Kurze Frage, kurze Antwort

Sind Turboprob Flugzeuge eigentlich anfälliger für Vereisung als welche mit "Strahltriebwerken"?
Mich bringt aktuell das Continental DHC8 Unglück auf diese Frage. Wenn ja, woran liegt das?
Wie kündigt sich beispielsweise bei einen FBW Flugzeug ein Tail Stall an? Vibrationen im Yoke sind hier ja nicht möglich, werden im Zusammenhang mit Turboprop Flugzeugen aber als eindeutiger Indikator für einen Tail Stall erwähnt.

Grüße , Pit
 
Sind Turboprob Flugzeuge eigentlich anfälliger für Vereisung als welche mit "Strahltriebwerken"?
Mich bringt aktuell das Continental DHC8 Unglück auf diese Frage. Wenn ja, woran liegt das?
Wie kündigt sich beispielsweise bei einen FBW Flugzeug ein Tail Stall an? Vibrationen im Yoke sind hier ja nicht möglich, werden im Zusammenhang mit Turboprop Flugzeugen aber als eindeutiger Indikator für einen Tail Stall erwähnt.

Grüße , Pit
Am besten den Beitrag 2201 von Max (Zusammenfassung) lesen und dann die beiden im Folgebeitrag 2202 von mir verlinkten NASA - Lehrvideos anschauen.
Kleine Antwort, aber lange Videos... :whistle:
 
Ganz klar JA! Schon deswegen, weil die 'Heuwender' nicht so hoch fliegen können und sich somit in Bereichen, wo es 'noch Wetter gibt' bewegen. Außerdem sind sie von den anti ice/deice-Möglichkeiten nicht so gut ausgestattet (Jets haben beispielsweise die Möglichkeit die Tragflächen mit der heißen Luft aus den Triebwerken oder Heizmatten zu beheizen, 'Heuwender' haben 'nur' diese boots (aufblasbaren Gummilippen).

Allerdings ist es auch für jets ein no go in Gebiete mit severe icing conditions einzufliegen. Es gab mal eine Untersuchung des DLR und der Uni Hannover, wo herausgefunden wurde, dass z.B. in Gebieten mit "Supercooled Large Droplets" (unterkühlter Regen) der Eisansatz mit bis zu 4mm/sec! wächst.

Die Auswirkungen kann sich sicherlich jeder vorstellen!
 
Wie kündigt sich beispielsweise bei einen FBW Flugzeug ein Tail Stall an? Vibrationen im Yoke sind hier ja nicht möglich, werden im Zusammenhang mit Turboprop Flugzeugen aber als eindeutiger Indikator für einen Tail Stall erwähnt.

Das Thema Tailplane Icing ist sicherlich kritischer als es auf den ersten Blick scheint. Erschwerend kommt hinzu, dass (wohl aufgrund der Lobby-Aktivitäten der Hersteller) die Zulassungsvorschriften auch heute noch konsequent wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Icing der letzen 40 Jahre negieren.

So ist z.B. der Stabilizer (Höhenleitwerk) beim A320 wie bei allen anderen Airbussen überhaupt nicht enteist. Wenn man nun im winterlichen Anflug Eis aufpackt, weiß man genau dass man dieses bis zur Landung nicht mehr los wird und somit im aerodynmisch kritischen Langsamflugbereich mit einem an der Vorderkante vereisten Stabilizer landen muss.

Die meisten Turboprops hingegen haben eine Enteisungsanlage für den Stabi, allerdings wohl eher der Tatsache geschuldet dass sie in der Regel ein T-Tail haben, also die Höhenflosse oben auf der Seitenflosse sitzt. Diese Konfiguration ist aerodynamisch bei hohen Anstellwinkeln ohnehin sehr kritisch und man möchte diese nicht noch durch Einsansatz verschärfen. Der AVRO hat ebenfalls ein T-Tail und auch hier ist der Stabi enteist.

Sommerlicher Eisansatz 'im Wetter' ist zwar auch kritisch, sofern das Terrain (zB Alpenüberflug) einen Sinkflug in Eisfreie Luftschichten bzw. zum 'Abtauen' nicht erlaubt. Spätestens im Sinkflug erreicht man aber wieder positive Temperaturen und dann ist basta mit gelati.

Deswegen hat dieses Icing eine ganz andere Qualität als jenes, welches man bei einem winterlichen Anflug in einer unterkühlten Stratusschicht aufpackt oder beim Flug durch Schneehaltige Bewölkung, weil eben die Chancen gut stehen, dass es nix mehr wird mit Abtauen bis zur Landung.

