Unfälle (Zwischenfälle/Sicherheitslandungen) mit Flugzeugen

@wernerhuss: Danke für Deine Einschätzungen und Infos, sehr interessant zu lesen!

Vielleicht geht das mit modernsten Simulatoren. Dazu müssen aber erst einmal die Daten für diese Flugzustände in die Simulatoren eingespielt werden. Wo sollen die Daten herkommen, erfliegen kann man das ja wohl nicht.

Aus meiner Zeit an der TU München kannte ich noch die Überlegungen von LH CF bzgl. zusätzliches Simulatortraining. Man hat sich da auch den Desdemona-Simulator in den Niederlanden angesehen der wohl der einzige ist der solche Flugzustände realistisch simulieren kann. Die Kosten dafür dürften allerdings enorm sein da er deutlich aufwendiger ist als jeder Hexapod.

http://www.desdemona.eu/desdemona.html
 
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Alternate oder Direct Law kommen ja erst wenn die Flugcomputer der Reihe nach ausfallen (aus welchen Grund auch immer). Ohne die gibt's auch kein Normal Law mehr. Bei der Air Asia wurden zwei Flugcomputer vorsätzlich über Sicherungen ausgeschaltet. Damit die Systeme wieder normal funktioniert hätten hätte man die betroffenen Computer nach dem Sicherungsreset über das Overheadpanel wieder aus- und einschalten müssen, dann hätte alles wieder normal funktioniert.

Soweit ich weiß kommt man aus dem Alternate Law nicht mehr zurück in das Normal Law im Flug, auch bei Reset von allen Computern. Im konkreten Fall hätten Sie den Autopiloten etc. aber wieder nutzen können.

Ich hatte in meiner Zusammenfassung (#5099 in diesem thread) geschrieben, dass der reset der FACs per Reset PB unterblieb, nachdem die FAC CBs wieder eingedrückt waren. Dadurch waren die FACs zwar wieder mit Strom versorgt, arbeiteten aber nicht, so dass es beim alternate law blieb. Dies teilt das ECAM der Besatzung auch mit - allerdings erst auf der zweiten Seite, da andere, nach ECAM-Logik wichtigere Dinge davor stehen. Dies ist auf S. 64 des Berichtes (S. 66 des pdf-Dokumentes) sehr gut dargestellt. Erst nach Abarbeiten der ersten 4 Punkte mit jeweiligem Druck auf die "clear"-Taste erscheint dann die Warnung FAC 1+2 FAULT mit der Anweisung zum reset. Nach dem Grundsatz "fly the aircraft first" unterbleibt das Abarbeiten des ECAM solange die Fluglage nicht unter Kontrolle ist, zumindest dann, wenn beide Piloten daran arbeiten.
Das Fliegen im Altenate Law unterscheidet sich durchaus von dem im Normal Law. Die Steuerung ist m.E. deutlich empfindlicher, gerade bei hoher Geschwindigkeit und großer Höhe. Man überkontrolliert sehr schnell. Das ist allerdings kein Grund, permanent am Stick zu ziehen.

Das wirklich schlimme ist, dass die beiden nicht in der Lage waren ein normal flugfähiges Flugzeug zu fliegen (selbst wenn es im Alternate Law ist). Selbst die Flight Directors waren zu Beginn zumindest da und hätten als Hilfe dienen können/sollen/müssen. Klar ist es ungewohnt dass der Flieger von alleine in die Kurve geht etc. und verursacht Stress. Aber das Alternate Law per se ist jetzt kein Grund den Flieger in den Stall zu ziehen (wie du ja auch schreibst).

Kritik darf (und muss) schon geübt werden, allerdings nur für die Aktionen am Anfang. Der (wahrscheinlich durch die Crew durchgeführte) CB reset war m.E. ein no no. Ebenso hätte die erste Querlage von 54° nicht passieren dürfen, genau wie das Ziehen bei der Korrektur der Querlage.
Als das Flugzeug dann den kontrollierten Flugzustand verlassen hatte, war die Besatzung in einem Bereich angekommen, für den sie nie trainiert worden war. Für die Tatsache, dass die Crew dann nicht mehr in der Lage war, das Flugzeug wieder in den Griff zu bekommen, muss Kritik, wenn überhaupt, sehr vorsichtig formuliert werden.

Naja ich weiß nicht so recht, hätten sie gleich das Stall Recovery Verfahren angewandt wäre auch nix schlimmeres passiert. Pull Down Kommandos des CM1 (der die Situation scheinbar besser verstanden hat als CM2) helfen vielleicht auch nicht so wirklich, weil sprachlich doppeldeutig (auch im Bericht erwähnt).

