria Fluggesellschaft heraus, um dann mit dem Zuständigen für Flugzeug-Bemalungen zu sprechen. Die Nummer der Bavaria-Zentrale stand im Telefonbuch – eine Münchner Ortsnummer. Ich rief die Nummer an. In der Telefonzentrale muss ich dann an eine ganz liebe Dame gekommen sein, denn sie suchte tatsächlich nach dem Zuständigen, der die BAC 1-11 Flugzeuge der Bavaria anmalt: Ich hatte dann plötzlich einen Mann an der Leitung, dem ich meine Mal-Idee schildern konnte. Ich fragte den Mann, ob ich denn mal vorbei kommen könnte, um ihn meinen Zeichnungen zu zeigen. Ja sagte der Mann, komm vorbei.

Wir machten einen Termin aus. Ich war pünktlich am Flughafen in München Riem. Ich sollte zu einem Eingang gehen, der links am Kontrollturm war – in einem der rot angemalten Gebäude, das schon sehr alt war. Dort war damals das Büro der Bavaria. Da stand ich nun. Ich dachte mir vor dem Treffen, dass der Mann meinen Vorschlag gleich ganz toll finden wird. Bestimmt wird er dem Besitzer der Bavaria, dem Herrn Schörghuber, gleich sagen, dass er die Heckflossen seiner BAC 1-11s neu Anstreichen sollte – mit himmelblauen Rauten und einem bayrischen Löwen drin! Bestimmt werde ich als Lohn für meine Idee einen Freiflug bekommen. Und wenn das nicht klappt, dann werde ich zumindest eine Führung zu einem Flugzeug in der Wartungshalle bekommen, damit ich endlich mal ein Flugzeug von innen sehe, dachte und wünschte ich mir vor dem Termin.

Ich war damals pünktlich am Flughafen. Der Bavariamann war auch pünktlich. Er bat mich in sein Büro. Da saß ich nun in einem Büro als Kind. Ich hatte vorher noch nie ein Büro gesehen und nun sehe ich zum ersten Mal einen Bürostuhl, einen modernen Schreibtisch, ein Telefon ohne Wählscheine, dafür aber mit Druckknöpfen, eine elektrische Schreibmaschine und ein grüner Gummibaum, der auf dem Linoleum-Boden stand. Das war beeindruckend. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Ein Büro also. So schauen also Büros aus.

Ich überreichte dem Bavariamann meine Bilder. Er sah sich meine Malzeichnung an. Er sagte „interessant“. Ich empfand das als Lob. „Interessant“ klingt schon mal gut. Bekomme ich gleich einen Freiflug? Der Mann sagte dann, dass es für Flugzeugbemalungen so Berufe gibt, die Designer und Grafiker heißen – Berufe, von denen ich bis zu diesem Moment noch nichts gehört hatte. Das könne man studieren, sagte der Bavariamann. Ich sollte das auch machen, war seine Empfehlung. Dann sagte er, dass er jetzt einen weiteren Termin hätte und bedankte sich bei mir für meine Flugzeug-Bemalungs-Zeichnungen und wünschte mir alles Gute.

Da stand ich plötzlich draußen vor dem rot angemalten alten Gebäude am Flughafen München Riem und war irgendwie traurig: Interessant sind also meine Ideen, sagte der Mann der Bavaria, aber sie waren offensichtlich nicht interessant genug. Es gab als Belohnung keine Führung durch die Wartungshalle und auch keinen Freiflug – Ziele, die ich mit meiner Mal-Aktion eigentlich erreichen wollte, zumindest endlich einmal ein Flugzeug auch von innen zu sehen.

Da stand ich nun (damals vor fast 40 Jahren) und war wirklich frustriert. Was muss ich denn nun alles tun, um endlich mal nicht nur von einem Hügel aus Flugzeuge von außen zu sehen, sondern vielleicht auch einmal einen Blick ins Flugzeug werfen zu können oder gar einmal Fliegen zu dürfen. Was muss ich dafür tun? Soll ich mir vielleicht Gedanken um den neuen Münchner Flughafen machen, der damals gerade angedacht wurde? Ja, habe ich mir damals gesagt. Vielleicht komme ich so etwas näher an Flugzeuge heran (das bin ich dadurch tatsächlich, aber das wäre auch wieder eine neue Geschichte, und ich sollte ja hier eigentlich über meinen Mexiko-Flüge berichten, wo am Ende auch nicht alles so geklappt hat, wie es hätte klappen sollte. Deshalb mache ich hier mal mit der Vergangenheit Schluss und berichte am Wochenende weiter über die Mexiko-Reise.

Und an diddi: Nochmals vielen Dank für das Foto.
 
@Donnergeräusch

Es ist beeindruckend bei Deinen Erzählungen zu spüren, wie sehr Du Dir die kindliche Freude am Verreisen bewahrt hast - und das, obwohl es heutzutagen zu Deinem Alltag gehört. :thbup:

Ein ganz herzliches Dankeschön für Deine klasse Erzählungen!
 
Das Wochenende ist lange vorbei und ich glaube, ich bin nicht der einzige, der mit Vorfreude auf die Fortsetzung wartet, wann ist es denn wieder soweit?:)
 
Liebes Forum,

ich weiss, es wird Zeit. Ich werde mich bemühen, morgen oder übermorgen weiter zu schreiben (ich kann es aber noch nicht ganz sicher versprechen). Bitte habt noch etwas Geduld.

Euer Donnergeräusch
 
@Kirchturm:

ich hoffe es, dass ich die Zeit finde, weiter zu schreiben, denn diese Reise nach Mexiko war mit intensiven Erlebnissen gespickt: mit einem Mord, mit einer Fluganullierung und ein Autofahrerlebnis der besonderen Art. Das erste war etwas erschreckend, das zweite war einfach amüsant und das dritte war irgendwie verrückt. Doch im Moment fehlt mir die Ruhe, darüber zu schreiben, denn es fehlt die Zeit zwischen den vielen Flügen, die in meinem Kalender standen und noch stehen.