Jegliche Vereisung verschwindet sofort, wenn die TAT (Total Air Temperature = Static Air Temperaturer + Erwärmung durch Ram Effekt/Reibungswärme) +0,1°C erreicht. Ist die SAT zu niedrig kann man evtl. in Absprache mit ATC ein kurzes High-Speed-Segment zum Abtauen einlegen, allerdings sind die Möglichkeiten mit einem Prop aufgrund der geringeren Vmo eher beschränkt, die 350 kts IAS beim A320 bringen in MSL schon etwa 15k, damit kann man ggf. arbeiten.

Gruß MAX
 
Ja, das leidige Thema Icing...

wie schon richtig erkannt, bewegt man sich mit Turboprops meistens in etwas niedrigeren Höhen als Jets, was an manchen Tagen dazu führt, das man dann schon durchaus mit widrigen Wettersituationen zu kämpfen hat. Außerdem haben Props meistens ein anderes Streckenprofil, d.h. meistens sehr kurze Segmente, auf denen sich ein hohes Level einfach nicht lohnt. Insofern können Gewittertage und Frontentage ziemlich fordernd für Personal und Flugzeug sein.

Zum Thema Icing: Bei den Props die ich kenne, gibt es mehrere Stellen, die für Eisansatz kritisch sind und deshalb besonders geschützt sind:

Zum einen die Props, hier werden die Vorderkannten elektrisch beheizt.

Die Engine intakes, ebenso beheizt, wie die Horns.

Und Boots für Stabilizer und Flügelvorderkanten.

Bei den Boots ist das richtige Timing wichtig, fahrt man zu früh einen Cycle, kann das Eis unter Umständen nach vorne geschoben werden, und verändert so das Flügelprofil.
Wartet man zu lange, schafft es das System nicht mehr, das Eis wegzusprengen.

Außerdem haben die Boots mehrer Modes, die die Pneumatik in mehren Geschwindigkeitsstufen arbeiten lassen.

Dazu sind die Windshields, die Pitot tubes, und die AoAs ( Angle of Attack) beheizt.

Um das alles im Blick zu haben, empfiehlt es sich bei Dunkelheit und Icing Conditions immer die Wing Inspection Light anzulassen.

Noch eine kurze Definition von Icing Conditions: Laut Herstellermanual herrschen Icing conditions bei Temperaturen unter +5 Grad, bei sichtbaren Nebel oder Dunstschwaden und bei Sichten unter 1500m.

Bei solchen Bedingungen rollt man schonmal mit dem ganzen System an.

Eine weitere Sicherheit sind immense Speedaufschläge bei Start und Landung, die sich bei uns teilweise im 20kt Bereich bewegen.

Zum Thema "Heuwender": Da es allgemein Usus ist, Turbopropflugzeuge etwas geringschätziger zu behandeln, möchte ich auch mal auf die doch großen Vorteile hinweisen, die diese vermeintlich veraltete Technik so bietet.

Z.b. das Thema Sprit, die sehr niedrigen Kosten, die Möglichkeiten, kleinere Plätze anzufliegen usw.

Jedes Flugzeug ist für ein bestimmtes Marktsegment gebaut und meistens auch benötigt. Wieviel Flugzeug hintendran ist, merkt man allerhöchstens am Boden.

Jedes Muster und Streckenprofil hat seine Herausforderungen, das macht den Job ja so interessant. Und normalerweise liebt auch jeder sein Arbeitsgerät...

Hoffe ein bißchen Aufklärung gebracht zu haben.

C9T1
 
@C9T1
bitte unsere Bemerkungen über Kleingerät nicht allzu Ernst nehmen...;)

Danke, dass du nochmal auf die wichtigen Vorzüge und Einsatzgebiete der kleineren Maschinen hingewiesen hast. Eigentlich sollten sie uns ja bewußt sein, aber man lässt sich halt gern hinreissen.
Ist in den Cockpits untereinander aber auch nicht viel anders...:whistle:;D
 
[...]

Zum einen die Props, hier werden die Vorderkannten elektrisch beheizt.

Die Engine intakes, ebenso beheizt, wie die Horns.

Und Boots für Stabilizer und Flügelvorderkanten.

