Seid ihr zufrieden?

manfredo

Mitglied
Liebe Piloten,
ich habe eine ganz simple Frage an euch: Ist der Beruf euer Traumberuf oder langweilt er euch mehr als er Freude bereitet? Kurzum, seid ihr zufrieden mit eurer Berufswahl?

Ich bin ein LH-Aspirant und mich würde hier einfach die Meinung richtiger Piloten interessieren, bei denen der Beruf schon zur Routine geworden ist und die somit weniger "euphorisch" auf ihren Beruf blicken, als noch in der Bewerbungsphase oder Ausbildung.

Ich würde mich auf eure Antworten freuen.
Grüße, manfredo
 
Licht und Schatten...

Wer das Glück hatte, einen Job bei einer großen Airline 'aus der ersten Reihe' landen zu können, der wird zumindest aktuell halbwegs zufrieden sein. Auf welchem Weg und unter welchen Mühen der einzelne dorthin kam weiss man jedoch meist nicht.

Auch wenn das für viele - vor allem nicht-Informierte - nach Jammern auf hohem Niveau klingt, so ist der Trend in der europäischen Fliegerei klar erkennbar: Es geht :thbdwn: Da man realistischerweise nicht nur das hier und jetzt betrachten kann, sondern den gesamten Karriere-Verlauf über die nächsten 30 bis 40 Jahre, ist eine Prognose schwierig.

Meine Meinung: Wenn man heute überhaupt noch einem jungen Menschen dazu raten kann, diesen Weg zu gehen dann nur unter folgenden Bedingungen:


  • Vorfinanzierung der Ausbildung durch eine Airline nach einem Modell à la LH. Auch hier wird inzwischen ein erheblicher Anteil der Ausbildungskosten vom Bewerber getragen, aber erst nachdem er nach Ausbildungsende eine Anstellung gefunden hat. Sollte es zu keinem Arbeitsvertrag kommen, erlischt nach einigen Jahren der Anspruch. Alles andere führt in einer zunehmenden Anzahl von Fällen direkt in die Privat-Insolvenz mit 23 Jahren und +120 k€ Schulden.
  • Ein zweites berufliches Standbein muss her. Wenn schon vorhanden gut, ansonsten während der zwangsläufig stattfindenden Wartezeiten in der Ausbildung oder direkt danach. Die nach Ende der Ausbiludng überreichte 'Pappe' entspricht nicht einmal einer abgeschlossenen Berufsausbildung und so kann man sich im Falle eines Falles (Firma pleite, Medical weg, etc.) auf dem Arbeitsamt ganz hinten anstellen.
  • Freundet Euch mit dem Worst-Case-Szenario an. Auch wenn ich kein Verschwörungstheoretiker bin, glaube ich kaum, dass in Anbetracht schwindender Ölvorräte das 'sinnlose' Fliegen und damit das 'Neuer Markt' ähnliche Wachstum der Fliegerei noch lange weitergehen wird. Fliegen ist einfach zu billig geworden.
    Sollte der Markt aber stagnieren oder deutlich schrumpfen wird das auf die Karriere Auswirkungen haben. Ich denke wir gehen hier auf amerikanische Verhältnisse zu, wo 40 jährige FOs (wie ich) eher die Regel denn die Ausnahme sind und mancher Kollege mangels Bedarf nie Captain werden wird. All das schreibt natürlich keine Airline und keine Flugschule in den Hochglanz-Broschüren.
  • Das soziale Umfeld muss sich mit den Nachteilen des Berufs arrangieren können. Klar sind andere Berufsgruppen auch mal weg, aber nur bei wenigen besteht die Gefahr regelmässig Weihnachten, Kindergeburtstage, etc. verpassen zu müssen. Vom Stammtisch und dem Sportverein garnicht zu reden. Ist man jung, alles kein Problem. Wenn aber erst mal die Familie da ist, sieht die Welt anders aus.
Der Markt ist total übersättigt. Es wimmelt vor Newbies die neben der Ausbildung auch noch das Typerating bezahlen, im europäischen Ausland sind auch die P2F-Schemes (Pay to Fly) schwer in Mode, um nach dem Typerating noch das selbstbezahlte Linetraining zu fliegen und mit ein paar hundert Stunden on type für mögliche Arbeitgeber 'interessanter' zu werden.

