Unfälle (Zwischenfälle/Sicherheitslandungen) mit Flugzeugen

Am 27.01.11 findet an der TU München (Fakultät Maschinenwesen in Garching) ein Vortrag über die Hudson River Notlandung statt. Gehalten wird sie von Thierry Thoreau dem Director Flight Safety von Airbus.

http://portal.mytum.de/termine/Event.2010-10-20.5169796639

Das ganze ein Vortrag aus der Reihe des Forum Munich Aerospace des Instituts für Luft- und Raumffahrt:
http://www.fsd.mw.tum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=123&Itemid=125

Falls dieser Beitrag irgendwo besser untergebracht ist können die Admins das gerne auch woandershin verschieben.

Nachdem ich mir den Vortrag angesehen habe meine Eindrücke und Dinge die ich noch nicht wusste oder auch fasziniert haben:

- Der Vortrag war auf englisch, wobei das franko-englisch vom Airbüs-Flight-Safety-Directör schon recht schwer verständlich war. Aber da kann man ja nix machen...

- Der Hörsaal war im Vergleich zu manch anderem ziemlich gut gefüllt, die Popularität des Unfalls trägt sicher dazu bei.

- Anfangs ein Überblick über die Arbeit der Flight Safety Abteilung von Airbüs was anfällt wenn Unfälle mit Airbus-Maschinen geschehen. Auch wenn es wohl für viele Flugbegeisterte wohl auf dem ersten Blick ein Traumjob ist, ist es auch eine physisch wie psychisch (häufig verbunden mit vielen Todesopfern oder Kontakt mit menschlichen Überresten) sehr belastende Arbeit die auch nicht ungefährlich ist (z.B. Unklarheit über gefährliche Güter an Bord).

- Der weitere Teil des Vortrags dann über den Unfall der "Cactus 1549". Sehr gut fand ich dass dieser Vortrag den Unfall rein aus technischer und objektiver Sicht beschrieben hat. Über die großen Fähigkeiten von CPT Sullenberger muss man nicht diskutieren, aber sein Arbeit als heroisch zu bezeichnen wie es sehr oft geschieht ist einfach fehl am Platz. Wer seine Biographie gelesen hat wird auch erkennen, dass er das recht ähnlich sieht. Er hat sicher alles absolut richtig gemacht, aber dennoch war es wohl mindestens zu 50% einfach nur Glück, dass keine Todesopfer zu beklagen sind.

- Sehr beeindruckend eine Animation des gesamten Fluges mit Darstellung der Instrumente und Hinterlegung des Funkverkehrs. Es ist schon unglaublich wie wenig Zeit die Crew in dieser Situation überhaupt gehabt hat die Situation überhaupt zu überblicken. Während des Ablaufs hat Hr. Thoreau auch einige fachliche Anmerkungen und Erklärungen gegeben. Es ist schon beeindruckend wie alle möglichen Alternativen (Rückkehr nach LGA und Alternative Teterboro) von CPT Sullenberger mit einem schlichten "unable" als unmöglich erkannt werden und er sich zu einem "we will go down in the Hudson" entschließt. Innerhalb von so kurzen Momente so eine Entscheidung zu treffen, mein größter Respekt!

- Als letzter großer Block die Lehren und Konsequenzen die man aus diesem Unfall ziehen kann und muss. Der Unfall als solche war von Seiten der Emergency-Procedures nie vorgesehen wodurch die Crew auch das Ditching-Procedure gerade mal zu einem kleinen Teil bearbeiten konnte bevor man die Notwasserung machte. Alle bisherigen Ditching-Procedures gingen von dem Fall aus, dass man ausreichend Zeit hat und sich optimal vorbereiten kann. In diesem Fall war nichtmal Zeit dazu die Kabine darüber zu informieren, der beim Aufschlag nicht bewusst war, dass sie im Wasser landeten. Entsprechend sollen/werden Procedures dementsprechend überarbeitet, dass auch so ein Fall in Zukunft enthalten ist.


- Interessante Erkenntnisse:

* Engine 2 war nach dem Birdstrike irreparabel beschädigt und der Generator lieferte keinen Strom mehr, Eng 1 dagegen war danach noch bei ca. 34% N1 und über 80% N2 wodurch permanent Hydraulik+Elektrik-Power zur Verfügung stand. Die Crew aktivierte sofort die APU die nach dem Hochfahren (ca. 1 Minute) bis zum Aufschlag Storm lieferte. Die RAT die am Wrack ausgefahren war, zeigte allerdings keine Beschädigungen, was daran lag, dass die der Logik entsprechend erst dann ausfährt wenn keine sonstige Power mehr verfügbar war. Dies war erst dann der Fall, nachdem die APU beim Aufschlag zerstört wurde. Die RAT ist dann wie sie soll ausgeklappt, was dann praktisch bei Stillstand im Wasser war.

