Medical Emergency

Andy@MUC

Mitglied
Ich hätte da mal eine Frage. Es kommt ja durchaus mal vor das sich ein Passagier während eines Fluges plötzlich schlecht fühlt, aber die Schwere bzw. Akutheit der Beschwerden nicht sofort festgestellt werden können.
Nach welchen Kriterien entscheidet sich die Crew für einen ungeplanten Zwischenstopp?
Und was passiert beispielsweise wenn der Vorfall über Gebieten mit unzureichender medizinischer Versorgung passiert? (z.B. über Zentralasien oder Afrika)

Schon mal vorab vielen Dank!
 
Die Flugbegleiter sind 'nur' in erster Hilfe geschult (wir im Cockpit erhalten gar keine Schulung mehr, da wir ja deswegen nicht rauskommen dürfen) und können ausser den ersten Handgriffen nicht viel machen.

Daher wird in einem solchen Fall sofort ein 'Arzt oder medizinisch geschultes Personal' per Durchsage ausgerufen. Wenn wir vorne diese Ansage hören, läuft bei uns dann das volle Programm an, neues Wetter der umliegenden Flughäfen abrufen, evtl. schon mal Karten raussuchen und die Flughäfen bewerten, Kaffee austrinken, ...

Statistisch gesehen ist auf jedem Flug ein Arzt/Rettungssanitäter o.ä. an Bord, bei mir war das bisher auch immer so. Wenn der dann noch eine lebende Sprache spricht und nicht gerade Pathologe ist, ist eigentlich aus Sicht der Crew schon alles gelaufen.

Mit dem an Bord befindlichen First-Aid-Kit (großer Erste-Hilfe-Koffer) und dem Doctor's-Kit (Koffer mit Infusionen, vielen Medikamenten, Utensilien zum Beatmen etc.) ist bei den 'gängigen' Reise-Gebrechen (Herz-Kreislauf-Probleme, leichte Verletzungen, etc.) eine ordentliche Erstversorgung möglich. Inzwischen sind auch unsere Kurzstrecken-Flieger alle mit einem automatischen Defibrilator ausgestattet (LH).

Auf den Langstreckenfliegern gibt es zusätzlich die Möglichkeit, über Satelliten-Telefon mit einem medizinischen Call-Center Kontakt aufzunehmen, falls kein Arzt an Bord ist oder dieser Rücksprache halten möchte.

Sollte entweder der Arzt zu einer baldigen Landung raten oder kein Arzt an Bord sein, so entscheidet der Kapitän unter Abwägung aller Aspekte, wann und wo gelandet wird. Leider ist es m.W. nach momentan noch nicht möglich, einen eventuellen Ausweichflughafen gezielt nach medizinischen Kriterien auszuwählen, was sehr schade ist. Denn es wäre gerade in schwach entwickelten Gebieten sicherlich sinnvoller 20 Minuten weiter zu fliegen, wenn man damit verhindern kann, dass der Patient 2 Stunden mit dem Krankenwagen über die Felder hopsen muss.

Auf Langstrecke ist die ganze Situation natürlich grundsätzlich verzwickter, denn auf dem Wasser geht erstmal ein paar Stunden garnichts mit Landen, Afrika und Sibirien sind nicht viel besser. Und wenn man nicht sicher sein kann, dass man irgendwo heil runter und wieder wegkommt, dann muss das 'Einzelschicksal' leider zurückstehen.

Gesundheit, MAX reverse
 
Ich hätte da mal eine Frage. Es kommt ja durchaus mal vor das sich ein Passagier während eines Fluges plötzlich schlecht fühlt, aber die Schwere bzw. Akutheit der Beschwerden nicht sofort festgestellt werden können.
Nach welchen Kriterien entscheidet sich die Crew für einen ungeplanten Zwischenstopp?
Und was passiert beispielsweise wenn der Vorfall über Gebieten mit unzureichender medizinischer Versorgung passiert? (z.B. über Zentralasien oder Afrika)

Schon mal vorab vielen Dank!