Am anderen Ende der Skala finden sich hocherfahrene Kollegen mit tausenden Stunden im Flugbuch, deren Arbeitgeber über den Jordan gegangen sind. Alles in allem schlechte Bedingungen, um als Berufsanfänger einen anständig bezahlten Job in der zweiten oder dritten Reihe zu finden und von dort aus seien Weg zu gehen, so wie es früher üblich war.

Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Die Gesamt-Bilanz ist für noch positiv, unter den o.g. Bedingungen würde ich es auch nochmal machen oder meinen Kindern ggf. dazu raten. Für verklärte Flieger-Romantik ist in unserer knallhart durch-globalisierten Welt aber kein Platz mehr.

Viel Spaß beim Entscheiden...

MAX reverse

PS: Bei der Flugsicherung gibt es auch gut bezahlte Jobs im 'Aviatik-Segment', die Auswahl ist annähernd identisch und man ist jeden Abend zu Hause...
 
In Addition zu Max' Alternativvorschlag, ich habe mich auch nach langem Überlegen gegen den Pilotenjob entschieden, weil ich ihn als zu familienfeindlich einstufte und ging dann in den technischen Bereich. Ich hab vor kurzem erst noch was gelesen, wo es um Testpiloten mit abgeschlossenem Ingenieursstudium ging, vielleicht eine Idee.
 
Ok, wie ich die Aussage von Max interpretiere, verschlechtert sich in erster Linie das Arbeitsumfeld, trotzdem würde er den Beruf Interessenten nach wie vor empfehlen, allerdings nur unter seinen genannten Bedingungen bei großen, renommierten Fluggesellschaften.
Auf mich treffen die besagten Umstände eigentlich alle zu. Ein Job als Pilot kommt nurmehr für mich als Nachwuchskraft der Lufthansa oder Swiss in Frage. Falls diese mich nicht wollen, hat sich das Thema für mich erledigt.

Meine ursprüngliche Absicht mit dieser Thread-Erstellung war allerdings von Piloten zu erfahren, welche Umstände ihres Berufes sie im Vorfeld weniger beachtet haben bzw. unterschätzt haben und mit denen sie nun unerwartet stark zu kämpfen haben (z.B. die psychische Belastung aufgrund der Verantwortung, die man als Pilot für hunderte Menschenleben trägt). Oder ob ihre Erwartungen erfüllt wurden, sie den absolut richtigen Beruf für sich gefunden haben und ob vielleicht sogar gar positive Eigenschaften dazugekommen sind, die man vorher nicht auf der Liste hatte.
Ich als Bewerber bin stark daran interessiert, mir ein so klares Bild wie möglich von meinem potentiellen zukünftigen Broterwerb zu machen.

Es geht mir weniger um Alternativen - diese sind sowieso schwierig zu finden für einen Bewerber, der gerade das dynamische Umfeld und die Abwechslung im Pilotenberuf schätzt.
 
Ich war zufrieden, jedenfalls mit der Fliegerei ...
keine Familie, keine Kinder ... später fand sich ein Mädel, das hat durchgehalten ...
für den Job muß man ein weinig verrückt sein
 
Hallo Navigator,
du warst und bist nun nicht mehr zufrieden mit der Fliegerei? Der Grund ist ein Mädel? Wäre klasse, wenn du das noch ein bisschen ausführlicher erklären könntest.
Ich stehe in einer Beziehung und war bislang der Meinung, dass der Beruf keine unüberbrückbaren Schwierigkeiten für eine gesunde Beziehung darstellen würde...
 
Hallo Navigator,
du warst und bist nun nicht mehr zufrieden mit der Fliegerei? Der Grund ist ein Mädel? Wäre klasse, wenn du das noch ein bisschen ausführlicher erklären könntest.
Ich stehe in einer Beziehung und war bislang der Meinung, dass der Beruf keine unüberbrückbaren Schwierigkeiten für eine gesunde Beziehung darstellen würde...
Heh manfredo,
... ich war zufrieden mit dem Job, das "Drumherum" hat mir nicht gefallen (ich war bei Interflug und die gibt es seit 1991 nicht mehr)
.... mein (letztes) Mädel ist prima, seit 1975
yes.gif
man muß nur die "Richtige" finden

Ich wünsche Dir eine schöne Zeit und liebe, verständnisvolle Menschen ...

