Max. Flughöhe: wozu bzw. wann wird sie "gebraucht"?

Hessen-Löwe

Mitglied
Die sog. Dienstgipfelhöhe ist ja bekanntlich je nach Flugzeugmuster individuell. Tatsächlich mal erreicht wird sie aber eher selten.

Meine zwei Fragen zu diesem Themengebiet sind:

1. Bezieht sich die Dienstgipfelhöhe auf eine eher "leichte/leere" Maschine, also nicht auf eine mit MTOW soeben gestartete?
Denn das Gewicht - durch Beladung und Betankung - spielt hier ja zweifelsohne auch eine ganz zentrale Rolle.
Ein Auto erreicht in aller Regel vollbeladen ja auch nicht unbedingt seine vom Hersteller angegebene Höchstgeschwindigkeit.


2. Wovon hängt es ab, ob in - laienhaft gesprochen - "größeren Höhen" geflogen wird? Normalerweise wird ja deutlich unter der max. Flughöhe verblieben. Je nach Flugzeugtyp kommt man über die 36.000 Fuß in aller Regel nur sehr selten mal hinaus. Dennoch gibt es ab und an diese "Ausreißer nach oben", nahe der max. Flughöhe der Maschine.

Wann wird bspw. anstelle in FL 350 denn mal tatsächlich in FL 390 geflogen? Müssen da spezielle meteorologische Gegebenheiten vorliegen, damit man so hoch steigt?
Denn: da so weit oben nur relativ selten geflogen wird, scheinen die "geringeren" Höhen ja offenbar wirtschaftlicher zu sein. Aber irgendwelche Gründe müssen ein Steigen - bis teilw. zur Dienstgipfelhöhe einer Maschine - ja in manchen Fällen erforderlich machen....welche sind das?


Vielen Dank schonmal für die Antwort! ;)
 
Die Wahl der Flughöhe ist ganz einfach:
Es wird möglichst immer im Optimum Level geflogen. Dieser hängt im wesentlichen vom Gewicht, aber auch von der Temperatur und vom Wind ab.
Beim A340-300 mit -C4-Motoren liegt der Optimum Level ohne Berücksichtigung vom Wind und bei Standart-Temperatur für eine Reisegeschwindigkeit von M.82 bei:
270to FL310
250to FL325
230to FL345
210to FL365
190to FL385
170to FL406
167to FL410 (max FL)

bei M.83 liegt der Optimum Level gut 1000ft tiefer

Wenn in größerer Höhe günstigerer Wind herrscht (weniger Gegen- oder mehr Rückenwind), liegt der Optimum Level höher, bei ungünstigerem Wind entsprechen tiefer. Das rechnet (nach Eingabe des Windprofiles) der FMC aus.

Die Zahlen zeigen, dass man mit dem A340-300 durchaus über FL390 und auch sinnvoll an FL410 kommen kann. Der A330 fliegt bei gleicher Ladung höher als der 340-300, weil das Leergewicht niedriger ist.

Ob die 747-400 mit ihrem Optimum Level an den max Level (m.E. FL430) kommt, kann ich nicht sagen.

Viele Grüße

Werner
 
Also, dazu sollte man sagen, dass esdoch sehr Companyabhängig ist.Viele Airlines operieren,vor allem mit NG Maschinen, sehr weit oben.
 
Grundsätzlich gilt, je höher ein Flugzeug fliegt, desto niedriger ist der Spritverbrauch. Daher wird man wenn nichts dagegen spricht, immer versuchen, möglichst nahe am sog. 'Optimum Flightlevel' zu fliegen, der vom FMC auf 100 Fuss genau ausgerechnet wird.

Bei einem Langstreckenflug wird man neben den wirtschaftlichen Gründen auch deswegen immer möglichst lange und möglichst nahe am Opt FL fliegen, da man wegen des Mehrverbrauchs dann u.U. nicht alle Passagiere/Gepäck befördern könnte.

Für einen Kurzstreckenflug mit einem Jet gilt als ganz grobe Faustregel Opt FL = Entfernung in NM (Nautische Meilen, 1,85 km), je nach Typ und Gewicht auch deutlich höher.

Das heißt bereits für die meisten innerdeutschen Flüge wäre ein FL > 300 optimal. Allerdings stehen dem gerade im Kurzstreckenbereich zahlreiche Beschränkungen entgegen, da die Höhenwechsel für die Flugsicherung besonders arbeitsaufwendig sind. Somit filegt man 'freiwillig' weit niedriger.

Desweiteren werden die maximal möglichen Geschwindigkeiten (bei normalen Windverhältnissen) in den Höhen um die 26.000 Fuss erreicht, darüber wird der Flieger wieder langsamer. Wenn man also nun 'ausnahmsweise' mal Verspätung hat, böte sich an schneller und tiefer zu fliegen, um wenigstens ein paar Minuten wieder einzuholen (beim LH-Hubkonzept und 30 Minuten Umsteigezeit ist das quasi Standard). Mit viel Glück schafft man auf einem 2 Stundenflug auf diese Weise gute 5 Minuten zum Preis von 500-800 kg Mehrverbrauch an Kerosin.