Hallo Andy,

die Besatzung ist in erster Hilfe Trainiert, und bei uns z.B. hat die Besatzung Guidelines um bestimmte Symptome richtig zu deuten. Die Besatzung wird als erstes feststellen was dem Passagier fehlt, ggfs auch in Landessprache sofern ein Crewmitglied die Spache spricht. Anhand der ersten Diagnose wird versucht den Passagier zu stabilisieren. Zeitgleich wird eine Boardansage gemacht, um herauszufinden ob ein Mediziner an Bord ist. Ebenfalls wird das Cockpit Informiert. Sollte ein Doktor an Bord sein wird er normalerweise die Versorgung und weitere Diagnose übernehmen. Je nach schwere gibts nun mehrere Möglichkeiten. Wenn keine Akute Gefahr besteht wird der Flug fortgesetzt und nach der Landung wird der Passagier vom Medizinischen Personal am Flughafen in Empfang genommen. Sollte sich der Zustand während des Fluges verschlechtern gibt es ein so genanntes Doktor's Kit an Bord. Dieses darf nur an einen qualifizierten Doktor herausgegeben werden und befindet sich normaleweise im Cockpit. Sollte der Arzt es für nötig halten zum wohle des Passagieres unverzüglich zu landen werden wir das ebenfalls machen. Normalerweise wird die Cockpitcrew versuchen mit dem Arzt die Situation zu anlysieren und danach wird die Entscheidung getroffen. Wie du schon richtig geschrieben hast gibt es gegenden auf unsere Erde die nicht ganz so günstig sind. Allerdings befinden sich meisstens Grössere Flughäfen die aussreichend Lange Landebahnen haben um einen Langstrecken Jet starten und landen zu lassen entweder in Umgebung grosser Städte oder in der Nähe von Militärbasen. Beide haben normalerweise die besten Möglichkeiten zur Medizinischen Versorgung in den Gegebenen Umständen. Natürlich können wir auch ATC fragen ob sie Helfen können, da sie vielleicht einen Flughafen mit guter Medizinischer versorgung empfehlen können. In erster Linie geht es ja in dem Moment darum das Leben des Passagiers zu Retten.

Gruss
SR-71


Da war Max wohl schneller .......
 
Zuletzt bearbeitet:
Lufthansa arbeitet dabei übrigens seit 2003 mit 'International SOS' zusammen, einem Dienstleister der rund um die Uhr medizinischen Support anbietet. Eine Gruppe von geschulten Notärzten die bestens über die medizinische Ausstattung in Lufthansa Flugzeugen informiert sind, können von Bord aus via SAT-Telefon kontaktiert werden und beratend den Flugbegleitern oder dem Arzt an Bord zur Seite stehen. Sie verfügen über Alarmzentralen auf der ganzen Welt und über eine umfangreiche Datenbank zu den medizinischen Einrichtungen an allen möglichen Airports rund um den Globus.
 
Dieses darf nur an einen qualifizierten Doktor herausgegeben werden und befindet sich normaleweise im Cockpit.


Sehr interessanter Thread mit tollen Antworten. Nur das obige Zitat hat mich gerade stutzig gemacht. Heißt das ein Terrorist muss auf krank machen, der andere auf Doktor und dann geht die Cockpittüre auf?
 
Kommt offensichtlich auf die Airline an. Fragen zu den Stauorten von Emergency-Equipment legt im Zweifelsfall die jeweilige Aufsichtsbehörde fest.

Bei uns war das Doctor's Kit allerdings schon immer in der Kabine, während anderes Equipment nach 9/11 genau aus diesem Grund umgestaut wurde.

Gruß MAX

PS. Kleine Anekdote zum Thema: Flug MUC-KBP mit den beiden Klitschko-Brüdern an Bord. Die Purserette ist ziemlich sensibel beim Thema 'Medical' und fragt beim Einsteigen jeden Passagier, der auf der Passagierliste mit Dokor-Titel steht, ob er ihr denn im Notfall helfen könnte.

So fragt sie auch Dr. Vitali Klitschko, der Doktor der Sportwissenschaften ist, was für ein Doktor er denn sei. Daraufhin antwortet dieser mit breitem Grinsen: Iiich biiin Anääästhesiiiist;D .

Leider hat die Gute den Scherz nicht verstanden, wir mussten aber mindestens bis Kiew darüber schmunzeln. Scheinen übrigens 2 sehr sympathische Menschen zu sein.
 
Wer betreut denn eigentlich das Doctor's Kit bzw. die Erste Hilfe Kästen (ggf. auch AED-Geräte)? Da ja verschiedene Dinge ablaufen bzw. ja auch nicht ohne weiteres zu bekommen sind!
 
Doctors Kit und First Aid Kit werden routinemäßig gewechselt.(Zeitablauf)
Glaube die Kits der LH werden in Passau kontrolliert und die Sachen ausgetauscht.
 
Sehr interessanter Thread mit tollen Antworten. Nur das obige Zitat hat mich gerade stutzig gemacht. Heißt das ein Terrorist muss auf krank machen, der andere auf Doktor und dann geht die Cockpittüre auf?

Hallo Yogibaer :)

na also ganz so einfach ist das dann nun auch nicht. Der Doktor muss sich dann schon als solcher Ausweisen und das nicht nur mit einem Dr. med vor dem Namen auf der Passagierliste. :) Cockpit Türen werden auch nach wie vor auch während des Fluges geöffnet. Allerdings nur auf die Crewmitglieder beschränkt (zumindestens bei uns). Das Sesam öffne Dich Procedure bleibt aber den Airlines bzw der Crew selbst überlassen.

