Flugzeit

NearFMO

Mitglied
Hallo Zusammen!

Da ich hier neu bin, gebietet es wohl zunächst einmal die Höflichkeit, mich vorzustellen. Also: Ich bin vor einigen Monaten mal durch puren Zufall auf dieses Forum gestoßen, habe es anfänglich ein wenig durchstöbert und musste feststellen, dass ich dabei fasziniert an vielen, vielen Beiträgen hängen geblieben bin. Hier wurden einige Fragen, die auch ich mir schon gestellt habe, sachlich, präzise und verständlich beantwortet. Ich bin kein Profi in der Luftfahrt (beruflich bewege ich mich im Pflegemanagement/Gesundheitswesen), allerdings würde ich mich als durchaus Luftfahrtbegeistert bezeichnen. Ich sitze ca. 3-4 x im Monat im Flugzeug (meist FMO - MUC, aber auch Mittel- und Langstrecken) und habe dabei manchmal so die eine oder andere Frage, mit der ich auch Euch behelligen möchte. Wohnhaft bin ich am Übergang zwischen Münsterland und Teutoburger Wald, mit traumhaften Ausblick vom Balkon über das halbe Münsterland und den ca. 10 km entfernten FMO.

So - jetzt aber mal zu meiner Frage. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob die überhaupt berechtigt ist. Wahrscheinlich liegen gleich einige von Euch vor Lachen unter dem Tisch....Trotzdem: Ich wage es mal. Und zwar bin ich immer wieder fasziniert von den meist doch recht minutengenauen zutreffenden Angaben zum Thema Flugzeit/Reisezeit von Euch Piloten. Mir ist klar, dass es zahlreiche Faktoren gibt, welche die beeinflussen (denke mal an Route, Geschwindigkeit, Wetterbedingungen usw.). Mich würde a) mal interessieren, wie sich diese Zeit genau berechnet und b) (jetzt wirds peinlich! ;)) inwieweit auch die Erdrotation dabei eine Rolle spielt.

Letzteres sollte ich vielleicht ein wenig konkretisieren: Ich denke dabei vor allem an (Langstrecken)Flüge mit, bzw. gegen die Erdrotation. Ich weiß, die Erde dreht sich nicht so schnell, stelle mir aber vor, dass es bei einem Langstreckenflug schon einige Minuten ausmacht, wenn sich mit meine Ziel entgegen dreht, bzw. wenn es sich von mir wegdreht. Oder denke ich da jetzt so falsch????
 
Zumindest bei den Sonnenauf- und untergängen merkt man die Rotation bei Langstreckenflügen. Ich denke mal, dass man es auch bei der Flugzeit merken müsste. Wer weiß es genauer?
 
tja, da müsste mal ein pilot her... ich weiß es net, bin noch nie ein Langstreckenflug gegen oder mit der Erdrotation geflogen.
 
Würden die Luftmassen voll an der Rotation teilnehmen und über der Erdoberfläche stillstehen (wenn es nicht andere Gründe für Winde gibt), so wären die Flugzeiten in Ost- und Westrichtung gleich. Da aber die Luftmassen sich auch rotationsbedingt bewegen, gibt es Unterschiede.
 
Ich dachte die abweichenden Flugzeiten kommen durch spezielle Winde zustande (JetStreams??). Bewegt sich eigentlich die Atmosphäre, in der das Flugzeug sich ja befindet nicht mit? Wäre aber gut, wenn ein Pilot das 'mal genau erklären könnte, da ich mich das gleiche auch schon oft gefragt habe.
 
Die Jetstreams sind ja die Folge der Erdrotation. Es kommt auf den Betrachtungspunkt an.

Die Jetstreams verlaufen ja von der ERde aus betrachtet von West nach Ost. Die Erde dreht sich von Ost nach West..... Der Fleucher bewegt sich ja immer in Bezug zur umgebenden Luft.
 