Bei den Boots ist das richtige Timing wichtig, fahrt man zu früh einen Cycle, kann das Eis unter Umständen nach vorne geschoben werden, und verändert so das Flügelprofil.
Wartet man zu lange, schafft es das System nicht mehr, das Eis wegzusprengen.

Außerdem haben die Boots mehrer Modes, die die Pneumatik in mehren Geschwindigkeitsstufen arbeiten lassen.

Dazu sind die Windshields, die Pitot tubes, und die AoAs ( Angle of Attack) beheizt.

[...]

Eine weitere Sicherheit sind immense Speedaufschläge bei Start und Landung, die sich bei uns teilweise im 20kt Bereich bewegen.

Zum Thema "Heuwender": Da es allgemein Usus ist, Turbopropflugzeuge etwas geringschätziger zu behandeln, möchte ich auch mal auf die doch großen Vorteile hinweisen, die diese vermeintlich veraltete Technik so bietet.

[...]
C9T1

Hallo C9T1,

zunächst mal vielen Dank für Deine Erklärungen!

Und da dieses etwas despektierliche 'Heuwender' und 'Gloaglump' (wozu in meinem Sinn alles unter Widebodies gehört - also auch A320/321, B737/757) meistens von mir benutzt wird, eine kurze Erklärung dazu. MUC war bis vor nicht all zu langer Zeit, was 'Gloaglump' anbetrifft im Vergleich zu anderen großen Flughäfen 'überbedient', d.h. das Verhältnis zu 'richtigen' ;D Flugzeugen war in etwa 1:100 ('richtige' Flugzeuge sind die, wo engine #2 auf der linken Seite ist). Da widebodies etwas mit Interkontzielen zu tun haben und MUC da eben etwas unterrepräsentiert war, kam dieses despektierliche 'gloaglump' zu Stande.

Ich selbst flieg gern mit 'gloaglump' und insbesondere mit 'Heuwendern' und mir sind auch die Vorteile dieser Maschinen bewusst.

Nun aber zum eigentlichem Thema:

Ich hatte in einem anderem Thread die Problematik bzgl. der boots angesprochen, mir heute die Frage selber beantwortet, nachdem ich dieses VC-Info gelesen hatte.

Nach Deinen Erklärungen scheint es aber nun doch nicht so einfach zu sein den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du diese Einschätzung etwas genauer erklären könntest.

Nun noch zu Deinem Satz: ...."Eine weitere Sicherheit sind immense Speedaufschläge bei Start und Landung, die sich bei uns teilweise im 20kt Bereich bewegen. ..."

In diesem vorher zitierten Artikel steht u.a.: ..."Die Recovery kann folglich nur darin bestehen, die Fahrt zu reduzieren oder die Landeklappen wieder einzufahren! Oder wie die NASA pragmatisch sagt: „Just undo what you just did“. Gegebenenfalls muss auch der Schub reduziert werden. In jedem Fall verbietet es sich, bei Vereisungsbedingen eigene Zuschläge auf die Herstellerangaben für Approach Speeds zu addieren!..."

Wie ist das nun im Gegensatz zu Deiner Aussage zu verstehen?

Für die Antwort ein herzliches Dankeschön im voraus!
 
Nach Deinen Erklärungen scheint es aber nun doch nicht so einfach zu sein den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du diese Einschätzung etwas genauer erklären könntest.
Würde mich als Laien auch sehr interessieren... ich bin zwar ganz gut im Googeln, aber ich kann das was ich im WWW so finde mangels eigener Praxis oft nicht selbst beurteilen. :whistle:

In diesem von der FAA gesponsorten SAFETY ADVISOR - Aircraft Icing steht auf Seite 6:
A persistent myth holds that if the boots are cycled too soon after an icing encounter they may expand the ice layer instead of breaking it off. Then when the boots deflate, a “bridge” of ice remains that cannot be shed during the next inflation cycle. Although some residual ice may remain after a boot cycle, “bridging” does not occur with any modern boots.
Hmmh... "modern boots"... das ist ja immer ein wenig relativ... :eyeb:

Danke auch von mir an all die Experten hier, :thbup:
der Airdinger.
 
Hallo nochmal!

Also, erstmal zu den Speedaufschlägen: Die sind natürlich offiziell gegeben, es hat nicht jeder seinen eigenen Mittelwert.

Habe mal gehört, das es bei der ATR wohl ähnlich ist, nachdem es einige schwere Unfälle mit dem Muster gegeben hat.

Es geht ja hier um einen normalen Approach, und nicht um eine Stall- recovery.