* Dadurch dass Strom und Hydraulik bis zum Aufschlag verfügbar war, war der A320 bis dahin auch im Normal Law mit sämtlichen Protections. Die letzten Höhenmeter vermutlich ziemlich nah am Alpha Floor Bereich. Hr. Thoreau konnte es sich dabei nicht verkneifen herauszuheben, wie sicher ein Airbus in so einem Fall ist. Bei einer Boeing würde man seiner Meinung nach immer bis zum Stickshaker fliegen dann wieder nachlassen und so aus seiner Sicht ein gefährliches Aufschwingen erzeugen... ich will das mal nicht kommentieren oder beurteilen.

* Die Canada Geese die die Triebwerke zerstört haben waren weit größer als wofür ein Triebwerk zertifiziert wurde. Zudem sind mindestens auf einem Triebwerk mindestens zwei Gänse reingeraten, da man die DNA von einer weiblichen und einer männlichen Gans identifizieren konnte.

* Die Vertikalgeschwindigkeit beim Einschlag betrug 13,4 m/s mit einer Pitch von 9,5° bei Conf 2. Airbusinterne Untersuchungen haben als "optimale Notwasserung" eine Vertikalgeschwindigkeit von irgendwas um die 4 m/s berechnet. Außerdem muss auch der Pitch zwischen 8 und 12° seit um nicht die Struktur komplett zu zerstören (wenn Triebwerke zuerst eintauchen oder die Nase mit zu großer Wucht nach unten schlägt beim Aufprall), dazu Conf Full und Gear Down. Dafür dass die Crew diese Infos nicht hatte haben sie sehr gut gearbeitet.

* Die Beschädigungen am hinteren Rumpfbereich waren sehr ähnlich wie simulierte Berechnungen von solch einem Fall gezeigt haben. Der Rumpf selber war im hinteren Bereich so weit beschädigt, dass größere Löcher vorhanden waren durch die Wasser eingedrungen ist. Diskussionen darüber (wie sie in manchen Foren nach dem Unfall stattfanden), dass die Crew den Ditching-Püshbütton nicht betätigte (soweit sind die in der Procedure nicht mehr gekommen) erübrigen sich damit sowieso weil das völlig wurscht ist.

* Dass die Maschine mit Notrutschen ausgestattet war die auch als Rettungsboot genutzt werden können war für diesen Flug nicht erforderlich gewesen (da kein Überwasserflug).

Alles in allem ein sehr interessanter Vortrag mit Einblicken in die technische Seite des Unfalls, was in den Medien aus meiner Sicht nur sehr unzureichend berichtet wurde.

Zugleich war es der letzte Vortrag des Forums Munich Aerospace für das Wintersemester. Im Sommersemester wird es sicher auch wieder einige Interessante Vorträge geben.
 
Dazu hätte ich mal eine Frage: Wie sollte bei einer Notwasserung "gear down" sein? Würde das nicht unnötig Widerstand im Wasser und somit eine Rotation verursachen, die zu einem größerem Schaden führt?
 
Dazu hätte ich mal eine Frage: Wie sollte bei einer Notwasserung "gear down" sein? Würde das nicht unnötig Widerstand im Wasser und somit eine Rotation verursachen, die zu einem größerem Schaden führt?

Das habe ich mich auch gefragt warum das so sein soll. Wurde leider keine Antwort drauf gegeben. Vielleicht soll ja auch das Fahrwerk einen großen Teil des Widerstands erzeugen. Von der Stabilität her sollten das Fahrwerk und die Befestigungen am Rumpf ja einiges aushalten. Ansonsten geht der Schlag gleich direkt auf die Triebwerke und Flügel die wesentlich weniger die Kräfte abfangen können die bei einer Notwasserung entstehen. Bei der Notwasserung ist ja auch das rechte Triebwerk beim Aufprall abrissen. Die Struktur hat dabei aber zum Glück gehalten.
 
Da hat der Monsieur entweder Märchen erzählt oder es gab ein Missverständnis.

In den A320-Verfahren steht eindeutig, dass sowohl bei einem Ditching mit laufenden Motoren als auch ohne das Fahrwerk nicht ausgefahren wird.