2010 war ich über Neujahr in Westaustralien, dann in unserem Winter in Mozambique, Zambia, Zimbabwe und Südafrika, im Frühjahr wieder einmal in Peking, darauf in Brasilien, dann in den USA und immer wieder in Korea, im Sommer dann Mexiko, anschliessend noch zweimal Peking und einmal Shanghai, im Herbst wieder in Washington und Boston und zwischendurch Hamburg, Bremen, Frankfurt, Zürich, Düsseldorf, Münster, Berlin, Köln, Lissabon, Danzig und Warschau.

Soweit meine Rechtfertigung. Das klingt alles toll und ist es auch für mich. Zum Glück habe ich einfach viel Spass beim Reisen, weil ich vermutlich ein verhinderter Vagabund bin: ich fliege in der Economy genauso gerne wie in der First und ich übernachte in der preisgünstigen Bed&Breakfast-Unterkunft oder im Jumbohostel in Stockholm ebenso gut wie in einem ehrwürdigen alten 5 Sterne Grandhotel. Hauptsache, ich erlebe dabei etwas. Und das Erlebnis ist einfach klassenunabhängig.

Mein Beispiel: Morgen muss ich nach Köln. Erster Flieger in der Früh und in der Economy-Klasse. Ich muss dann bis vielleicht 15 oder 16 Uhr arbeiten, also Geld verdienen. Danach habe ich privates eingeplant: Ich fahre mit der Bahn nach Bonn, um mich dort mit einer Arbeitskollegin auf dem Weihnachtsmarkt zu treffen. Darauf freue ich mich schon jetzt, denn in diesem Dezember habe ich mir vorgenommen, bei jedem Ziel den Weihnachtsmarkt zu besuchen (in meiner Favoritenliste führt derzeit der Markt in Warschau - einfach traumhaft, kaum zu toppen!). Mit dem letzten Flieger geht es dann morgen wieder zurück nach München. Ich werde in Köln und Bonn bestimmt wieder viele kleine Detailerlebnisse erleben.

Erleben. Es sind besonders die eher kleineren Erlebnisse, die eine Reise erlebenswert machen: Zum Beispiel die Standbetreiber und deren Stände auf einem Weihnachtsmarkt in Warschau, aber auch der Sitznachbar im Flieger auf dem Flug dorthin, die liebenswerte Stewardess, der Taxifahrer am Ziel, der Kampf mit fremden Nahverkehrssystemen und die hilfsbereiten Menschen - manchmal sorgen für die Erlebnisse aber auch der böse Zollbeamte, der mir eine 100-Dollar-Strafe aufbrummen, nur weil ich beispielsweise aus dem Air Newzealand Flieger mir eine Banane mitgenommen habe, was aber nicht erlaubt ist.

Zurück zu diesem Reisebericht: Eigentlich müsste ich über jede Reise berichten. Aber die Mexikoreise war aber auf jeden Fall aussergewöhnlich, wie anfangs erwähnt. Ich möchte den Bericht gerne weiter schreiben, wenn ich die Zeit dazu habe. Ich bitte einfach noch um etwas Geduld, denn auch im neuen Jahr gehen die Reisen im Wochentakt weiter. Doch die Fortsetzung kommt bestimmt!

Viele Grüsse
Euer Donnergeräusch


PS.: Ich habe gerade gehört, dass sich der Sinn dieses Beitrags dem Zuhörer nicht erschliesst, nachdem ich diesen Beitrag einem Freund gerade am Telefon vorgelesen habe. Also konkretisiere ich den Beitrag: Ich werde weiter schreiben, weiss aber noch nicht, wann. Zweite Nachricht an alle, die wie ich flug- und reisebegeistert sind: Reisen macht einfach Spass, egal in welcher Klasse. Jede Reise kann ein Genuss sein - und ist es meist auch auch, egal was passiert. Also: Augen auf für Kleinigkeiten und Genuss am Aussergewöhnlichen, selbst wenn es um eine Annullierung des Fluges geht, denn das erlebt man ja auch nicht alle Tage. Und die dritte Nachricht: Jahrelang bin ich nur innerdeutsch geflogen. Seit zwei Jahren darf ich interkontinental fliegen. Und dafür beneide ich mich fast selbst. Die Welt zu erleben ist einfach toll! Das ist ein Privileg. Ich freue mich, wenn ich Leser mit meinen Berichten auf meinen Reisen mitnehmen darf.
 
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Hallo Donnergeräusch,

schade, dass ich es zu dem MUCforum-Weihnachtstreffen nicht geschafft habe, ich hätte Dich gern mal persönlich getroffen.

Deine Begeisterung für das Leben und die Welt um Dich herum und wie Du es schaffst jeden bei Deinen Erzählung Deiner Erlebnisse zu fesseln ist beeindruckend!

Ich freu mich jedenfalls über jede Geschichte, Erlebnis oder Anekdote von Dir. Ich warte auch geduldig auf jede neue Episode, denn ich weiß selber wie zeitraubend es sein kann etwas zu schreiben. Mit meinen All-you-can-fly-Erlebnissen bin ich leider auch noch nicht zu Ende gekommen obwohl das jetzt bald 1 Jahr her ist.... aber auch das werde ich noch weitermachen wenn ich die Zeit finde ;)

Dir jedenfalls auch weiterhin viel Spaß unterwegs und hoffentlich ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest zuhause!

Viele Grüße von einem Deiner "Fans"
MANAL
 
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