Ich versuch mal, meine vor über 30 jahren erworbenen Kenntnisse der Wetterkunde weiter zu geben:
!. Die Atmosphäre und auch die darüber befindlichen (dünnen) Luftmassen drehen sich mit der Erde mit. Da sich Flugzeuge in der Luftmasse bewegen, hat die Erdrotation keinen Einfluß auf die Flugzeiten.
2. Jetstreams = Starkwindfelder haben wie alle Winderscheinungen ihre Ursache in Druck- und Temperaturunterschieden innerhalb der Luftmassen, sie haben nichts mit der Erdrotation zu tun. Es gibt durchaus auch von ost nach West gerichtete Jets, wenn auch die meisten von West nach Ost verlaufen. Dies ist auch der Grund dafür, dass Flüge Richtung Osten oft, aber bei weitem nicht immer zeitlich kürzer sind als Flüge Richtung Westen.

Für Korrekturen oder Ergänzungen bin ich dankbar.

Viele Grüße

Werner
 
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Nehmen wir mal an, wir haben ruhende Luft (Windstille) in den Tropen. Wenn nun diese Luft in den Tropen aufsteigt, hat sie aufgrund des großen Abstandes zur Erdachse eine hohe Bahngeschwindigkeit. Über den Tropen entsteht ein sogennantes Höhenhoch. Da über den Polen ein sogenanntes Höhentief liegt, driftet die Luft vom Äquator zu den Polen, und zwar u. a. in der Höhe, in der auch Flugzeuge unterwegs sind.

Jetzt driftet also unsere Luft Richtung Norden und ändert seine Bahngeschwindigkeit nur unwesentlich (genähert...). Die Erde dreht sich aber im Norden langsamer als am Äquator (der Nordpol dreht sich gar nicht...), so dass die Luft über den mittleren Breiten eine höhere Bahngeschwindigkeit Richtung Osten (da dreht sich die Erde hin) hat als die Erdoberfläche. Wenn nun ein Beobachter auf der Erdoberfläche die nach Norden driftende Luft beobachtet, sieht er sie also Richtung Osten ziehen. Das nennt man dann Westwind und die Ursache ist die Korioliskraft.

Wikipedia hat gute Artikel zur Corioliskraft, zum Jetstream und zur Westdrift bzw. Westwindzone.

Alles in allem: Die Tatsache, dass du von MUC nach NYC länger unterwegs bist als von NYC nach MUC liegt also tatsächlich an der Erddrehung.

Jetzt natürlich die Frage, warum sowas nur über Ozeanen auftritt: Wenn Luft über Land streicht, ist die Reibung durch lokale Wetterphänomene und Gebirge viel höher, so dass sich die Bahngeschwindigkeit der nach Norden driftenden Luft an die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche anpasst. Über einen Ozean kann die Luft relativ ungestört wehen...

Das ganze ist natürlich nur eine Näherung, reicht aber zur Erklärung und zur Beantwortung deiner Frage aus.
 
Soweit ich mich noch erinnere, gibt es im Äquatorbereich eine Erwärmung der Luftmassen mit Aufsteigen und anschließendem Abfliesen nach Norden bzw. Süden. Da diese Massen die Ursprungsgeschwindigkeit der Äquatorzone haben, der Erdumfang zu den Polen hin aber abnimmt, laufen sie der Erde etwas voraus, also auf der Nordhalbkugel von SW nach NO. Das ist einer der Gründe für vorherrschende Westwinde in den Höhen.


http://www.m-forkel.de/klima/zirk_druck.html


@Transrapid war schneller!
 
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So jetzt muss ich auch noch meinen Senf dazu geben:
Es gibt 2 Auswirken, auch wenn sie sehr klein sind:
1. Die Drehimpulserhaltung: Wenn ich mich am Äquator befinde und still über der Oberfläche mich befinde, besitze ich einen höheren Drehimpuls als wenn ich über München schweben würde. So nun bewege ich mich von Nairobi gerade aus nach Norden dann bleibt mein Drehimpuls erhalten. Also muss ich eine Geschwindigkeitskomponente in Drehrichtung der Erde bekommen. (Kennt man auch als Korioliskraft)
2. Tatsächlich haben die Gase (Atmosphäre) einen etwas hören Drehimpuls als das Festland... das Liegt daran, dass Energie (Drehimpuls) in Reibungs/Verformungsenergie der Erdoberfläche gesteckt wird, die von den Gezeiten hervorgerufen werden....Diese ist bei den Gasen nicht so stark, weshalb sie einen höheren Drehimpuls noch aufweisen!

Beide Effekte sind zwar sehr gering, aber dennoch vorhanden....

