Tja das liebe Wetter und seine Prognose. Ich finde tatsächlich, dass es in letzter Zeit auch die Flugwettervorhersagen immer häufiger deutlich daneben liegen. Ist das schlimm? Nicht unbedingt! Erst im Kontext mit den unstrittig bei allen Airlines vorhandenen Bemühungen dem Kostentreiber Fuel wo immer möglich zu Leibe zu rücken, kann u.U. ein dickes Problem daraus werden.
Wir versuchen so wenig wir
nötig zu tanken und das ist auch ok so. Je größer der Flieger und je länger der Flug, desto weniger kommt von einer mitgenommenen Tonne Extra Fuel am Ziel an. Auf Kurzstrecke reden wir hier über einzelne Kilos, aber über die hohe Anzahl geflogener Sektoren summieren sich auch Einsparungen im Bereich von einigen KG je Flug zu Millionenbeträgen im Jahr.
Wieviel Sprit ist aber nun an einem bestimmten Tag für einen bestimmten Flug genug?
Das gesetzliche Minimum?
Die Werte wurden wie viele andere Leitlinien der Fliegerei vor Jahrzenten erdacht, als es weder Hubs noch die heutigen Verkehrsspitzen gab. Sie bestehen gängigerweise aus
- Final Reserve Fuel für 30 Minuten Holding über dem Alternate in 1.500 ft
- Alternate Fuel für den Flug von der Destination zum Alternate
Nennen wir diese beiden Mengen zusammen ‚Minimum Diversion Fuel’, sie liegen bei nahen Alternates wie z.B. MUC->SZG gerne mal bei Werten die einer Endurance (Restflugzeit) von 40 Minuten entsprechen.
Für die Berechnung des Alternate Fuels gelten dabei wesentlich weniger stringente Vorschriften als für den Tripfuel. So gibt es keinen Contingency Fuel und die Strecke/Flughöhe/Windeinfluss werden teilweise eher pi*Daumen berücksichtigt.
Der Final Reserve Fuel ist tabu und jede Landung ist so zu planen, dass der Flieger mit diesen 30 Minuten in den Tanks landet. Ist das absehbar nicht der Fall, ist ein MAYDAY Call Pflicht. Laut EU-OPS kann bei bestimmten Wetterbedingungen sogar ganz auf einen Alternate verzichtet werden. Aua!
Ist es also safe, mit dem Minimum Fuel lt. EU-OPS zu planen? Kann sein, z.B. wenn man bei bestem Wetter einen 'Provinzplatz' anfliegt.
Mit statistischen Analysen, wieviel Extrafuel bei einem bestimmten Citypair zu 90% oder 99% nötig ist, versuchen manche Operator eine fundierte Entscheidung zu erleichtern. Ein sinnvoller Schritt, um hauptsächlich delayträchtige Verkehrsaspekte am Zielflughafen (z.B. Holding in LHR) abzudecken.
Beim Anflug auf große Hubs kommt dann noch dazu, dass das Auftreten eine Problems, das zur Schließung einer (von mehreren) Bahnen führt, für großes Durcheinander sorgen wird. Auch bei bestem Wetter wird eine Fuel Calculation, die darauf basiert mit Minimum Diversion Fuel zu landen dazu führen, dass ich meinen Final Reserve Fuel anbrechen muss und somit eine Luftnotlage erklären muss. Damit wird das Chaos noch größer und wenn das mehrere Flieger machen (müssen) dann 'Gute Nacht!'.
Daher empfiehlt eine große Deutsche Airline, immer so zu planen, dass bei gutem Wetter die Landung an der Destination mit einer Endurance von ~ 60 Minuten erfolgt. Andere Airlines kennen solche Empfehlungen nicht und gehen eher den Weg des 'Minimum Legal Requirements'. Wieder andere wie die hier genannte FR verpflichten die Crew sogar zu einer Begründung, wenn mehr als ein winziger Schluck extra getankt werden soll. Der dadurch aufgebaute subtile Druck kann nicht hoch genug bewertet werden und ebenso völlig kontraproduktiv wie ein Meldepflicht für z.B. einen Go-Around.
Wiederholt taucht in diesem Post das Wort 'Wetter' auf und da wird es nun schwierig. Nehmen wir einen der Gewittertage der letzten Wochen, 05.08.12 in München.
Der Forecast von 1100z spricht für den Abend ab 2100 MESZ von einer geringen Wahrscheinlichkeit für Gewitter. Für den 1800h-Peak ist von leichter Bewölkung, schwachem Ostwind und schönem Wetter auszugehen. Ein Abflug mit Minimum Fuel wäre hier bei vielen Airlines üblich, nach der o.g. 60-Minuten-Empfehlung hätte man wahrscheinlich 10-15 Minuten Extrafuel getankt.
TAF EDDM 051100Z 0512/0618 33005KT 9999 FEW040
BECMG 0512/0516 07005KT
PROB30 TEMPO 0519/0522 27015G25KT 4000 TSRA BKN030CB
PROB30 TEMPO 0602/0606 1200 BCFG
BECMG 0606/0608 26010KT
PROB30 TEMPO 0610/0612 33020G35KT 4000 TSRA BKN014CB
TEMPO 0612/0618 RA=
Tatsächlich sah es dann aber um 1820 MESZ folgendermaßen aus:
METAR EDDM 051620Z 22032G42KT 5000 2000SE TSRA BKN045CB 18/15 Q1014 TEMPO 2000=
Heftiges Gewitter, starke Böen, Platzregen - direkt am Platz. Wer hier mit weniger als 30 Minuten Extra ankommt hat normalerweise keine Chance und wenn man in der Sequence nicht weit vorne ist können auch 45 Minuten zu wenig sein, um eine Diversion zu vermeiden. Hoffentlich war die Vorhersage für die möglichen Alternates besser ?!
Was ist der Meteorologe von Beruf? Man sollte ihn mal fragen!
'So kann isch ned arbeide' sagt man im Hessenländle und wer diese Erfahrung gemacht hat, wird sicher auch alternative Quellen für eine Beurteilung der Wetterlage nutzen, so sie denn zur Verfügung stehen.
Kommt in einem solchen Szenario noch ein schwieriges ATC-Environment dazu (ist ein MAD definitiv der Fall) dann wird es schnell unangenehm. Wenn die Controller nicht mitspielen, kann ein MAYDAY die einzig sinnvolle Lösung sein. Dass dies 3 FR-Crews auf einmal machen ist schon komisch, ich würde den Crews ohne dabei gewesen zu sein aber keinen Vorwurf machen wollen.
Minimum Fuel wo es Sinn macht ok, Sparen um jeden Preis keinesfalls! Allerdings gehen auch 2 Stunden Extrafuel irgendwann zur Neige und dann braucht die Crew einen Plan B und am besten noch ein Plänchen C. Hoffentlich haben die Kollegen, die in einer solchen Spritsparkultur aufwachsen und schnell auf den linken Sitz rutschen auch einen solchen in der Tasche.
Gruß MAX