Unfälle (Zwischenfälle/Sicherheitslandungen) mit Flugzeugen

Zum Unfallbericht des Indonesia Air Asia A320 möchte ich noch auf einige Details hinweisen, die sich in der hochdynamischen Situation nach Umschalten der Flugsteuerung ins Altenate Law ergaben:

Ich hatte in meiner Zusammenfassung (#5099 in diesem thread) geschrieben, dass der reset der FACs per Reset PB unterblieb, nachdem die FAC CBs wieder eingedrückt waren. Dadurch waren die FACs zwar wieder mit Strom versorgt, arbeiteten aber nicht, so dass es beim alternate law blieb. Dies teilt das ECAM der Besatzung auch mit - allerdings erst auf der zweiten Seite, da andere, nach ECAM-Logik wichtigere Dinge davor stehen. Dies ist auf S. 64 des Berichtes (S. 66 des pdf-Dokumentes) sehr gut dargestellt. Erst nach Abarbeiten der ersten 4 Punkte mit jeweiligem Druck auf die "clear"-Taste erscheint dann die Warnung FAC 1+2 FAULT mit der Anweisung zum reset. Nach dem Grundsatz "fly the aircraft first" unterbleibt das Abarbeiten des ECAM solange die Fluglage nicht unter Kontrolle ist, zumindest dann, wenn beide Piloten daran arbeiten.
Das Fliegen im Altenate Law unterscheidet sich durchaus von dem im Normal Law. Die Steuerung ist m.E. deutlich empfindlicher, gerade bei hoher Geschwindigkeit und großer Höhe. Man überkontrolliert sehr schnell. Das ist allerdings kein Grund, permanent am Stick zu ziehen.

Sehr interessant sind auch Darstellungen von Fluglage und Instrumentenanzeigen ab S. 57 (S. 59 des pdf). Leider lassen sich die Abbildungen nicht ohne weiteres hier hinein kopieren. Nach diversen abenteuerlichen Fluglagen scheint sich die Lage in Abbildung 29 auf S. 59 (Durchgang durch FL290) normalisiert zu haben, das Flugzeug liegt in Längs- und Querneigung nahezu gerade. Das ist aber auch das einzig normale: Die Geschwindigkeit wird auf dem PFD mit 37kt angezeigt, das ISIS (standby-Instrument) zeigt 170kt. Beide Geschwindigkeiten liegen deutlich unter dem Normalwert. Das Flugzeug fällt im totalen Strömungsabriss mit 15500ft/min, dies führt zu einem Anströmwinkel von 41.1°. Um aus dem stall heraus zu kommen, müsste der Anströmwinkel deutlich, d.h. auf unter 8° reduziert werden. Das bedingt eine vorübergehende nose-down-Lage von mindestens 30° nose down - bei ohnehin schon angezeigten -15500ft/min eine Entscheidung, die erst einmal getroffen und umgesetzt werden muss. So etwas hat noch kein Linienflugzeugführer gesehen, wenn er nicht an einem guten upset-recovery-training teilgenommen hat. Schon 15° nose down erscheinen einem wie fast senkrecht, wenn man keine anderweitige Erfahrung mit solchen Nicklagen hat. Ich habe bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2010 kein Training gehabt, welches solche Situationen umfasste. Die beiden Piloten waren mit der Situation völlig überfordert, der rechte sidestick war am hinteren Vollausschlag, der linke sidestick am vorderen. Leider wurde dabei nicht der take-over PB gedrückt, so das sich die Fluglage nicht änderte. Offensichtlich war beiden Piloten nicht bewusst, dass sie gerade gegeneinander arbeiten - was in dieser Situation aber durchaus den menschlichen Verhaltensmustern entspricht. Leider lassen sich bei extremen Stresssituationen die ursprünglichen Flucht- und Ausblendreflexe nicht immer verhindern.

Sowohl hier als auch bei AF447 geriet das Flugzeug durch unterschiedliche Anlässe ins Alternate Law. Bei beiden Flügen kam es leider dazu, dass dies zum Verlassen des kontrollierten Flugzustandes führte. Hier muss m.E. das Training ansetzen, um gar nicht erst in Fluglagen zu kommen, aus denen man erst mit einem guten upset-recovery-training wieder heraus kommt.

