Med-Kit

Du darfst ja gerne ein großer EU-Fan sein, aber sag doch lieber mal was zum Thema. Findest Du solches Handeln eines Unternehmens akzeptabel?

Nein, das finde ich nicht akzeptabel - da gebe ich dir völlig recht :thbup:.

Das sehe ich aber v.a. EZY in der Pflicht und erst nachrangig die EU.

Was kommen dann wieder Sprüche zur Regulierungswut der EU zur Normgröße und -inhalt der Kits, Farbe & Ausstattung, Festlegung des Verfallsdatums von Arzneien, Bedienungsanleitung in ca. 125 Sprachen etc.;)
 
Gibt es auch kleine Ärzte - natürlich darf jeder Arzt den Inhalt des Doctor's Kit verwenden;) Anderes medizinisches Personal zunächst nicht.

Sollte nur anderes medizinisches Personal an Bord sein (Krankenschwester, Rettungssanitäter) entscheided der Kommandant nach Rücksprach ob jenige 'behandeln' dürfen.

Ich denke dieser juristische Winkelzug ist nötig, um rechtlich besser dazustehen, falls die 'Behandlung' in die Hose geht. Denn für Ärzte hat LH eine eigene Haftpflichtversicherung abgeschlossen und diese bekommen auf Wunsch auch eine schriftliche Enthaftungserklärung.

Eine solche Versicherung für anderes medizinisches Personal könnte dürfte wohl schwer zu finden/bezahlen sein.

Wenn aber der Kommandan im Rahmen seiner nautischen Entscheidungsgewalt/Emergency Authority z.B. eine Krankenschwester (welche sich dazu im Stande sieht) anweist, einen Passagier zu behandeln dann ist die sache rechtlich wieder 'sauber' und diese bekommt dann natürlich auch Zugang zu allen nötigen 'Bordmitteln' incl. Doctor's Kit.

Gruß MAX


Hat es irgendwelche 'dienstliche Auswirkungen' (ich kenne den hierfür evtl. richtigen Begriff nicht) für den Kommandanten, der ja normalerweise kein Medizinstudium absolviert hat, wenn bei der Behandlung 'Fehler' von der 'sich im Stande sehenden Person' gemacht würden oder ist dies durch die Tatsache 'Notfall/kein Arzt an Bord' 'gedeckt'? Wäre meines Erachtens 'krass', wenn dem so wäre.

danke für etwaige Antworten

grüßle


Ich finde, dass bringt den Kommandanten aber in eine schwierige Situation, zumal ich jetzt erst einmal davon ausgehe, dass er i.dR. keine medizinische Grundausbildung haben wird, sondern bestenfalls erweiterte Erste-Hilfe-Kenntnisse. (Ohne Euch jetzt Eure Kompetenz absprechen zu wollen)

Ich bin selber Pflegefachkraft. Nebenberuflich unterrichte ich noch in der Fachkraftausbildung und eines meiner Unterrichtsthemen ist dabei das Thema "Delegation von ärztl. Tätigkeiten an Pflegefachkräfte". I.d.R. handelt es sich dabei natürlich um medizinische Eingriffe, die unter gewissen Umständen auch delegierbar sind, weil sie nicht unbedingt das persönliche Eingreifen eines Arztes erforderlich machen. In diesem Zusammenhang diskutiere ich mit den Auszubildenden auch immer die Frage, was im Notfall zu tun ist, wenn kein Arzt anwesend ist. Leider ist hier eine Pauschalaussage nahezu unmöglich. Tatsache ist aber, dass auch Pflegepersonal in einer Notsituation "nach bestem Wissen und Gewissen" handeln muss. Im Einzelfall kann das auch eine Kompetenzüberschreitung bedeuten, zumal man bei Pflegepersonal mitunter davon ausgehen kann, dass mehr medizinische Kenntnisse vorhanden sind, als beim Otto-Normal-Bürger, der nicht in einem Gesundheitsberuf tätig ist. Natürlich gilt auch hier das Prinzip: So lange man alles richtig gemacht hat, wird später keiner mehr Fragen stellen. Also leider alles ein wenig rechtliche Grauzone...