@MaxReverse!

Der Aufbewahrungsort des Doctors Kit mag von der Company abhängig sein oder vom Muster. Bei unseren A320 sind die Kits auch in der Kabine untergebracht. Auf A330 und A340 ist das Kit allerdings im Cockpit. Geöffnet werden darf es allerdings nur von einem Arzt.

Gruss
SR-71
 
Nur zum besseren Verständnis, es gibt neben dem Doctors-Kit an Bord natürlich noch eine stinknormale Bordapotheke mit den wichtigsten Dingen wie nicht verschreibepflichtigen Alltagsmedikamenten, Pflaster und Verbandsmaterial etc.

Wie läuft das eigentlich wenn die Technik an Bord gerufen wird (nachdem ein Doctorskit geöffnet werden musste) um den Koffer wieder zu verplomben ? Füllt sie dabei die verbrauchten Dinge vor Ort wieder auf, oder wird direkt der ganze Koffer getauscht ?
 
Wie läuft das eigentlich wenn die Technik an Bord gerufen wird (nachdem ein Doctorskit geöffnet werden musste) um den Koffer wieder zu verplomben ? Füllt sie dabei die verbrauchten Dinge vor Ort wieder auf, oder wird direkt der ganze Koffer getauscht ?

Das ganze Doctor's Kit wird getauscht.

Übrigens darf unser Docotor's Kit auch von der Kabinenbesatzung geöffnet werden, die Medikamente sind unterschiedlich gekennzeichnet.
Manche dürfen auch von der Kabinenbesatzung/ärztl. Hilfspersonal auf Anweisung eines Arztes verabreicht werden (z.B. nach tel. Rücksprache per SAT-Com), andere nur persönlich durch einen Arzt.

Gruß, MAX
 
Nur zur Klarstellung:
Das Doctor´s Kit ist im A330/A340 (zumindest bei LH) in der Kabine untergebracht.
(Osama braucht sich also keine Hoffnungen zu machen, auf diese Weise kommt er nicht ins Cockpit.)

Viele Grüße

Werner
 
Zuletzt bearbeitet:
bei LH kann man sich ja als Arzt registrieren, was ich als recht komfortable Lösung ansehe. So kennt die Crew schon vorab, ob und ggf wo (und welche Fachrichtung - siehe Nickname;D ) ein Medziner sitzt und muß nicht die gesamte Kabine auf das "Ereignis" "hinweisen". Leider hats mich vor 3 Wochen nach ATL selbst erwischt. BTW: Kompliment an die Crew, die haben alle super mitgearbeitet: Aus dem Cockpit kam gleich die Mitteilung, dass der nächste Apt erst in 2 Stunden zu erreichen sei. Cabincrew hat den Pat. schon in Schocklage gebracht bis ich eintraf. Mit der doch ganz akzeptablen Ausstattung des Doctors-Kit ließ sich der Pax aber ganz gut stabilsieren, sodass ich mich gegen eine Zwischenlandung entschieden habe ;)
 
@gasmann

mich würde mal interessieren, was im Kit so alles drin ist. Flieg zwar auch viel, aber irgendwie hab ich eine so heilende Aura ;D, dass ich nie helfen darf/muss. Auf gut deutsch bis auf die üblichen "mir wird schlecht, weil es wackelt" Geschichten geht auf meinen Flügen nix.

Grüße

schocky (Gaspfleger) ;)
 
Hallo,

mal ne Frage dazu: Wie oft kommt so eine Zwischenlandung aus medizinischen Gruenden vor?

Verwandtschaft von mir hat dies bereits erlebt auf einem Flug "irgendwo" nach Spanien, und mussten wegen einem manisch-depressiven Passagier, der sich nicht mehr beruhigen liess in Paris zwischenlanden. Meine Verwandtschaft ist bereits in ihrem Leben "nur" ca. 50 mal geflogen.

Ich selbst habe nun ueber 70 Fluege hinter mir und habe es erst einmal erlebt, dass eine solche Durchsage kam, allerdings mussten wir nicht unvorhergesehen landen.

Und gleich noch ne zweite Frage hinterher:
Welche Kosten kommen da auf den Passagier zu? Ich nehme an, das ist abhaengig vom jeweiligen Flughafen usw? Uebernimmt sowas ne Auslandskrankenversicherung? In dem erwaehnten Fall vermute ich mal eher nein, da es wohl als grob fahrlaessig eingestuft wird, denn der Passagier hatte seine Medikamente nicht dabei und auch nicht genommen ...

Danke und Gruss,
FAAG
 
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