Ich hoffe, dass ich einige Hintergrundinformatonen zu der Diskussion " das hätten die doch sehen und erkennen müssen" geben konnte. Zwischen dem eventuellen Sehen und Erkennen und dem dann erforderlichen Umsetzen liegt leider auch noch eine große Schwelle.

Werner
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Frage an die Piloten hier: Müsste man nicht allein am Geräusch wie die Luft um das Cockpit braust mitbekommen dass man deutlich zu langsam fliegt oder ob man viel zu schnell ist (wie die Anzeigen bei AF447)?
 
Eine Frage an die Piloten hier: Müsste man nicht allein am Geräusch wie die Luft um das Cockpit braust mitbekommen dass man deutlich zu langsam fliegt oder ob man viel zu schnell ist (wie die Anzeigen bei AF447)?
Im Prinzip ja, aber ich glaube, dass in solchen Situationen noch viel wichtigere Hinweise, z. B. auch akustische Warnungen des ECAM, einfach ausgeblendet werden. Leider auch so ein Rest unserer Urinstinkte.
Werner
 
Werner, vielen Dank für die Situationszusammenfassung und die Schilderung Deiner Sichtweise! Ich muss zugeben, Deine Denkanstöße haben mich daran gehindert, die Crew hier heftig zu kritisieren.
 
Hallo Robert,

Kritik darf (und muss) schon geübt werden, allerdings nur für die Aktionen am Anfang. Der (wahrscheinlich durch die Crew durchgeführte) CB reset war m.E. ein no no. Ebenso hätte die erste Querlage von 54° nicht passieren dürfen, genau wie das Ziehen bei der Korrektur der Querlage.
Als das Flugzeug dann den kontrollierten Flugzustand verlassen hatte, war die Besatzung in einem Bereich angekommen, für den sie nie trainiert worden war. Für die Tatsache, dass die Crew dann nicht mehr in der Lage war, das Flugzeug wieder in den Griff zu bekommen, muss Kritik, wenn überhaupt, sehr vorsichtig formuliert werden.

Ich gebe zu, dass ich damals bei AF447 auch gedacht habe "das müssen die doch sehen und in den Griff bekommen". Erst bei näherer Beschäftigung mit den Unfallberichten fragte ich mich dann, ob ich ein Flugzeug, welches bei horizontaler Fluglage mit über 8000ft/min sinkt, in 20-30° pitch-down gebracht hätte, um Fahrt aufzunehmen - der einzige Weg da raus zu kommen.
Heute gibt es upset-recovery-Programme im Simulator. Ob dort solche Scenarien trainiert werden (können) weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht, ob die heutigen Simulatoren das richtig darstellen können. Es bleibt zu hoffen, dass solche Trainingsabschnitte nicht den Kaufleuten zum Opfer fallen. Es wird ja heute leider versucht, auch am Trainingsaufwand sogenannte Optimierungen anzusetzen.

Viele Grüße aus dem Norden

Werner
 
@werner huss

Danke dir vorab für deine Einschätzung.
Dir ist es gelungen, all dies auch für den interessierten Laien verständlich zu schildern.

Erlaube mir bitte das Nachfragen um deine Sichtweise auf einzelne Aspekte:

Fehlerhafte Lötstellen in den RTLU (rudder travel limiter unit) führten monatelang immer wieder zu entsprechenden ECAM-Warnungen. Die Technik beschränkte sich immer wieder auf resets und danach "überprüft, ohne Fehler".

In meinem Studium, wie auch davor und danach habe ich "das Löten" kenne gelernt - in vielen seiner Facetten.
Lötstelle kann vieles sein - daher als aviatischer Laie nachfragend:

Wie darf man sich die Konstruktion der RTLU vorstellen?


... Die stallwarning war weiterhin aktiv und überdeckte mit den akustischen "stall, stall"- Warnungen die akustische Warnung "dual input". ...

