Licht und Schatten...
Wer das Glück hatte, einen Job bei einer großen Airline 'aus der ersten Reihe' landen zu können, der wird zumindest aktuell halbwegs zufrieden sein. Auf welchem Weg und unter welchen Mühen der einzelne dorthin kam weiss man jedoch meist nicht.
Auch wenn das für viele - vor allem nicht-Informierte - nach Jammern auf hohem Niveau klingt, so ist der Trend in der europäischen Fliegerei klar erkennbar: Es geht :thbdwn: Da man realistischerweise nicht nur das hier und jetzt betrachten kann, sondern den gesamten Karriere-Verlauf über die nächsten 30 bis 40 Jahre, ist eine Prognose schwierig.
Meine Meinung: Wenn man heute überhaupt noch einem jungen Menschen dazu raten kann, diesen Weg zu gehen dann nur unter folgenden Bedingungen:
- Vorfinanzierung der Ausbildung durch eine Airline nach einem Modell à la LH. Auch hier wird inzwischen ein erheblicher Anteil der Ausbildungskosten vom Bewerber getragen, aber erst nachdem er nach Ausbildungsende eine Anstellung gefunden hat. Sollte es zu keinem Arbeitsvertrag kommen, erlischt nach einigen Jahren der Anspruch. Alles andere führt in einer zunehmenden Anzahl von Fällen direkt in die Privat-Insolvenz mit 23 Jahren und +120 k€ Schulden.
- Ein zweites berufliches Standbein muss her. Wenn schon vorhanden gut, ansonsten während der zwangsläufig stattfindenden Wartezeiten in der Ausbildung oder direkt danach. Die nach Ende der Ausbiludng überreichte 'Pappe' entspricht nicht einmal einer abgeschlossenen Berufsausbildung und so kann man sich im Falle eines Falles (Firma pleite, Medical weg, etc.) auf dem Arbeitsamt ganz hinten anstellen.
- Freundet Euch mit dem Worst-Case-Szenario an. Auch wenn ich kein Verschwörungstheoretiker bin, glaube ich kaum, dass in Anbetracht schwindender Ölvorräte das 'sinnlose' Fliegen und damit das 'Neuer Markt' ähnliche Wachstum der Fliegerei noch lange weitergehen wird. Fliegen ist einfach zu billig geworden.
Sollte der Markt aber stagnieren oder deutlich schrumpfen wird das auf die Karriere Auswirkungen haben. Ich denke wir gehen hier auf amerikanische Verhältnisse zu, wo 40 jährige FOs (wie ich) eher die Regel denn die Ausnahme sind und mancher Kollege mangels Bedarf nie Captain werden wird. All das schreibt natürlich keine Airline und keine Flugschule in den Hochglanz-Broschüren.
- Das soziale Umfeld muss sich mit den Nachteilen des Berufs arrangieren können. Klar sind andere Berufsgruppen auch mal weg, aber nur bei wenigen besteht die Gefahr regelmässig Weihnachten, Kindergeburtstage, etc. verpassen zu müssen. Vom Stammtisch und dem Sportverein garnicht zu reden. Ist man jung, alles kein Problem. Wenn aber erst mal die Familie da ist, sieht die Welt anders aus.
Der Markt ist total übersättigt. Es wimmelt vor Newbies die neben der Ausbildung auch noch das Typerating bezahlen, im europäischen Ausland sind auch die P2F-Schemes (Pay to Fly) schwer in Mode, um nach dem Typerating noch das selbstbezahlte Linetraining zu fliegen und mit ein paar hundert Stunden on type für mögliche Arbeitgeber 'interessanter' zu werden.
Am anderen Ende der Skala finden sich hocherfahrene Kollegen mit tausenden Stunden im Flugbuch, deren Arbeitgeber über den Jordan gegangen sind. Alles in allem schlechte Bedingungen, um als Berufsanfänger einen anständig bezahlten Job in der zweiten oder dritten Reihe zu finden und von dort aus seien Weg zu gehen, so wie es früher üblich war.
Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Die Gesamt-Bilanz ist für noch positiv, unter den o.g. Bedingungen würde ich es auch nochmal machen oder meinen Kindern ggf. dazu raten. Für verklärte Flieger-Romantik ist in unserer knallhart durch-globalisierten Welt aber kein Platz mehr.
Viel Spaß beim Entscheiden...
MAX reverse
PS: Bei der Flugsicherung gibt es auch gut bezahlte Jobs im 'Aviatik-Segment', die Auswahl ist annähernd identisch und man ist jeden Abend zu Hause...