Folgende Situation:

Ich bin vor einigen Jahren bei einem Condor-Langstreckenflug in einer solchen Situation gewesen. Ein Fluggast befand sich plötzlich in einer lebensbedrohlichen gesundheitlichen Situation, bzw. wäre in einen unmittelbar akut lebensbedrohlichen Zustand gekommen, wenn nicht sofort ein medizinisches Eingreifen erfolgt wäre. Da sich kein Arzt an Bord befand habe ich mich mit um diesen Fluggast gekümmert. Um mich selber zu schützen werde ich mir jetzt die medizinischen Details der Situation ersparen. Nur so viel: Mein Eingreifen war eine klare Überschreitung meiner Kompetenzen die mir von berufs wegen zustehen. Allerdings war die Situation für mich eindeutig und da ich in meiner Ausbildung das Glück hatte, Dinge sehen und machen zu dürfen, die eigentlich nicht zum direkten Tätigkeitsfeld einer Pflegefachkraft gehören, war ich mir sicher richtig und fachgerecht zu handeln. Der Erfolg hat mich bestätigt. Hinzu kam, dass minutenschnelles Handeln erforderlich war, insofern das Abwarten einer Zwischenlandung mitunter hätte fatale Folgen haben können (da bewege ich mich jetzt im spekulativen Bereich - so genau kann man das natürlich nie sagen). Tatsache war jedenfalls, dass mir das an Bord befindliche Personal ohne lange Diskussion (eigentlich sogar ungefragt) Zugang zu sämtlichen medizinischen Ausrüstungsgegenständen an Bord gewährt hat. (Da es halt einige Jahre her ist, kann ich nicht mehr sagen, in welchen Arten Med-Kits es verstaut war, außerdem ging alles sehr schenll, da habe ich auch nicht auf mögliche Aufschriften in Richtung "nur vom Arzt zu verwenden" geachtet). Ich kann nicht beurteilen inwieweit der Kommandant vorher sein "go" gegeben hat, um mir Zugang dazu zu gewähren, vermute aber mal, da alles sehr schnell ging, dass er in dem Moment meines Eingreifens nicht wusste, dass ich kein Arzt, sondern nur Pflegekraft bin, obwohl ich mich den Fugbegleiterinnen gegenüber deutlich als solche zu erkennen gegeben habe.

Nochmal: Ich weiß, ich habe meine Kompetenzen überschritten, wusste aber auch was ich tat, war mir meiner Sache absolut sicher und rückblickend hat mir der Erfolg ja auch Recht gegeben. Nur hätte ich nicht in der Haut des Kommandanten stecken wollen, jetzt wo ich Max Beitrag lese. Ich stelle mir vor, dass der Kommandant vermutlich die medizinische Situation nicht so gut einschätzen kann, wie es ein Arzt oder eben (natürlich mit deutlichen Einschränkungen, aber zumindest besser wie ein Laie) eine Pflegefachkraft das kann. Weiter kann er ja nicht einschätzen, wie es um das Wissen und die Fähigkeiten der Pflegekraft bestellt ist. Was, wenn er einem Eingeifen von mir in dem Moment nicht zugestimmt hätte? Was, wenn er zugestimmt hätte und ich hätte einen schwerwiegenden Fehler begangen? Ich finde das echt schwierig...

Grüße

NearFMO
 
nichts zu tun wäre doch in solch einem Fall die eindeutig schlechtere Entscheidung...


ja, wäre es gewesen...konnte aber nur so handeln weil ich halt den Zugang zu sämtlichen Material inklusive Medikamenten etc. hatte. Wie gesagt, habe gar nicht erst groß danach fragen müssen. Während ich zum Ort des Geschehens eilte, hatte bereits eine Flugbegleiterin alles das, was man an Board hatte, dorthin geschafft. Dass ich "nur" Pflegekraft bin wussten die aber schon zu dem Zeitpunkt.

Nur bleibt für mich wirklich die Frage, was es (auch für dienstrechtliche Konsequenzen) für den Cpt. gehabt hätte, hätte er im Vorfeld entschieden, mir nicht alles Material zur Verfügung stellen zu lassen, da ich ja kein Arzt bin, obwohl ich hätte helfen können. Viel wichtiger noch die Frage: was, wenn er es zugelassen hätte und ich hätte einen schlimmen Fehler begangen. Insofern finde ich die Frage von takeoff nach (dienstrechtlichen) Konsequenzen auch durchaus spannend. Vielleicht kann da ja einer von den Piloten hier noch was zu erzählen?!