Dein Fazit (nicht zitiert) nicht in Frage stellen wollend eine weitere Laien-Frage an die Fachleute im Kontext der "digitalen" Flieger:

Wie nimmt man in einer derartigen Stresssituation die verschiedenen Inputs war? Wie individuell sind die Reaktionsweisen trotz einheitlicher Grundausbildung?
Wie stark wird bei der Pilotenausbildung auf das Gehör, die akustische Wahrnehmungsfähigkeit geachtet?
Was ist für die Piloten wichtiger? Die Warnung vor dem Stall oder die vor dem "dual input" - so besagter Over-rule-Knopf nicht gedrückt wurde?
In wie weit gibt es hier Verbesserungspotential seitens der Konstruktion?

Gibt es dieses überhaupt bei entsprechender Schulung und Wartung der Maschine?
 
Wie darf man sich die Konstruktion der RTLU vorstellen?

Hier möchte ich auf S. 65 und 66 des Berichtes verweisen, in der die RTLU und auch sie Elektronikplatte mit der fehlerhaften Lötstelle (natürlich auf Englisch) beschrieben werden. Vielleicht hilft das erst mal weiter.

Wie nimmt man in einer derartigen Stresssituation die verschiedenen Inputs war? Wie individuell sind die Reaktionsweisen trotz einheitlicher Grundausbildung?

Jeder Mensch blendet bei mentaler Überlastung ab einer bestimmten Schwelle verschiedene Kanäle (Auge, Ohr, usw) aus.
Was wann ausgeblendet wird, ist individuell verschieden. Ich gehe davon aus, dass auch das bei der DLR-Untersuchung im Untersuchungsprofil ist. Wie das bei anderen Ausbildungsgängen außerhalb DLH ist, kann ich nicht sagen. Es gibt auch keine einheitliche Grundausbildung, denn m.E. unterscheiden sich allein schon die zivile und die militärische fliegerische Grundausbildung. In anderen Staaten gibt es bestimmt auch Unterschiede. Wenn dann noch ein indonesischer Ex-Militärpilot auf einen französichen Späteinsteiger (46 Jahre alt mit 2247 Stunden total) trifft, kann von einheitlicher Grundausbildung bestimmt nicht die Rede sein. Vermutlich kam da auch noch eine gewissen Sprachbarriere dazu.

Wie stark wird bei der Pilotenausbildung auf das Gehör, die akustische Wahrnehmungsfähigkeit geachtet?

Ich gehe davon aus, dass echte Defizite hier zum Ende der Ausbildung führen, habe aber dazu keine Erfahrungen.

Was ist für die Piloten wichtiger? Die Warnung vor dem Stall oder die vor dem "dual input" - so besagter Over-rule-Knopf nicht gedrückt wurde?

Airbus war bei der Konstruktion des ECAM offensichtlich der Meinung, dass ein Strömungsabriss und der damit verbundene Kontrollverlust gefährlicher ist als beidseitige Steuereingaben. Dem möchte ich mich anschließen.

In wie weit gibt es hier Verbesserungspotential seitens der Konstruktion?

M.E. nicht, eher beim Trainung im allgemeinen und speziellen.

Gibt es dieses überhaupt bei entsprechender Schulung und Wartung der Maschine?

Was? Dual-input in richtigen Leben? Kommt hin und wieder für kurze Momente vor und sollte möglichst bald, aber spätestens nach Abschluss des Fluges besprochen werden.

Ich habe das Zerlegen der Fragenliste nicht hinbekommen. Meine Antworten stehen oben kursiv gedruckt.

Viele Grüße

Werner
 
[...]
Ich gebe zu, dass ich damals bei AF447 auch gedacht habe "das müssen die doch sehen und in den Griff bekommen". Erst bei näherer Beschäftigung mit den Unfallberichten fragte ich mich dann, ob ich ein Flugzeug, welches bei horizontaler Fluglage mit über 8000ft/min sinkt, in 20-30° pitch-down gebracht hätte, um Fahrt aufzunehmen - der einzige Weg da raus zu kommen.
Heute gibt es upset-recovery-Programme im Simulator. Ob dort solche Scenarien trainiert werden (können) weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht, ob die heutigen Simulatoren das richtig darstellen können. Es bleibt zu hoffen, dass solche Trainingsabschnitte nicht den Kaufleuten zum Opfer fallen. Es wird ja heute leider versucht, auch am Trainingsaufwand sogenannte Optimierungen anzusetzen.