... und gründlich lesen, was Max geschrieben hat ...
Ich hatte es damals leichter aber mein eigentliches Ziel - Pilot - habe ich auch nicht erreicht ... mangels "Beziehungen"
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann mich Max im Grunde anschließen, mit einer Ausnahme: Ich würde es mit Wissen aus 2012 keinem mehr empfehlen.
Die Bandagen werden härter, sei es Firma-Personal oder auch Personal untereinander. Ich fliege jetzt seit 10 Jahren für Geld, bin aktuell mit der Situation zufrieden. Nichts desto trotz sehe ich für unseren Berufsstand eher schwarz.
Man schaue nur mal nach Österreich. Dort wurde vollzogen, was in der Schweiz bei Swiss noch bevorsteht. Als nächstes sind dann wir dran. Bei uns hat man mit Berlin und im Kleinen den Anfang schon gemacht. Air France wird das gleiche machen, Iberia ist gerade dabei. Die Tendenz ist klar. Es dreht sich nur und ausschließlich um den Preis. Anstatt den Kunden an ein Preisniveau zu gewöhnen, das rentabel ist, veruscht man den vom Kunden diktierten Preis zu matchen. Das geht so lange, bis man alles von sich strecken muss. Es kommt kein Geld mehr rein.

Ich behaupte mal, dass man die LH in 5 Jahren in dieser Form nicht mehr kennt. Es wird zwei Airlines geben. Eine Interkont und eine Kont. Die Kont-Leute werden zu wesentlich schlechteren Bedingungen fliegen als sie es heute tun. Und im Interkont-Bereich wird das nicht anders sein.
Kont muss sich dem Feind "LoCo" stellen, Interkont dem Feind "Wüste/Asien". Damit wird man auch die nächsten Jahrzehnte Druck auf die Belegschaft aufbauen, dazu wird noch die ein oder andere "nie dagewesene" Kirse kommen. Das alles wird uns das Leben schwer machen.
Dazu kommen noch einige "Kollegen", die uns die ganze Karriere mit dem noch zusätzlich versauen bzw. versaut haben.
Es wird keine Solidarität mehr geben, da- wie man es ja an diesen "Kollegen" gesehen hat- jeder nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist. Die Kosten in diesem exemplarischen Fall tragen nun 5800 andere Kollegen, weil 5 "Kollegen" nicht wissen, was sie mit ihrer neu gewonnen Freizeit anstellen sollen (es hätte VC Retirement-Seminare gegeben...).

Unter dem Strich muss ist sagen, dass ich zwar froh bin, dass es aktuell noch(!) so ist, wie es ist, aber der Verfall in den letzten 10 Jahren ist deutlich zu merken. Ich wage nicht, das Ganze auf die nächsten 20-30 Jahre hochzurechnen.
Lässt für mich aber den Schluss zu, dass ich es wohl in diesem Umfeld- fliegen macht immer noch Spaß(!)- nicht mehr machen würde und auch aktuell niemandem mehr empfehlen würde.

Viele Grüße aus Südamerika
(man möge mir evtl. Fehler verzeihen, der Kopf ist noch etwas Balla Balla).
 
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Vorfinanzierung der Ausbildung durch eine Airline nach einem Modell à la LH. Auch hier wird inzwischen ein erheblicher Anteil der Ausbildungskosten vom Bewerber getragen, aber erst nachdem er nach Ausbildungsende eine Anstellung gefunden hat. Sollte es zu keinem Arbeitsvertrag kommen, erlischt nach einigen Jahren der Anspruch. Alles andere führt in einer zunehmenden Anzahl von Fällen direkt in die Privat-Insolvenz mit 23 Jahren und +120 k€ Schulden.

