Ausfall Flugsteuerungscomputer

Klaus

Mitglied
Eine Frage an die Airbus Piloten hier im Forum:
kürzlich war ich mit einer A330-200 von PMI nach MUC unterwegs. Nach dem Push-Back standen wir mit laufenden Motoren ewig auf dem Vorfeld. Danach meldete sich der Kapitän und sagte, dass es eine Computerstörung gäbe und er einen anderen Stromkreis ausprobieren müsste. Dazu wurden die Motoren abgestellt und wieder angelassen. Dies konnte das Problem nicht beheben. Also rollten wir zurück zur Parkposition. Wie sich herausgestellt hat, war einer der Flugsteuerungscomputer kaputt. Dieser wurde dann in Übereinstimmung mit der Technik abgeschaltet und der Flug dann mit dem verbliebenen Computer durchgeführt. Soweit zum Sachverhalt.

Nun die Fragen:
- Wieviel Flugsteuerungscomputer hat eine A330?
- Was wäre passiert, wenn im Reiseflug oder bei Start bzw. Landung ein weiterer Computer ausgefallen wäre?

Danke für die Infos vorab.
 
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Moin Klaus!

Ich dachte, dass wir das Thema hier schon das eine oder andere Mal behandelt haben aber ich konnte auch die Schnelle nichts finden. Falls jemand mehr Erfolg hat, kann er ja die Links nachreichen.

Aaaaalso: Das Grundprinzip der Sicherheit in der Luftfahrt ist Redundanz. Alle sicherheitsrelevanten Systeme werden entweder nach dem 'Safe Life' Prinzip konstruiert, d.h. sie dürfen niemals ausfallen, wenn das Flugzeug innerhalb der konstruktionsbedingt berechneten Lebensdauer und innerhalb der Betriebsgrenzen benutzt wird. Durch entsprechenden konstruktive Massnahmen und Ermüdungstests wird dies sichergestellt, on top kommt ein 50%iger Sicherheitszuschlag. Ein Backup steht daher nicht zur Verfügung. Als Beispiel könnte man alle tragenden Teile der Struktur nennen, z.B. eine Tragfläche.

Für Teile, bei denen es technisch nicht oder nicht wirtschaftlich möglich ist, eine 150% Ausfallsicherheit zu erreichen, z.B. Elektronik (geht einfach irgendwann kaputt), Verschleissteile wie Triebwerk (zuviel Mechanik - kann ausfallen) uvm wird der Weg der Redundanz gewählt. Die lebensnotwendigen Aufgaben werden an zwei (Triebwerk) oder drei (Hydraulik) Systeme verteilt. Auch wenn nur noch eines davon zur Verfügung steht, muss eine sichere Landung möglich sein. Ob ein doppeltes Versagen berücksichtigt wird, entscheiden die Ingenieure und Zulassungsbehörden anhand von statistischen Berechnungen. Ein doppelter Triebwerksausfall bei der 2-mot muss daher nicht berücksichtigt werden, er kann nach allen statischen Berechnungen nur durch externe Einflüsse ausgelöst werden (Wasser im Sprit, Vogelschwarm). Dafür kann das Flugzeug nichts. Bei der Hydraulik wird hingegen ein doppelter, nicht jedoch dreifacher Ausfall berücksichtigt.

Damit nun zur Eingangsfrage: Die Flugsteuerungscomputer des A320 sind 4-fach redundant ausgelegt - das einzige System das auf diesem Level entworfen wurde. Grund ist wohl die sehr argwöhnische Betrachtung der sich in den 70er/80er Jahren auf völligem Neuland bewegenden Fly-By-Wire Technologie. Da auch die elektrische Versorgung der 4 Computer entsprechend redundant ausgelegt ist, kann man getrost sagen, dass ein Totalausfall 'unmöglich' ist. Das mechanische Notsystem wird daher von Airbus auch nur für den Zeitraum notwendig erachtet, bis durch einen Reset einer oder mehrere der 4 Confuser wieder laufen.

Gruß MAX reverse
 
- Wieviel Flugsteuerungscomputer hat eine A330?
Eine A330/A340 hat 3 "primäre" und 2 sekundäre "Steuerungscomputer", 2 weitere für die Steuerung der Auftriebshilfen, 2 welche die Signale und Feedbacks der Steuerflächen sammeln und digitalisieren und manche haben dann noch ein Backup Control Module.
Die beiden FMGECs (Flight Management and Guidance Envelope Computer) sind eigentlich keine Flugsteuerungscomputer in dem Sinn und sind daher nicht mit aufgeführt.

- Was wäre passiert, wenn im Reiseflug oder bei Start bzw. Landung ein weiterer Computer ausgefallen wäre?
Auf Basis der Infos ist so keine Aussage zu treffen, da müsste man zuerst wissen was/welcher Rechner ausgefallen ist und auch wie er das ist. Manche Rechner sind komplett hinüber, manche sind in der Lage eine LAW Computation durchzuführen, haben aber zb. ihren Drive Circiut verloren (also den "Starkstrom Ausgang" zum Ansteuern der Ventile in den Hydraulikzylindern), oder aber andersrum, also verarbeiten keine Signale und errechnen keine Ruderausschläge mehr, sind aber in der Lage die Kommandos anderer Rechner umzusetzen und haben noch ihre Steuerflächen unter Kontrolle.
IdR. geschieht das Operieren mit defekten Flugzeugsystemen im Einklang mit der MEL (Minimum Equipment List), es saugt sich also kein Techniker/Pilot sowas einfach aus den Pfoten. Diese MEL ist durch Airbus erstellt und auch geprüft worden, wenn die also meinen, dass ein defekter Flugsteuerungscomputer weder die Sicherheit beeinträchtigt noch die Arbeitslast der Piloten erhöht, dann wird das so mit aufgenommen.
 