Viele Grüße aus dem Norden

Werner

Nochmals Danke für obiges Statement - und ich kann Dir nur zustimmen, dass die Kosten für Sicherheit hoffentlich nicht den Kaufleuten zum Opfer fallen.

Wenn ich von solch extremen Fluglagen und -manövern lese, muss ich immer an den Flug CAL006 der B747 SP der China Airlines und auch den TWA-Flug 841 mit B727 denken. Beiden Crews gelang es aus m.M. nach noch extremeren Situationen herauszukommen. An was liegt das? Sind die heutigen vollcomputerisierten Flugzeuge schwerer aus solchen Situationen zu retten - oder war es einfach nur Glück für die beiden vorgenannten Crews
 
Dem möchte ich noch eine vielleicht auch dumme Frage anschließen. Wenn das Fliegen im Alternate Mode doch so viel herausfordernder und schwieriger ist, gerade für eine Crew, die mit anderen Fehlermeldungen und abrupten Manövern des Flugzeugs kämpft, wäre es dann nicht einfacher, sicherer und besser, dem Piloten über ECAM o. ä. vorzuschlagen, wieder auf den Autopiloten bzw. Normal Mode zurückzuschalten? Dann sollte der Flieger doch wesentlich einfacher zu steuern sein?! Oder ist man da schon sozusagen über den "Point of no return" hinaus, in dem der Computer die Maschine dann auch nicht mehr abfangen kann? Ein Computer müsste doch eine erforderliche Mindestgeschwindigkeit in Verbindung mit dem Neigungswinkel und der aktuellen Höhe berechnen können, in dem das Flugzeug durch Steigerung der Triebwerksleistung und Pitch-Down in einer bestimmten Höhe wieder Fahrt aufnehmen kann und somit aus dem Stall hinauskommt...
 
Alternate oder Direct Law kommen ja erst wenn die Flugcomputer der Reihe nach ausfallen (aus welchen Grund auch immer). Ohne die gibt's auch kein Normal Law mehr. Bei der Air Asia wurden zwei Flugcomputer vorsätzlich über Sicherungen ausgeschaltet. Damit die Systeme wieder normal funktioniert hätten hätte man die betroffenen Computer nach dem Sicherungsreset über das Overheadpanel wieder aus- und einschalten müssen, dann hätte alles wieder normal funktioniert.

Auch wenn die Airbus-Philosophie nicht unumstritten ist kann ein Hersteller nur wenig bis gar nichts dafür wenn gravierende Bedienfehler (improvisierte Problembehebung durch Sicherungsziehen) vorgenommen werden. Da muss in der Ausbildung eindeutig mehr Wert draufgelegt werden nur das zu machen was in den Procedures steht, v.a. wenn man sich nicht den Konsequenzen seines Handelns bewusst ist.
 
Der Antwort von MANAL zur Frage von DennisT ist nur eins hinzu zu fügen:
Das ECAM hat ja den reset, also das Wiedereinschalten der FACs verlangt, allerdings erst auf der zweiten Seite, da davor andere Dinge standen. Nun kann man lange streiten, in welcher Reihenfolge die Fehler auf dem ECAM dargestellt werden, aber m.E. hat sich der Hersteller bei der Festlegung der Prioritäten etwas gedacht. Natürlich gibt es immer Fälle, bei denen man argumentieren könnte, dass eine bestimmte Sache weiter vorn stehen müsste. Bei nächsten Fehler wäre das aber wieder völlig unangebracht, und irgendeine Logik muss man dem Flight Warning Computer ja beibringen.
 