Da muss ich mal kurz zwischenfragen: Welche Airlines bieten die Ausbildung nach dem gleichen bzw. einem ähnlichen Muster wie die Lufthansa an?:confused:
 
@Flaps full

Danke für deine Einschätzung.
Du hast mich allerdings schon verunsichert. Würdest du es tatsächlich niemandem mehr empfehlen Pilot zu werden oder war dein Beitrag mehr aus einer Laune heraus, nach einem langen Arbeitstag mit den AUA-Geschehnissen im Hinterkopf?
Ich sehe die aktuelle Situation schon auch, doch frage ich mich: Gibt es nicht naturbedingte Fluktuationen, die es auszuhalten gilt? Platt gesagt: Wird der Berufsstand nicht eher gestärkt durch die wachsende Weltbevölkerung und die größere Nachfrage nach Flügen?
Du würdest mir also wirklich davon abraten, meinen Berufswunsch weiter zu verfolgen und das obwohl ich, wie empfohlen von MAX, ein zweites berufliches Standbein in Form eines Studiums vorzuweisen habe?

Gruss, manfredo
 
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Hi,

es gäbe evtl. die Ausnahme, wenn 1. das Ganze bei LH statt findet, 2. Du in der Tat das zweite Standbein hast und da versuchst nach dem Anfangsstress in der Fliegerei up to Date zu bleiben, und 3. Du Dir keine Illusionen machst!
Der Beitrag war meine Einschätzung der Situation, nicht aus einer Laune heraus. AUA zeitg nur auf, auf was wir uns in der Fliegerei früher oder später einstellen müssen. Fliegen ist nichts mehr auch nur im Ansatz Exklusives auf das man sich lange freut. Fliegen ist Massentransport wie Bus oder Bahn. Da wird keine Position mehr gestärkt.
Erwartungen von Passagieren billiger in die USA fliegen zu können als man mit der Bahn von HAM nach MUC fahren kann, haben die Fliegerei dazu gebracht wo sie jetzt steht (einige Airlines am Abgrund, weil man natürlich versucht die Preisvorstellungen zu matchen).
Dazu, speziell in D, die ablehnende Haltung in der Bevölkerung und in der Politik trägt nicht gerade dazu bei, es den Airlines einen Tick einfach zu machen. Die Bevölkerung kann Airlines entweder nicht leiden, oder versucht noch durch ein zweites mal umsteigen auch den letzten Euro rauszuquetschen (oder mit anderen Tricks den Preis zu dumpen, weil in den Augen einiger Leute Ailrines Verbrecher sind, die die Passagiere bescheissen und dann macht man das selbstverständlich auch umgekehrt), während die Politik den Airlines weiter Steine in den Weg legt.
Schau Dir doch aktuell das Deaster um MUC an und dann schlielst Du mal rüber nach VIE.

Ich möchte Dir, wie gesagt, nicht explizit dazu raten, Deinen Berufswunsch weiter zu verlofgen oder es zu lassen. Dazu kenne ich Deine persönliche Situation nicht, und die paar Zeilen langen einfach nicht um eine Einschäztung zu treffen.
Wenn es bei LH nicht klappt, würde ich aber zu 100% sagen: Lass´ es!

Gruß aus SE-Asia
 
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Ok, gut, dass du das noch etwas relativiert hast. Ich bin nämlich immer noch davon überzeugt, dass es bei der LH nicht so schlecht sein kann, auch wenn ich deine Argumentation absolut nachvollziehen kann.
Die erste Stufe im Bewerbungsverfahren ist über- und bestanden und ich muss schon sagen, dass es für mich das höchste aller Gefühle im Moment wäre, dort in die Ausbildung gehen zu dürfen...

Da muss ich mal kurz zwischenfragen: Welche Airlines bieten die Ausbildung nach dem gleichen bzw. einem ähnlichen Muster wie die Lufthansa an?:confused:

Die Lufthansa steht da mit ihrem Bewerbungs- und Ausbildungsprogramm allein auf weiter Flur im deutschsprachigen Raum. Der große Vorteil ist, dass man keinerlei finanzielle Risiken eingeht und seinen Eigenanteil der Ausbildung (60.000€) nur im Falle einer Übernahme nach der Ausbildung (was garantiert ist) berappeln muss - im Gegensatz zu beispielsweise Air Berlin. Als einzige Alternative bietet sich eigentlich nur die Swiss an, wobei ich das Prozedere dort nicht so gut kenne.

Viele Grüsse, manfredo
 
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