Erstens schießen die beiden sich (vermutlich durch das CB ziehen) ins Alternate Law ohne Autopiloten (weil FACs nicht gehen/kein reset gemacht wird), dann kommt die Querlage, welche nicht so so zum Totalverlust der Situational Awareness hätte führen dürfen und dann fliegen sie auch kein Stall Recovery Verfahren (welches das Wings Level miteinschließt). Bei Figure 26 war der Flugzustand praktisch wieder normal, Querlage weiter korrigieren und die Sache wär unter Kontrolle gewesen (auch bei Stick deflection um Wings Level zu halten) Bericht S.57
Das bei Werten wie + 40° Pitch + Stall Warnung weiter voll Ausschlag gezogen wird ist vermutlich wirklich nur durch absolute Überforderung/Panikreaktion/Loss of situational awareness zu erklären.

Dass man seinen Instrumenten bei normaler Pitch +Power (S.59) nicht glaubt (ergo kein Stall) ist ein bisserl nachvollziehbar.

Sowohl hier als auch bei AF447 geriet das Flugzeug durch unterschiedliche Anlässe ins Alternate Law. Bei beiden Flügen kam es leider dazu, dass dies zum Verlassen des kontrollierten Flugzustandes führte. Hier muss m.E. das Training ansetzen, um gar nicht erst in Fluglagen zu kommen, aus denen man erst mit einem guten upset-recovery-training wieder heraus kommt.

Naja zumindest im AirAsia Fall ist es ja nur dadurch soweit gekommen weil die Piloten es gerade nicht wie im Training gelernt gemacht haben. (Stichtwort TEM/SOP/etc.)

Wie immer ist es einfach alles aus dem fertigen Unfallbericht heraus zu kopieren und zu urteilen etc. Keiner weiß wie er reagiert hätte wenn er in dieser Situation gewesen wäre. Dass die Piloten so reagiert haben liegt am Training/Tagesform/Auswahl/und vielen anderen Faktoren. Hinterher weiß man es immer besser…
 
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Ist das üblich, dass Flugschüler alleine unterwegs sind, also ohne Fluglehrer an Bord?

Zumindest als ich 1974/75 an der Flugschule war, gab es das sowohl auf Bonanza als auch auf Baron. Nachdem wir auf der Bonanza den PPL-Check erfolgreich absolviert hatten wurden auch sog. Team-Flüge durchgeführt. Dies waren Flüge mit 2 Flugschülern ohne Fluglehrer, die für den Flug angesetzte Zeit wurde geteilt. Der Platzwechsel fand selbstverständlich nicht in der Luft statt, dafür wurde gelandet. Nebenbei konnten bei dieser Landung "physiological needs" (Kaffee trinken und Entwässern) erledigt werden. War schon recht kommod, damals. Auch in der zweiten Phase auf der Baron gab es einige solcher Flüge.

Ob es das heute noch gibt oder wie lange es das gab weiß ich nicht.

Werner
 
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Aus meiner Zeit an der TU München kannte ich noch die Überlegungen von LH CF bzgl. zusätzliches Simulatortraining. Man hat sich da auch den Desdemona-Simulator in den Niederlanden angesehen der wohl der einzige ist der solche Flugzustände realistisch simulieren kann. Die Kosten dafür dürften allerdings enorm sein da er deutlich aufwendiger ist als jeder Hexapod.

http://www.desdemona.eu/desdemona.html

Super Sache, dieser Simulator, zumindest wenn man sich die Webseite anschaut. Da gibt es auch upset-recovery-training für Linienpiloten, genau das, was wir brauchen:

http://www.desdemona.eu/products.html

Jetzt muss nur jemand die Notwendigkeit sehen, dass alle Piloten zumindest alle 5 Jahre da mal Erfahrung sammeln. Man muss ja nicht unbedingt durch Fehlbedienung in die upset-Fluglage kommen.

Das kostet Geld, und das muss in die Hand genommen werden, und zwar von allen Airlines. Und nun träumen wir weiter...