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Wenn ich von solch extremen Fluglagen und -manövern lese, muss ich immer an den Flug CAL006 der B747 SP der China Airlines und auch den TWA-Flug 841 mit B727 denken. Beiden Crews gelang es aus m.M. nach noch extremeren Situationen herauszukommen. An was liegt das? Sind die heutigen vollcomputerisierten Flugzeuge schwerer aus solchen Situationen zu retten - oder war es einfach nur Glück für die beiden vorgenannten Crews

Ich habe mir die Berichte zu beiden Fällen noch einmal angeschaut.
Zunächst: Glück hatten die damals bestimmt. Die CAL-Piloten haben den Flieger erst wieder in den Griff bekommen, als sie den natürlichen Horizont sahen, nachdem sie aus den Wolken kamen. Übrigens haben in diesem Fall sowohl CPT als auch FO und FE ausgesagt, weder die Overspeed-Warnung gehört noch den Stickshaker (Elektromotor, der den Steuerknüppel rüttelt, um vor Stall zu warnen) gespürt zu haben. Auf den damaligen Flugdatenschreibern wurden diese Werte nicht erfasst, der Cockpit-Voice -Recorder zeichnete damals wohl nur 30min auf und enthielt den Vorfall nicht mehr, da bis zur nachfolgenden Landung mehr als 30min vergingen. M.E. müssen aber beide Warnungen angekommen sein und wurden (auch nur meine Meinung) seitens der Crew ausgeblendet oder zumindest nicht mehr erinnert.

Bei beiden älteren Fällen kam zu dem extremen Flugzustand kein Wechsel von flight laws und damit verbunden evtl unterschiedlicher Empfindlichkeit der Steuerung hinzu. Das könnte in solchen Situationen für die Klassikflieger sprechen. Der weitere Unterschied der Fälle CAL006 und TWA841 zu AF447 und QZ8501 ist die Tatsache, dass die beiden Airbusse durch (zumindest bei QZ8501 vermutlich zunächst unbewusste, später duch den Zuruf "pull down, pull down" verstärkte) pitch-up-commands in den stall geflogen und dort gehalten wurden. Dies wäre bei den klassischen Fliegern nur durch bewusstes Trimmen oder mit viel Kraftaufwand möglich gewesen. In den Flugzustand "gerade liegendes Flugzeug fällt nahezu senkrecht", aus dem man nur mit bewussten, deutlichen pitch-down-commands wieder herauskommt, sind die Flugzeuge in den beiden älteren Fälle m.E. nie gekommen.

Man kann jetzt lange über Vor- und Nachteile der verschiedenen Steuerungskonzepte streiten. M.E. hat die FBW-Steuerung gegenüber der konventionellen allein durch die Möglichkeit der flight envelope protection sehr viele Vorteile. Ob da jetzt die Lösung A mit Sidestick oder die Lösung B mit Steuerhorn die bessere ist, kann ich mangels Vergleichsmöglichkeit (ich habe weder Erfahrung mit B777 noch mit B787, alle anderen B haben kein FBW) nicht sagen.

Vermutlich ist auch der Vergleich der älteren Vorfälle mit den beiden neueren Unfällen ein gutes Beispiel für die Tatsache, die ich seit meiner Zeit auf A310 festgestellt habe: Je "einfacher" oder komfortabler die Flugzeuge in der "normal operation" durch Automatisierung aller Art werden, desto größer ist der Unterschied zur "abnormal operation", zumindest wenn es sich um schwerwiegendere Probleme handelt.

Dazu passt auch der folgenden Absatz aus dem Bericht des NTSB vom März 1986 zur CAL006 in dem es um die Folgen zunehmender Automatisierung geht:
"Research also indicates that the excursion from a stabilized condition might be exaggerated even after a system anomaly is detected, because of the period required for a pilot to transition from system monitor mode to system controller. Time is needed to "ascertain the current status of the airplane and assess the situation," before the pilot can reenter the control loop and take corrective action."

30 Jahre alt und immer noch topaktuell.

Diesen Problemen ist nur mit Training beizukommen - und Training kostet Geld, und das muss man ausgeben wollen.

Werner
 
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Diesen Problemen ist nur mit Training beizukommen - und Training kostet Geld, und das muss man ausgeben wollen.

In wieweit würde denn Stall-Training mit einem Kunstflugzeug einen Piloten helfen in einem Airliner in solchen Situationen besser zu reagieren?
Stall-Training mit Airliner wird es sicher nie geben weil man da sonst garantiert Flugzeuge verliert. Und die normalen Simulatoren sind auch nur sehr eingeschränkt für diese Bereiche außerhalb der normalen Flightenvelope brauchbar.
 