Im Übrigen wurde hier ja von Merpati ein Artikel von Welt-Online verlinkt, in dem es u.a. um die Versicherungen der Airlines für Ärzte geht. Wie soll ich denn den Satz verstehen: "in Deutschland übernehmen die Fluggesellschaften die Haftung für den Arzt - die Hilfsbereitschaft ist dadurch wesentlich höher"? Hört sich ja ein bisschen so an, als wolle man sagen, dass Ärzte sich teils nicht zu erkennen gegeben haben, weil keine Versicherung. Das wäre schon heftig. Und ich wäre ja mal gespannt, was in Deutschland ein Richter dazu sagen würde, wenn ein Arzt nicht auf eine Notsituation reagieren würde.... Das er etwas konservativer/zurückhaltender behandeln würde ohne Versicherungsschutz ist klar. Aber so gar nicht? Wie gesagt, im Notfall muss jeder nach bestem Wissen und Gewissen ... Wahrscheinlich war das aber in dem Artikel gar nicht so gemeint, sondern nur unglücklich ausgedrückt. ;)

Wie häufig kommt das denn vor, das wegen eines medizinischen Notfalls eine Zwischenlandung notwendig wird?

Grüße

NearFMO
 
Viel wichtiger noch die Frage: was, wenn er es zugelassen hätte und ich hätte einen schlimmen Fehler begangen. Insofern finde ich die Frage von takeoff nach (dienstrechtlichen) Konsequenzen auch durchaus spannend. Vielleicht kann da ja einer von den Piloten hier noch was zu erzählen?!

Hier begebe ich mich auf unbekanntes und schlüpfriges - weil juristisches - Terrain und kann daher nur meine persönliche Meinung abgeben. Wenn ein Passagier offensichtlich und akut lebensbedrohlich erkrankt ist und sich auf Nachfrage kein Arzt meldet, sondern 'nur' eine Schwester, ein Sani etc. der sich zutraut den Patienten zu behandeln, dann wird dieser in aller Regel alle nötige Ausrüstung und Unterstützung bekommen.

Wer sich in einen Flieger setzt muss eben damit rechnen, dass er in einem medizinischen Notfall nur von gut ausgebildeten Ersthelfern (den FBs) behandelt werden kann. Jeder höherwertige Behandlung durch med. Fachpersonal welcher Couleur auch immer kann das Ergebnis aus rechtlicher Sicht nur verbessern.

Im Übrigen wurde hier ja von Merpati ein Artikel von Welt-Online verlinkt, in dem es u.a. um die Versicherungen der Airlines für Ärzte geht. Wie soll ich denn den Satz verstehen: "in Deutschland übernehmen die Fluggesellschaften die Haftung für den Arzt - die Hilfsbereitschaft ist dadurch wesentlich höher"? Hört sich ja ein bisschen so an, als wolle man sagen, dass Ärzte sich teils nicht zu erkennen gegeben haben, weil keine Versicherung. Das wäre schon heftig. Und ich wäre ja mal gespannt, was in Deutschland ein Richter dazu sagen würde, wenn ein Arzt nicht auf eine Notsituation reagieren würde.... Das er etwas konservativer/zurückhaltender behandeln würde ohne Versicherungsschutz ist klar. Aber so gar nicht? Wie gesagt, im Notfall muss jeder nach bestem Wissen und Gewissen ... Wahrscheinlich war das aber in dem Artikel gar nicht so gemeint, sondern nur unglücklich ausgedrückt. ;)

Ich denke, das mit der 'Enthaftung' zielt mehr auf den Fall eines US-Patienten, dessen Angehörige im Falle einer 'erfolglosen' Behandlung zum Dank eine Rechnung über 4,8 Mio$ präsentieren und diese dank des tollen dortigen Rechtsystems anhand dubioser Begründungen erfolgreich einklagen.

Inwieweit eine evtl. (?) vorhandene Berufshaftpflicht (als Beispiel) im Fall der Behandlung des o.g. Amis durch einen englischen Mediziner an Bord eines Deutschen Luftfahrzeuges im Luftraum des Senegal zahlt - I don't know. Da ist die Enthaftung schon die sauberere Varianten und ich denke viele Doc's wissen das auch, zumindest diejenigen die sich als 'MED' bei LH registrieren lassen und auch so auf unserer Pax-Liste erscheinen.

Wie häufig kommt das denn vor, das wegen eines medizinischen Notfalls eine Zwischenlandung notwendig wird?

Ich meine mal vor Jahren etwas von 5 medizinischen Notfällen am Tag (bei etwa knapp 1.000 geflogenen Legs) und einer Diversion auf 10 Notfälle gelesen zu haben (das wäre dann eine alle 2 Tage). Das mag sich aber dank der Defi's in allen Fliegern und der medizinischen Beratung per Satcom-Verbindung auf der Langstrecke geändert haben.

Gruß MAX
 
Zurück
Oben