Dazu möchte ich auch kurz noch etwas schreiben:
Die meisten ernsten Probleme in der Luft sind jedoch solcher Nautur, daß sie eine Landung früher als ursprünglich geplant nach sich ziehen, was die Zeit zur Problembekämpfung bzw Entscheidungsfindung, WIE das Problem denn überhaupt bekämpft werden soll, weiter reduziert.
Ergo: Am Boden, ausserhalb des Flugzeuges darüber nachdenken, was man machen könnte, um für den Fall der Fälle entsprechende Lösungsnasätze in Form von Abnormal Checklists da zu haben, erscheint mir stimmiger, als im Ernstfall erstmal ein Triumvirat im Cockpit einzuberufen, und die Debattierrunde zu eröffnen, bis der Sprit vollends verflogen ist.
Aber bitte, jedem wie es beliebt...
Die Lösung des 'Rätsels' liegt wie so oft im Leben in der Mitte.
Jenachdem wie zeitkritisch ein Problem ist, unterscheiden sich die Abläufe zu seiner Abhandlung. Diese vorab weitestgehend festzulegen und zu standardisieren ist genau die Aufgabe derjenigen Kollegen, die am Boden (in der Trainings- oder Technik-Abteilung der jew. Airline) in diesem Bereich beschäftigt sind. Der Sinn und Zweck ist aber nicht die Vermeidung des Triumvirats (obwohl wir ja idR nur noch zu zweit sind), sondern genau die Herbeiführung desselben - nichts wäre schlimmer, als ein CPT der auf dem Holzweg ist und von seinem Co nicht aufgehalten wird. Das ist einer der Kernpunkte von gutem CRM.
Dennoch gibt
eine Situation, die auch eine kurze gemeinsame Analyse nicht zulässt und das ist ein Start-Abbruch im High-Energy-Bereich. Tritt kurz vor V1 ein Problem auf, muss der CM1 innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden 'STOP!' oder 'GO!'. Dabei bleibt nicht mal Zeit die persönlichen Eindrücke zu verifizieren, denn gerade die blödesten Fehler melden sich nicht per ECAM-Caution wie z.B. Reifenplatzer, Vogelschlag, Engine Stall uvm.
In ALLEN anderen Situationen kommt nachdem das ECAM- oder QRH-Abnormal-Procedure bis zu seinem Ende abgearbeitet ist ein Verfahren namens 'FORDEC' zum Einsatz. Die Abkürzung steht für:
F acts
O ptions
R isks&Benefits
D ecision
E xecution
C heck
Nehmen wir nun das Beispiel eines Dual Hydraulic Fault, der Flieger ist also nur noch mit einem einzigen Hydraulik-System unterwegs, ein unschöner Zustand ohne jegliche Redundanz. Aber trotzdem 'Eile mit Weile'! Zunächst wird mit Blick auf den Fuel on Board und die Dringlichkeit des Problems ein Zeithorizont gesetzt und damit entschieden ob ein zeitkritisches Problem vorliegt oder nicht.
In unserem Fall wäre diese Frage eindeutig mit 'Ja' zu beantworten und wir möchte gerne spätestens in 30 Minuten am Boden sein.
Es werden
Fakten zum Problem gesammelt (Was funktioniert noch, was ist unser Landing Minimum, welche Landings Distance wird benötigt, wieviel X-Wind verträgt der Flieger noch uvm.)
Danach werden die verfügbaren
Optionen untersucht, sprich welche Airports sind innerhalb des gesetzten Zeitrahmen erreichbar. Bei einem zeitkritischen Problem würde man dabei die 'first suitable solution' anstreben, bei einen zeitunkritischen Problem die 'optimum solution'. In diesem Rahmen wird nun verglichen, welcher der Airports nun unser neue Ziel werden wird.
In AAA ist die Bahn lang, dafür ist das Wetter genau am CAT1-Minimum, in BBB ist die Bahn kurz und nass, dafür ist das Wetter problemlos anfliegbar und in CCC gibt es ebenfalls eine trockene 4000-Meter-Bahn, aber der Wind weht genau an unserem X-Wind-Limit.
Diese Liste läßt sich noch beliebig fortsetzen, aber genau so sind unsere LOFT-Szenarios im SIM aufgebaut. Es gibt also bewußt keine richtige und falsche Lösung, sondern der Flieger muss in angemessener Zeit sicher auf den Boden und der Weg dorthin muss
zusammen gefunden werden.
Dies geschieht im Rahmen der Abwägung der
Risks&Benefits aller gefundenen Optionen und es fällt die
Decision für den Airport AAA.
Nachdem wir uns nun für AAA als Ausweichflughafen entschieden haben beginnt die
Execution, sprich es wird alles für die Ausweichlandung vorbereitet: FMS programmieren, Karten rausholen, Briefen, Info an die Kabine, die Gäste, die Company usw.
Während des restlichen Fluges wird nun permanent die Frage gestellt 'Haben wir an alles gedacht' oder haben sich neue Fakten ergeben, die eine Neubewertung erfordern. Dies stellt den
Check da, nicht immer einfach einen einmal eingeschlagenen Weg wieder zu verlassen.
Ich hoffe, ich konnte in diesem kurzen Rahmen ein wenig die Strategie zur Lösung von Problemen in 2-Mann-Cockpit beleuchten. Wer nun immer noch behaupten möchte, dass die 'Shoot&Run'-Methode erfolgreicher ist, dem werde ich fortan nicht mehr widersprechen - solange ich nicht mitfliegen muss.
Gruß MAX