Desweiteren nimmt die Höhenstrahlung nicht linear mit der Höhe zu, sondern eher exponentiell. Wenngleich die Kollegen von der Langstrecke aus 'fatalistischen' Gründen darüber den Kopf schütteln, so ist doch ein Trend erkennbar, nicht mehr ohne guten Grund über FL350 zu fliegen. Ein guter Grund wäre z.B. wenn man damit Turbilenzen oder Gewitter überfliegen kann etc.

Und in diesem Falle wird dann auch der maximal mögliche FL ausgenutzt, allerdings darf das Gewicht hierfür nicht zu hoch sein, damit die Aerodynamik noch mitspielt. Für die A320-Family kann man als Faustregel sagen, dass man bei einem Start mit einem Gewicht knapp unterhalb des max. Landegewichtes gerade noch auf den max FL (FL 390) kommt. Das entspricht etwa einem ausgebuchten Flieger und Sprit für einen Flug von 1:45.

Viele Grüße, MAX
 
Danke für Eure Antworten! Super! :thbup:

Zwei Zusatzfragen hätte ich jetzt noch:
1. Wenn eine Maschine recht schwer ist und somit nur einen gewissen FL erreichen kann - was würde passieren, wenn die gewünschte Flughöhe auf einen höheren FL gestellt wird, als die Maschine im Augenblick schaffen würde? Zugegeben, die Frage ist hypothetisch. ;)
Um es plastisch zu machen: man fliegt auf FL 350, erreicht werden könnte mit dem derzeitigen Gewicht auch FL 360, eingestellt wird aber FL 390, den die Maschine so noch nicht erreichen könnte.
Was würde dann passieren? Gäbe es da eine Art "Fehlermeldung" oder würde die Maschine eben nur bis zu dem FL steigen, den sie mit ihrem derzeitigen Gewicht schafft und dann später nach und nach auf den eingestellten FL steigen, wenn sie entsprechend leichter wurde?


2. Ergibt sich das jeweilige Optimum Level für einen konkreten Flug erst "unterwegs", also an Bord bestimmt (wie Werner geschrieben hat, vom FMC berechnet), da sich die Winderverhältnisse auf der Route gerade bei Langstrecken ja immer wieder ändern können oder steht das Optimum Level zumindest als "grobes Gerüst" bereits schon vor Abflug für den gesamten Flug fest (durch den Dispatcher im Vorfeld des Fluges ermittelt)?

Auch hierfür vielen Dank!
 
741/742/743 und 744 sind für FL 451 zertifiziert. Bitte fragt mich jetzt keiner warum die Zahl so unrund ist...
Weil in so großer Höhe das Flugzeug um die voreingestellte Höhe bisweilen
leicht oszilliert, also etwa zwischen FL449,6 und FL450,4. Das hat mit dem
Regelkreis zu tun, der dort oben mit vergleichsweise ungenauen Meßdaten
auskommen muß, und einem recht weichen Steuer, weil man sich in der
Gegend von Low-speed-stall und High-speed-stall bewegt.

Das Zertifikat für 'und ein bißchen höher' ist Baldrian für Techniker und
Juristen, daß das Flugzeug nicht alleweil mal "einfach" runterfällt.
 
Um es plastisch zu machen: man fliegt auf FL 350, erreicht werden könnte mit dem derzeitigen Gewicht auch FL 360, eingestellt wird aber FL 390, den die Maschine so noch nicht erreichen könnte.
Was würde dann passieren? Gäbe es da eine Art "Fehlermeldung"

Eine Fehlermeldung könnte es bspw. dann geben, wenn man einen Computer
zwischenschaltet (den die meisten Muster heutzutage haben) der sich des
aktuellen Gewichts des Flugzeugs 'bewußt' ist.

Wenn man sich aber ein Flugzeug denkt, dessen Automatik nur über die
Steuerflächen und die maximal zulässige Steigleistung der Motoren verfügt,
würde der Flug wohl mit unauffälliger Rate (vielleicht 500ft/min) auf FL360
steigen, von wo aus dann die verfügbare Steigrate rasch abnimmt, bis sie
nicht mehr wahrnehmbar ist und sich folglich alle Kräfte im Gleichgewicht
befinden, Schub/Widerstand, Gewicht/Auftrieb. Da die Masse (Treibstoff) und
damit die Gewichtskraft aber praktisch allmählich weiter abnimmt, steigt
der Flug langsam weiter und wird nach einer Zeit X - wenn nicht vorher der
Sprit ausgeht - auch FL390 erreichen, falls nicht andere technische Gründe
(zB max. Kabinenhöhe, zB FL370 bei der 737-"Classic") entgegenstehen. Im
Wesentlichen wurde Concorde auf diese Weise im Linienbetrieb an ihre
Service-ceiling geflogen.

Man könnte auch kurz zusammenfassend sagen, daß jedes horizontal
(straight & level) fliegende Flugzeug mit konstantem Output der
Motoren und ausgetrimmtem, aber freigelassenem Steuer zwingend in einen
Steigflug uebergeht.
 
In einer 744 etwa würde sich bei einstellen von einer zu hohen Flughöhe der Computer melden und "MAX ALT FL345" ausspucken oder so ähnlich.

Ist es eigentlich bei jedem Flugzeug so, dass es mit der Nase weiter hochgeht, je höher es über dem Optimalen FL geflogen wird?
 
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