Hoffe war verständlich....:rolleyes:;)
 
Also wenn ich das so lese, ist das Thema ja noch komplexer als ich dachte. Da war ja meine Frage wohl gar nicht sooo doof ;)

Finde es gerade schon mal richtig spannend und beginne zu verstehen. Danke schon mal für die Antworten bis hierher....
 
Ich frag mich da mal eher, woher die unterschiedlichen Flugzeiten innerhalb D herkommen.

Beispiel:

MUC - FRA: 1:10
FRA - MUC: 0:55

Das ist doch gleich mal ein Unterschied von 15min!!!! Und das wo öfters West-Wind herrscht, d.h. die Flugstrecke MUC - FRA dürfte etwas kürzer sein. (FRA liegt ja weiter westlich als MUC)

Dieses Blockzeiten beinhalten auch das Taxing. Wo wird da wie unterschiedlich kalkuliert?
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade mal nachgesehen: 1962:

FRA > MUC 0:45
MUC > FRA 0:50

mit den Boeings.

1988:

FRA > MUC 0:55, vereinzelt 1:00.
MUC > FRA 1:00, vereinzelt 0:55.
 
Die geplanten Blockzeiten werden auch im Hinblick auf die durchschnittliche Verspätungssituation erstellt. Gerade auf den HUBs würde man sonst ja bei allen Flügen, die mit MCT (Minimum Connecting Time) oder geringfügig darüber geplant sind sehr häufig riskieren, dass Gäste ihre Anschlüsse verpassen oder/und Flieger bzw. Crew das Delay bei der weiteren Tagesrotation 'mitziehen'.

Deswegen sind einerseits die Blockzeiten des WFP idR etwas länger als im SFP, um etwa Delay durch Enteisungen etc. aufzufangen oder abzumildern.

Andererseits werden sind die Eckwerte für FRA auf reinen 'Schönwetterflugbetrieb' ausgelegt, sprich sobald das Wetter so ist, dass keine 'Visual Separation' auf dem Final mehr gefahren werden kann oder wegen stärkerer nördlicher Windkomponenten die RWY 18 nicht mehr voll genutzt werden kann, kommt es zu Holdings und wenn dann noch Wind oder Nebel dazu kommt wird von knapp 50 Inbound-Movements schnell auf 42 oder gar 35 reguliert und dann gibt es mehr oder weniger dicke Slots für alle.

All dies führt dann dazu, dass die theoretischen Blockzeiten niemals einzuhalten sind, sei es wegen Slot, Holding oder weil man als FRA-Inbound schon ab Nürnberg mit 'Minimum Clean Speed' (und damit etwa halb so schnell wie geplant) fliegen muss.

Auf die gleiche Weise wird auch an anderen Delay-trächtigen Airports geplant, z.B. sind die Blockzeiten nach LHR um bis zu 20 Minuten länger als die Rückflüge.

Gruß MAX
 
Ich frag mich da mal eher, woher die unterschiedlichen Flugzeiten innerhalb D herkommen.

Beispiel:

MUC - FRA: 1:10
FRA - MUC: 0:55

Das ist doch gleich mal ein Unterschied von 15min!!!! Und das wo öfters West-Wind herrscht, d.h. die Flugstrecke MUC - FRA dürfte etwas kürzer sein. (FRA liegt ja weiter westlich als MUC)

Dieses Blockzeiten beinhalten auch das Taxing. Wo wird da wie unterschiedlich kalkuliert?


Hallo Chris,

das ist mir auf der Strecke FMO-MUC, bzw. MUC-FMO auch schon aufgefallen. Zwar sin beide Strecken bei LH und AB mit einem Block von 1,5 Std. kalkuliert (hier gibt es also im Unterschied zu Deinem Beispiel keine Differenz), de facto ist FMO-MUC in der Regel jedoch mit 55 - 65 Minuten reiner Flugzeit oft schneller, als umgekehrt. Da sind es meist 10 - 15 Minuten mehr. Nicht immer so, aber da ich die Strecke recht häufig fliege, kann man so im Schnitt von diesen Zeiten ausgehen.

