Nach der Landung in Indien Teil 2 - Geldwechseln!
Reisepässe sind schon nette Erinnerungsbücher: Mein indischer Grenzbeamte fand ihn ja scheinbar auch interessant, bevor er Pass und Visum abstempelte. Doch in Wirklichkeit wollte er nur prüfen, ob ich böse Absichten habe. Die habe ich natürlich nicht und deshalb darf ich erst einmal bis zum Gepäckband einreisen. Dort dreht sich auch schon mein Koffer und alle anderen Koffern auf dem Karusell. Ich bin noch der einzigste am Karusell, die anderen haben offensichtlich die Passkontrolle noch nicht geschafft. Ich schnappe mir meinen Koffer am Griff, drehe ihn auf seine Räder und fahre die Schienen für den Handtransport aus. Jetzt ist er ein Rollkoffer, den ich bequem hinter mir herziehen kann. Ich könnte gleich am Zoll vorbei in die Ankunftshalle gehen, wo man auf mich hoffentlich schon wartet. Ich bin aber ein Pragmatiker und will zuerst Rupien mit meiner Kreditkarte holen. Was man hat, hat man schon. Money Change steht an mehreren Schaltern drauf. Zwei dieser Schalter sind von Thomas Cook. Den Namen kennt man, auch das Logo. Das wirkt vertrauenswürdig. Ich gehe deshalb zum rechten Schalter und frage, ob man mir mit meiner Lufthansa Karte Rupien geben würde. Nein sagt der Inder hinterm Tresen, dazu muss ich zum linken Schalter von Thomas Cook gehen. Das mache ich dann auch. Dort stehen drei Inder, die mit dem Countermann irgendwelche Hotelreservierungen machen. Das dauert. Nebenan wäre auch noch ein Moneychanger, der mich freundlich anlächelt. Aber er kann mir mit der Kreditkarte kein Geld geben. Da sitzt nun dieser Mann und macht offensichtlich Kassensturz so kurz vor Mitternacht. Er zählt Rupien, Rupien, Rupien – ganz flink mit den Fingern und ab und zu Spicke drauf. Bündelweise zählt er die Rupien, während ich immer noch am Thomas Cook Schalter warte. Dort telefoniert der Thomas Cook Mann und sucht offensichtlich freie Hotels für die drei Inder. Also muss ich noch warten.
Es ist ein alter Flughafen, schätzungsweise Baujahr 1960. Er wirkt sogar älter als München-Riem mit seiner damaligen Ankunftshalle – nur etwas grösser ist die Halle in Delhi. Der Flughafen dort ist ein einfacher, alter Zweckbau und hat nicht ein einziges architektonisches Highlight. Alles wirkt sogar düster und zum Teil auch grell, denn die Lichtquellen sind Neonröhren, die kein warmes Licht abgeben. Auch an der Service-Schalterfront gibt es nur Neonröhren. Nur das bekannte Thomas Cook Logo wirkt vertrauenswürdig. Ich warte gefühlte 10 Minuten. Der Inder am Nebenschalter zählt immer noch seine hunderttausende Rupien. Doch auch ich komme mal an die Reihe: Ich will Geld mit meiner Kreditkarte, sage ich dem Inder von Thomas Cook. Hmh, sagt der Inder. Prinzpiell gehe das schon – aber nur prinzipiell. Vorgestern, gestern und heute ginge es aber nicht. Aber er will es probieren, sagt er, vielleicht klappt es ja jetzt. Denn vor ein paar Tagen habe es geklappt. Ich sei schon richtig bei ihm und seinem Schalter. Andere Moneychanger können kein Geld hergeben mit einer Kreditkarte, das könne nur er, sagt er.
Alles, was er mir erzählt, wirkt auf mich sehr chaotisch. Bekomme ich nun mit meiner Kreditkarte Rupien oder nicht? Er sagt, dass er es probieren wolle, vielleicht bekomme ich heute Geld oder auch nicht. Das könne man nicht vorhersagen. Doch wenn es klappt, koste das 5 % der Summe, sagt er. Ist diese ok? In Ordnung, meine ich. Dann schreitet er zur Tat. Er nimmt das Kartenlese-Terminal, trennt es vom Stromkreislauf und von der Online-Verbindung, wartet eine Minute, um es dann wieder einzustecken. Dann drückt er ein paar Knöpfe auf diesem Terminal und bittet um meine Lufthansa Kreditkarte. Er zieht sie einmal durch das Lesegerät. Nichts passiert. Heute gebe es eben keine Verbindung, sagt er, aber er wolle es noch mal probieren. Er trennt das Kartenlese-Terminal nochmals vom Strom und seinem Telekomunikationsanschluß und legt es beiseite. Dann schaltet er seinen Computer aus, kriecht er unter den Tresen, so dass ich ihn nicht mehr sehen kann. Plötzlich ist der ganze Schalter dunkel, das Licht geht aus. Es geht wieder an - ein paar Sekunden später – und mein Thomas-Cook-Geldwechsel-Inder kommt aus dem Fussraum des Tresens hervor und setzt sich auf seinen Stuhl. Er fährt seinen Computer wieder hoch, und danach auch das Kreditkartenlesegerät. Dann zieht er dreimal nacheinander meine Kreditkarte durch das Lesegerät und hofft auf eine Reaktion, doch es gibt kein Signal. Meine Kreditkarte bekommt keine Verbindung. Er entschuldigt sich vielmals – eine Redewendung im Deutschen, doch wenn diese Redewendung bildhaft zu übersetzten ist, dann ist sie die beste: der Thomas Cook Money Changer entschuldigt sich vielmals, sehr viele Male also. Es gibt heute also kein Geld mit einer Kreditkarte. Aber vielleicht morgen, sagt er.... Vor ein paar Tagen habe es ja geklappt, sagt er, ich solle es doch einfach morgen in der Stadt probieren.
Ich bin also in Indien. Ich lerne das Land schon am Indira Gandhi Flughafen kennen: Zuerst die Passkontrolle, dann der Versuch, Geld zu wechseln. Beides waren Erlebnisse, die ich sehr lange in Erinnerung behalten werde. Vermutlich werde ich beide Erlebnisse nicht vergessen. Solche Erlebnisse sind viel nachhaltiger (nachhaltig ist ein Modewort derzeit) –solche Erlebnisse sind also viel nachhaltiger als mein First Class Flug. Die Passkontrolle und der Geldweschselversuch waren wirkliche Erlebnis, die ich nicht missen will. Nach der Zollkontrolle erwartet mich wieder ein Erlebnis, es ist typisch Indien, sage ich heute im Nachblick. Davon später, wenn ich Zeit finde, davon zu berichten ...