Werner
 
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Während unserer Ausbildung in PHX haben wir 1 Std Training auf einer einmotorigen Kunstflugmaschine bekommen, um stall and spin recovery zu trainieren. Wir sind also in den stall geflogen, bis die Maschine abkippte und ins Trudeln geriet. Dabei haben wir auch deutliche negative Nicklagen erlebt. Dies Trudeln war allerdings das sogenannte Steiltrudeln, wir sind nicht in den Zustand "Flugzeug fällt flach liegend" gekommen. Da wäre die Gefahr, ins sogenannte Flachtrudeln, also flach liegend mit Drehung um die Hochachse, zu kommen, zu groß gewesen. Aus dem Flachtrudeln wieder heraus zu kommen, ist je nach Flugzeugtyp sehr schwierig. Mit unseren einmotorigen Bonanzas und zweimotorigen Barons war das bewusst eingeleitete Trudeln laut Handbuch verboten (no intentional spins). Während meiner Zeit an der Flugschule gab es dort einen Totalverlust einer Baron, die ins Flachtrudeln geraten war. Leider kamen dabei zwei Flugschüler, die allein unterwegs waren, ums Leben.
Ob diese Stunde spin recovery heute noch zum Ausbildungsprogramm gehört, weiß ich nicht.

Ja, die gibt's noch. Zu meiner Zeit sind wir 2 x 1 Stunde Upset-Training mit einer F33C (Kunstflugversion der Bonanza) geflogen. Intentional Spins waren damit zwar nicht erlaubt, aber cross control stalls - dann leitet man halt nach einer Umdrehung wieder aus ;)
Mittlerweile gibt's 3 Upset-Missions, nun aber mit der G120. Insgesamt war das schon ne sehr interessante Erfahrung und deutlich lehrreicher als die andauernden klassischen Stalls, die man in normalen Missions fliegt. "unusual attitudes" wie nose high/low, high bank etc. werden auch auf normalen Flügen mit Fluglehrer auf der Bonanza sehr häufig trainiert. Auf der Citation gibt's das dann nur noch im Simulator.

Ist das üblich, dass Flugschüler alleine unterwegs sind, also ohne Fluglehrer an Bord?

Ja, Solos gibt's auch heute noch auf der Bonanza, allerdings keine Teamflüge mehr.

Um auf den AirAsia Crash zurück zu kommen: Im Zuge des AdamAir-Crashes (https://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Air_Flight_574) wollte die indonesische Luftfahrtbehörde eigentlich verbindlich Upset Recovery Training einführen (Seite 3 des Untersuchungsberichts: "On 10 March 2008, the DGCA informed the NTSC that in addition to requiring upset recovery training from 8 January 2008, the DGCA requires operators to include spatial disorientation and its effects in their syllabus of initial and recurrency training. The DGCA plans to ensure, through routine flying operations inspections, that operators and flying schools are complying with this requirement.")... Hat also vielleicht doch nen Grund, dass die Behörde in der EU "blacklisted" ist wegen mangelnder operational oversight?
 
Ja, Solos gibt's auch heute noch auf der Bonanza, allerdings keine Teamflüge mehr.
Ok, das überrascht mich jetzt, ich dachte LH-Piloten werden von Anfang an und konsequent auf 2-Mann-Cockpits getrimmt?

Wie lässig ist denn der Flugbetrieb in Phoenix, können da 2 Flugschüler einfach mal mit einem Fliegerchen nach Las Vegas düsen, so als Wochenend-Fun? (Entsprechende Berechtigung natürlich vorausgesetzt)
 
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Ok, das überrascht mich jetzt, ich dachte LH-Piloten werden von Anfang an und konsequent auf 2-Mann-Cockpits getrimmt?

Wie lässig ist denn der Flugbetrieb in Phoenix, können da 2 Flugschüler einfach mal mit einem Fliegerchen nach Las Vegas düsen, so als Wochenend-Fun? (Entsprechende Berechtigung natürlich vorausgesetzt)

Phoenix ist single pilot ops. Die Verfahren sind allerdings so geschrieben als gäbe es zwei Piloten, nur macht alle items ein und die selbe Person. Etwas schizophren ;) Die Citation-Ops in Bremen ist dann konsequent multi crew, wobei man halt das prinzipielle Framework aus Phoenix schon kennt.

Der Flugbetrieb in Phoenix ist alles andere als lässig (und das ist größtenteils auch gut so). Einen Flieger bekommt man nur um Missions aus dem Trainingssyllabus zu fliegen, Solos fliegt man nur mit unterzeichneter Solo Flight Order (die das genaue Routing, die Zeit etc. vorgibt) und nach einem individuellen Checkout für diesen speziellen Flug und so weiter. 2 Flugschüler allein in einem Flugzeug gibt's nicht, und nen Wochenendtrip nach Vegas kann man sich abschminken ;)
 
Hätte schlimmer ausgehen können. Zum Glück kein Personenschaden. Die Sachschäden lassen sich beheben. Wird nur aufwändig, den Flieger da weg zu bekommen...
 
Frage ist eher, ob man den alten Flieger wieder aufbaut oder als Ersatzteilspender für den Rest der Flotte nutzt.
 
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