Das scheint aber doch am Wind zu liegen. Fliege ich FMO - MUC geben die Piloten oft sehr gute Windverhältnisse an, bei MUC - FMO habe ich bereits oft gehört, dass es länger dauern würde, weil wir Gegenwind hätten. Vielleicht gibt es da ja irgendwo eine recht kontinuierliche Strömung. Was dagegen sprechen würde: Bei den Flügen auf dieser Strecke habe ich schon wetter- und verkehrsbedingt sehr unterschiedliche Höhen erlebt. Zeitlich war das Ergebnis meist das gleiche.

Früher kam noch ein weiterer Faktor hinzu, der aber nicht mehr relevant sein dürfte. Ich fliege diese Strecke schon seit vielen Jahren. Damals bediente Eurowings die Strecke (Codesharing mit LH) mit sehr unterschiedlichem Fluggerät. Hab mich damals noch nicht so dafür interessiert, deswegen weiß ich nicht genau welcher Maschinentyp eingesetzt wurde. Klar war aber: Wenn die propellerbetriebenen Maschinen flogen (wie gesagt, weiß leider nicht genau welche das waren) eingesetzt wurden, dauerte es deutlich länger, als wenn EW ihre BAes einsetzte. Da allerdings heutzutage LH und AB i.d.R. immer das gleiche Fluggerät einsetzt, dürfte es daran ja nicht liegen.

Grüße
 
Auf Strecken zwischen MUC und Häfen ohne größere Verkehrsprobleme kommt eine Kleinigkeit zum Tragen:
in MUC wird inbound mit 5 Minuten Rollzeit koordiniert, outbound aber mit 10 Minuten.
 
Das scheint aber doch am Wind zu liegen. Fliege ich FMO - MUC geben die Piloten oft sehr gute Windverhältnisse an, bei MUC - FMO habe ich bereits oft gehört, dass es länger dauern würde, weil wir Gegenwind hätten.

Für einen kurzen innerdeutschen Flug macht der statistische Wind nicht besonders viel aus. Die großen Unterschiede werden eher durch die Lufraumstruktur verursacht, heutzutage ist es sehr wahrscheinlich auf dem Flug FMO-MUC ein geographisch mehr oder weniger stark unterschiedliches Routing fliegen zu MÜSSEN als auf dem Flug MUC-FMO.

So führt der Hinflug quasi Richtung Nürnberg, dann vorbei an Fulda fast direkt Richtung östliches Ruhrgebiet. Der Rückflug muss allerdings die Ecke über Köln-Frankfurt-Schwäbisch Hall-Augsburg nehmen. Das macht dann 298 NM für den Hinflug (ergibt 51 Minuten Flugzeit), der Rückflug ist deutlich länger mit 344 NM = 58 Minuten.

Heute waren die Winde allerdings etwas untypisch mit einer Komponente von +4 Knoten für den Hinflug und +/-0 Knoten für den Rückflug. Normal wären wohl eher ~-25 hinzus und +20 zurück, dann lägen die Flugzeiten etwas näher beinander.

Ein noch extremeres Beispiel ist MUC-HAJ-MUC, der Hinflug wieder fast kerzengerade, der Rücklug über den Harz Richtung Leipzig, dann vorbei an Hof und Regensburg nach MUC.

Desweiteren darf man natürlich nicht vergessen, dass ein Turboprop mit einer TAS im Reiseflug von ~250-300 Knoten natürlich viel mehr unter einer gegebenen Gegenwindkomponente leidet als ein Jet der mit 450 Knoten TAS unterwegs ist.

Gruß MAX
 
So Leute,

gerade aus dem Urlaub zurück....

@ Max: Vielen Dank für die Erläuterung. Stimmt, in 99 % meiner Flüge war es genau dieses Routing. Dachte nur immer, dass der Unterschied zwischen beiden Varianten bezogen auf die Flugstrecke nicht so groß sei. Fährt mann ähnliche Routen mit dem Auto über Land (also über DO/Unna-Kassel-Fulda-Würzburg-Nürnberg oder über Dortmund-Hagen-Frankfurt-Aschaffenburg-Würzburg-Nürnberg) sind es gerade mal 10km Unterschied. Auch eine Variante über die A8 (und dann über Augsburg nach München) macht nur wenig mehr aus. Aber da knann man mal sehen wie schnell man sich so wie ich als Nicht-Profiflieger verschätzt, was die Vergleichbarkeit zwischen Land und Luft angeht...

Danke auch allen anderen für die Antworten. Bin doch schon wieder etwas klüger!

Grüße

Near FMO
 
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