Für die höheren Speedwerte gibt es mehrere Erklärungen:

Wenn bei uns die Horns an sind, denkt der Flieger, das Icingconditions herrschen und setzt automatisch die Stallspeed herauf, d.h. Stickpusher und Shaker schlagen bei einer höheren Geschwindigkeit an. Wenn man also bei der Landung die Horns anläßt, und mit normalen Speeds landet, kann es passieren das im Flare der Shaker anschlägt ( Pusher ist von der Systemlogik in der Höhe unterdrückt, zum Glück :-) )

Auch hat man mit höherer Geschwindigkeit logischerweise einen niedrigeren Anstellwinkel.

Ein weiterer Grund für die hohen Geschwindigkeiten ist, das beim Start sich möglichst viel von der Enteisungsflüssigkeit verabschieden soll.

Zu der Frage der richtigen Nutzung der Boots: Dazu hab ich einfach noch zu wenig Erfahrung. Mir ist severe Icing bis jetzt erspart geblieben, und ich hoffe das das so bleibt, geschweige denn, daß der Flieger dafür zugelassen wäre.
Wir haben im Flieger die Möglichkeit, einen Single Cycle zu fahren, und je nach dem zu schauen, was nötig ist. Auch wenn man einen Cycle fährt, kann durchaus Eis hängenbleiben, und zwar nicht wenig, deshalb wundert mich diese Aussage ein wenig.

Die Boots muß man sich folgendermaßen vorstellen: Das sind viele kleine Gummiwülste längs der Flügelvorderkannte, die sich nacheinander aufblasen und so das Eis wegsprengen, sieht sehr interessant aus, wenn mal wirklich Eis an den Flächen hängt.

Man kann sagen, das Icing zu den sehr unangenehmen Dingen im Fliegerleben zählt, und auch wirklich nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte und wird.

Und lieber einmal zuviel enteist als einmal zuwenig...

Wenn man mal zu enteisen überlegt, ist es halt meistens besser, es dann auch zu tun.

Vg

C9T1
 
wie ist das denn bei den jets, die haben ja soweit ich weiß sachen wie anti-ice an den tragflächen und auch an den triebwerken. mich würde nun interessieren, wann diese anti-ice vorrichtungen eingeschaltet werden. werden die auch im reiseflug benutzt, denn dort oben herrschen ja auch oftmals höhe minustemperaturen.
oder werden diese nur beim durchfliegen von wolkenschichten bzw. im winter auch bei starts und landungen eingeschaltet?

vielen dank im voraus
 
Die Flügelenteisung wird musterabhängig erst benutzt wenn Eisansatz festgestellt wird oder ein evtl. verbauter Ice Detector anschlägt.

Das Engine-Anti-Ice dient hingegen eher als Lebensversicherung und wird daher sehr konservativ bedient. Normalerweise muss es bei der OPS in bzw. vor dem Einflug in Icing Conditions (*) immer eingeschaltet sein. Ausnahme sind Climbout und Cruise Flight bei SAT < -40°C.

Diese Beschränkung kommt daher, dass eine SAT von -40°C auch durch einen noch so starken Ram Rise (außer man fliegt Mach 2) nicht zu einer TAT über -15°C führen wird und somit keine Gefahr des 'Auftauens' der geringen Feuchtigkeit in der Eiskalten Luft gegeben ist. Desweiteren laufen die Motoren im Climb/Cruise mit einem hohen Powersetting und sind ohnehin weniger anfällig für Eis-Probleme.

Im Sinkflug mir reduzierter Leistung oder gar Leerlauf-Drehzahl wird dann immer enteist, auch bei <-40° SAT.

(*) Laut Airbus sind Icing Condition als visible Moisture < +10°C OAT/TAT definiert. Die früher gebräuchliche Einschränkung auf eine Sicht < 1.500m gibt es nicht mehr.

Gruß MAX
 
Ist eigentlich vom Fluggefühl her egal, ob man den Sidestick mit der linken oder rechten Hand betätigt:confused:

Ja das ist relativ egal. In ein paar Minuten hat man sich umgewöhnt.

Es gibt sogar etliche Kollegen die in ihrer eigenen Ausbildung im Simulator abwechselnd rechts und links sitzen müssen (weil 2 FOs zusammen ausgebildet werden) oder die als Ausbildungskapitäne auch mal von rechts fliegen müssen, wenn ein Kapitänsanwärter links sitzt.

Gruß MAX
 
Zurück
Oben