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Financial Times Deutschland
Lufthansa Mayrhuber will selbst in Tarifstreit eingreifen
Freitag 1. Oktober 2004, 18:05 Uhr
Es werde ein Treffen Mayrhubers mit den Spitzen der Pilotenvereinigung geben, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Dieser bei Tarifverhandlungen ungewöhnliche Schritt eines Konzernchefs solle vor allem dazu dienen, die Irritationen nach öffentlichen Äußerungen des Lufthansa (Xetra: 823212.DE - Nachrichten - Forum) -Chefs zu den Tarifgesprächen für die gut 3300 Piloten auszuräumen, hieß es.
Mayrhuber hatte in den vergangenen Tagen wiederholt auf eine baldige Entscheidung im Tarifstreit gedrängt. Gleichzeitig hatte er angekündigt, Strecken verstärkt auf billigere Partnergesellschaften verlagern zu wollen, falls die Arbeitnehmervertreter nicht einer Senkung der Personalkosten zustimmen. Dies war von Cockpit und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi als Drohung und Erpressung verstanden worden. [/quote]
Ich hab nur einen Teil zitiert. Wen es interessiert, der muss es eine Seite vorher nochmals nachlesen.
Um was es mir jedoch geht: Mit dieser "Drohung" scheint sich der Mayrgehuberte etwas weit aus dem Fenster gelehnt zu haben, wie ich gerade auf pilots.de gelesen habe.
Ich kopier die "erwiderung" mal hier her:
"Selbst im Fall einer Einigung, drohte Mayrhuber markig, wolle er sich die Option offen halten, ausgewählte Strecken an Partner oder angegliederte Billigableger wie Germanwings abzugeben. "Eine solche Kampfansage ohne Vorwarnung im Ausland zu verkünden ist schon ein Bubenstück", empört sich Lufthansa-Gesamtbetriebsratschef Wolf Liebetrau.
Was auf den ersten Blick wie der verzweifelte Befreiungsschlag eines bedrängten Vorstandschefs anmutet, könnte die ehemals heile Lufthansa-Welt mehr erschüttern als einst die Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs. Mit seiner Drohung, Flüge demnächst verstärkt an interne und externe Zulieferer zu vergeben, rüttelt Mayrhuber an einem Solidarpakt, den er von seinem Vorgänger und heutigen Aufsichtsratschef Jürgen Weber geerbt hat und der bislang als sakrosankt galt: der Lufthansa-Konzerntarifvertrag.
Das umfangreiche Paragrafenwerk stammt noch aus der Zeit Anfang der neunziger Jahre, als die Lufthansa mehr als 500 Millionen Euro Verlust eingeflogen hatte und kurz vor der Pleite stand. Um die aufmüpfigen Gewerkschaften zu disziplinieren, ließ der damals gerade neu angeheuerte Konzernchef Weber seine Mannen unter dem Arbeitstitel "Lufthansa-Express" ein Billigkonzept aushecken, das verblüffend an Mayrhubers heutige Drohkulisse erinnert und vorsah, zunächst den innerdeutschen und später auch den Europa-Verkehr auf den neuen Billigableger zu übertragen.
Nach zähen Verhandlungen machten die Vertreter des Bord- und Bodenpersonals schließlich weit gehende Zugeständnisse bei den Löhnen und Dienstzeiten. Als Gegenleistung forderten sie Arbeitsplatzgarantien und ein übergreifendes Konzerntarifwerk, das in Zukunft Jobauslagerungen verhindern sollte und Mayrhuber heute wie ein Mühlstein am Hals hängt.
Die Vereinbarung, die noch dazu unkündbar ist, sieht unter anderem vor, dass für alle Piloten auf Maschinen mit mehr als 70 Sitzen von Gesellschaften, die mehrheitlich zum Konzernverbund gehören, automatisch die vergleichsweise komfortablen Lufthansa-Tarifbedingungen gelten. Außerdem dürfen nur maximal sechs Prozent des Angebots unter einer Lufthansa-Flugnummer von Dritten abgewickelt werden.
Selbst für die Beschäftigten von so unterschiedlichen Töchtern wie der Catering-, Technik- oder Luftfracht-Sparte wurden gemeinsame Vergütungs- und Sozialstandards festgelegt, die Mayrhuber heute hindern, flexibel auf den wachsenden Wettbewerbsdruck in den diversen Geschäftsfeldern zu reagieren.
Mit seiner Kampfansage signalisiert der Lufthansa-Chef nun erstmals, dass er die selbst auferlegten, inzwischen lästigen Fesseln sprengen will. Ohne geharnischte Proteste oder gar einen groß angelegten St**** seiner Piloten dürfte ihm das aber kaum gelingen. Viele von ihnen erinnern sich noch gut, wer damals das Sanierungsteam um Lufthansa-Chef Weber leitete: dessen heutiger Nachfolger Mayrhuber.
Dabei sah es vor kurzem noch so aus, als wäre eine Einigung mit den Flugzeugführern in greifbare Nähe gerückt. In einem vorläufigen Kompromisspapier hatten die VC-Unterhändler angeboten, längeren Einsatzzeiten, niedrigeren Einstiegslöhnen und dem Wegfall freier Tage zuzustimmen, wenn sich die Konzernspitze im Gegenzug verpflichtet, Jobgarantien abzugeben und auch Anhängsel wie Germanwings oder die Regionalgesellschaft Eurowings in die neue Tarifregelung miteinzubeziehen. Als Vorbild sollten Vereinbarungen dienen, wie sie kürzlich bei den TUI-Töchtern Hapag-Lloyd-Flug und Express erzielt wurden.
Doch Mayrhuber mag sich nicht schon wieder auf Jahre hinaus binden. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat er bereits in den vergangenen Monaten zahlreiche dezentrale Strecken abseits der Verkehrsdrehscheiben Frankfurt und München seinem Billigcarrier Germanwings abgetreten sowie Teile des Frachttransports an Drittunternehmen ausgelagert.
Wenn von 2007 an die ersten von 15 neuen Megafliegern vom Typ A 380 zum Einsatz kommen, will Mayrhuber sich die Möglichkeit offen halten, die Riesenflugzeuge mit 550 Plätzen kostengünstig aus ganz Europa mit Passagieren zu füllen und Partner wie Lot, SAS oder Austrian Airlines sowie eigene Billigableger (siehe Grafik) mit den Zubringerdiensten zu beauftragen.
In der zurückliegenden September-Aufsichtsratssitzung wurde nach Schilderung von Teilnehmern unter dem Tagesordnungspunkt "Malta Limited" sogar diskutiert, die neuen Megaflieger und womöglich weitere Jets einer neuen, hauseigenen Leasing-Firma auf der Mittelmeerinsel zu übertragen. Das Nachsehen hätten der deutsche Fiskus und ein Teil der Lufthansa-Arbeitnehmer, die fürchten müssen, dass Wartungs- und Servicedienste künftig ebenfalls von ausländischen Billigtöchtern erbracht werden.
Ob Mayrhubers Masterplan aufgeht, werden nun die nächsten Wochen zeigen. Bereits am zurückliegenden Donnerstag musste sein Personalchef Stefan Lauer auf einer Konzernbetriebsratssitzung den geballten Zorn der Arbeitnehmervertreter über sich ergehen lassen. Der oberste Lufthansa-Boss selbst, der den Proteststurm losgetreten hatte, war zwar eingeladen, ließ sich aber lieber nicht blicken."
im Original in SPEIGEL.de von DINAH DECKSTEIN