Bei den Stall-Trainings im Sim geht es auch in erster Linie um das Verfahren selbst, also ums Prinzip und nicht darum, das man "fühlt", wie es sich in echt anfühlt.
Das Verfahren soll, wie TCAS oder einer EF, ins Blut übergehen. Wir trainieren High Level, low Level und Aprroach Stalls immer wieder mal. Meist ist noch etwas Zeit bei den beiden Refresher im Jahr, so daß man immer mal wieder was ungeplantes macht. Demnächst soll wohl auch in der Tat bei uns (747) Unusual Attitude Training dazu kommen. Angeblich sind die Sims dann softwareseitig soweit, das man das anständig trainieren kann. Hörte ich zumindest von einem Checker vor ein paar Wochen bei meinem Check. Mal sehen, ob dann bei uns auch die 5. Simsession im Jahr kommt. Wäre dann ja übers Jahr verteilt alle 10 Wochen Sim Training.
 
In wieweit würde denn Stall-Training mit einem Kunstflugzeug einen Piloten helfen in einem Airliner in solchen Situationen besser zu reagieren?
Während unserer Ausbildung in PHX haben wir 1 Std Training auf einer einmotorigen Kunstflugmaschine bekommen, um stall and spin recovery zu trainieren. Wir sind also in den stall geflogen, bis die Maschine abkippte und ins Trudeln geriet. Dabei haben wir auch deutliche negative Nicklagen erlebt. Dies Trudeln war allerdings das sogenannte Steiltrudeln, wir sind nicht in den Zustand "Flugzeug fällt flach liegend" gekommen. Da wäre die Gefahr, ins sogenannte Flachtrudeln, also flach liegend mit Drehung um die Hochachse, zu kommen, zu groß gewesen. Aus dem Flachtrudeln wieder heraus zu kommen, ist je nach Flugzeugtyp sehr schwierig. Mit unseren einmotorigen Bonanzas und zweimotorigen Barons war das bewusst eingeleitete Trudeln laut Handbuch verboten (no intentional spins). Während meiner Zeit an der Flugschule gab es dort einen Totalverlust einer Baron, die ins Flachtrudeln geraten war. Leider kamen dabei zwei Flugschüler, die allein unterwegs waren, ums Leben.
Ob diese Stunde spin recovery heute noch zum Ausbildungsprogramm gehört, weiß ich nicht.

In den USA wurde m.E. überlegt, upset recovery für Linienflugzeugführer auf dafür geeigneten Flugzeugen zu trainieren. Wie weit man mit diesen Überlegungen ist und ob das verpflichtend eingeführt werden soll, kann ich nicht sagen. Wenn das kommen sollte, wäre das ein enormer Kostenblock, der dann wohl auf die Airlines zukommt. Ob man da allerdings trainieren kann und sollte, ein Flugzeug durch bewusste Fehlbedienung (Halten des pitch-up command) in den flach liegenden nahezu senkrechten Fall zu bringen, um dann dort wieder heraus zu kommen, ist fraglich. Vielleicht geht das mit modernsten Simulatoren. Dazu müssen aber erst einmal die Daten für diese Flugzustände in die Simulatoren eingespielt werden. Wo sollen die Daten herkommen, erfliegen kann man das ja wohl nicht. Aber auch da muss die Frage nach dem negativen Training der bewussten Fehlbedienung gestellt werden.

Das Training kann m.E. nur dahin gehen, erst gar nicht in den stall zu kommen und vielleicht noch, aus einem beginnenden stall durch sofortiges deutliches pitch-down command heraus zu fliegen. Das Ganze gekoppelt mit alternate law in größerer Höhe und etwas Turbulenz reicht m.E. schon für ein schönes Simulatorprogramm.

Das alles ist die persönliche Meinung eines seit fünf Jahren pensionierten "Lineschweins" ohne Erfahrung als Trainer, vielleicht hätten Trainer ganz andere Ansichten.

Werner
 
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