Der genannte Fall liegt ein wenig anders, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ausserdem scheinen die Infos des AvH in diesem Fall ausschließlich auf den Aussagen eines Pax zu beruhen. Die müssen nicht falsch sein, aber geben evtl. auch nicht alle notwendigen Details wieder um den Fall beurteilen zu können. Ok?

Aber anyway: sie scheinen ja gelandet zu sein ;) insofern haben sie entweder mindestens einen Computer Re-Setten können oder es war doch kein Totalsausfall. In die Details des A346 müsste ich mich erst einlesen. Aber einen A320, bei dem alle 4 Computer ausgefallen sind, zu landen wäre schon eine 'sportliche' Angelegenheit, weil ausser dem Seitenruder alle primären Steuerflächen ausgefallen sind!

Gruß MAX
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist vor gar nicht so langer Zeit bei einem LH-A346 passiert: http://avherald.com/h?article=4700f656&opt=0

Auch hier müsste man das nun erstmal genauer anschauen, wenn man einem "Insider-Kommentar" glaube darf, war kein Trimmen der Höhenflosse mehr möglich, also weder elektrisch durch die Rechner noch durch die Handräder, welche beim A346 auch noch mechanisch über Seile betätigt werden.
Das würde bedeuten, dass die Trimmspindel fest war (in welcher Form auch immer, bzw. eben nicht ansteuerbar). Dieser Fehler ist insofern "doof", als das alle 3 primären Rechner auf diesen Zugriff haben wollen (für alle anderen Steuerflächen sind die Ruderflächen aufgeteilt und jeder hat "seine" Steuerfläche), was in dem Fall bedeutet, dass die Rechner ihre normale Tätigkeit "einstellen". Die Rechner schalten (in dem Fall) um auf alternative (Backup) Regelmechanismen, leider ist mit dem Fehler auch der Autopilot nicht mehr nutzbar (ALT1 LAW). Ein Großteil der Schutzmechanismen sind aber nach wie vor aktiv. Die Rechner selbst müssen dabei keinen Fehler davon tragen, wahrscheinlich waren alle 5 noch wunderbar in Ordnung.

Warum der Kapitän nun sagte, dass die Rechner defekt seien, bleibt wohl sein Geheimnis, ich kann da auch nur spekulieren. Zum einen, ist es das, was er auf den ersten Blick sieht (das die Rechner einen Fehler anzeigen, die Ursache liegt aber nicht innerhalb der Rechner), zum anderen macht es keinen Sinn, während solchen Aktionen dem interessierten Publikum erstmal die Feinheiten (und vorher Grundlagen) eines FBW-Systems des A346 zu erläutern.
Ich finde es ohnehin gut, dass man solche Art von Infos überhaupt teilt.
 
Aber einen A320, bei dem alle 4 Computer ausgefallen sind, zu landen wäre schon eine 'sportliche' Angelegenheit, weil ausser dem Seitenruder alle primären Steuerflächen ausgefallen sind!

Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass wenn ein totaler Stromausfall in einem A320 passiert, man im Endeffekt nix mehr machen kann?

(Mir ist natürlich klar, dass das NIEMALS passieren wird. Die Stromversorgung ist ja mehr als zweimal abgesichert...)

Nur so interessehalber...
 
Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass wenn ein totaler Stromausfall in einem A320 passiert, man im Endeffekt nix mehr machen kann?

(Mir ist natürlich klar, dass das NIEMALS passieren wird. Die Stromversorgung ist ja mehr als zweimal abgesichert...)

Nur so interessehalber...

Es gibt noch ein Backup System. Das ist die Ram Air Turbine (RAT), welche dann durch den Fahrtwind angetrieben wird und das blaue Hydrauliksystem mit Druck versorgt. Wiederum treibt diese System dann einen Generator an, der Strom erzeugt....allerdings ists dann schon ziemlich dunkel im Cockpit, weil nur noch das Notwendigste versorgt wird....
 
Mir ist das RAT schon bekannt! Das hatte ich eigentlich darunter:



mit Einkalkuliert! Man könnte jetzt ja noch 1000de Wenns und Aber durchmachen, aber ich glaube, ich hab's kapiert! ;D

Da alle Servos (Ventile an den Steuerflächen) elektrisch angesteuert werden und auch die Inputs am Sidestick elektrisch verarbeitet werden, sieht es ganz ohne Strom nicht gut aus.....
 
Auch das müsste man wohl noch etwas weiter aufdrösseln, ausserdem sollte man sich dann mal auf einen Flugzeugtyp und Version festlegen.

Da alle Servos (Ventile an den Steuerflächen) elektrisch angesteuert
A380 ja, B787/A350 keine Ahnung, wahrscheinlich auch, Rest nein.

Beim alten A330 sind Seitenruder und THS noch mechanisch angesteuert und hydraulisch betätigt.
 
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