Alles andere macht für meinen beschränkten Anwenderhorizont aich keinen Sinn.

Gruß Max
 
Der Emirates A380 A6-EDJ ist vor kurzem nach FRA diverted. Die Maschine war auf dem Weg von Dubai nach Manchester und ist, ohne Holding oder Umwege zu fliegen, direkt nach FRA rein. Hoffen wir der Grund ist nicht so unerfreulich wie damals in MUC.
 
ZY739/740 AYT-BRE-MUC ist heute morgen nach HAJ diverted. Vllt. kann uns @Hoize mehr sagen, er dürfte auf dem Flug gewesen sein.
 
Da hat der Monsieur entweder Märchen erzählt oder es gab ein Missverständnis.

In den A320-Verfahren steht eindeutig, dass sowohl bei einem Ditching mit laufenden Motoren als auch ohne das Fahrwerk nicht ausgefahren wird.

Alles andere macht für meinen beschränkten Anwenderhorizont aich keinen Sinn.

Gruß Max

Der hat schon gesagt, dass das Fahrwerk draußen ist (war sogar auf der Folie). Allerdings handelte es sich dabei nicht um die aktuellen Notfall-Procedures
sondern um Berechnungen, Simulationen und irgendwelche Versuche mit denen Airbus das Optimum für eine Notwasserung ermittelt hat. Aber vielleicht haben die Experten das ein bißchen zu theoretische betrachtet...
 
Der hat schon gesagt, dass das Fahrwerk draußen ist (war sogar auf der Folie). Allerdings handelte es sich dabei nicht um die aktuellen Notfall-Procedures
sondern um Berechnungen, Simulationen und irgendwelche Versuche mit denen Airbus das Optimum für eine Notwasserung ermittelt hat. Aber vielleicht haben die Experten das ein bißchen zu theoretische betrachtet...
Hmm... im Accident Report findet sich folgende Aussage:
1.12.1 Structural Damage
... The nose and main landing gear remained attached to the airplane and were found in the up-and-locked position.

Nachzulesen unter:
https://ntsb.gov/Publictn/2010/AAR1003.pdf
 
Die Diskussion dreht sich nach meinem Verständnis darum, ob das Fahrwerk zum Ditching grundsätzlich ausgefahren werden soll oder nicht.

Die aktuellen A320-Verfahren sagen Nein, AI ist jedoch offenbar zu neuen Erkenntnissen gelangt und mein ja...

Gruß MAX
 
Die Diskussion dreht sich nach meinem Verständnis darum, ob das Fahrwerk zum Ditching grundsätzlich ausgefahren werden soll oder nicht.

Die aktuellen A320-Verfahren sagen Nein, AI ist jedoch offenbar zu neuen Erkenntnissen gelangt und mein ja...

Gruß MAX
Sehe ich das richtig?
Du stehst dem ausgefahrenem Fahrwerk beim Ditching genauso skeptisch gegenüber wie ich?
 
Sehe ich das richtig?
Du stehst dem ausgefahrenem Fahrwerk beim Ditching genauso skeptisch gegenüber wie ich?

Ich meine: Gear Up, unbedingt!

Wenn man bei dem Video vom Ditching der Kenianischen B767 sieht, was mit dem Flieger passiert ist, als das erste Engine Berührung mit dem Wasser hatte, kann man sich in etwa vorstellen was mit 'Gear Down' passieren könnte. Von den möglichen Strukturschäden durch bei Gear Down offenen Gear Bays mal ganz zu schweigen...

Gruß MAX
 
Wenn ich das richtig in Erinnerung hatte (klar, andere Größenordnung), dann sollte man beim Notwasser mit den Segelflugzeugen ebenfalls das Fahrwerk draussen lassen bzw. ausfahren. Hintergrund war, dass die unterseite ja wie ein Profil geformt ist und aufgrund des anderen Mediums mehr Abtrieb produziert, man wird regelrecht unter Wasser "gezogen". Das Fahrwerk soll hier die Stromlinienform des Rumpfes zunichte machen.
Naja, wie gesagt, andere Liga, aber vieleicht ähnlicher Hintergrundgedanke, denn "früher" wurden Segelflieger auch mit eingefahrenem Fahrwerk gelandet.

Wenn man bei dem Video vom Ditching der Kenianischen B767 sieht, was mit dem Flieger passiert ist,
Notwasserungen sind immer extrem heikel, keine Frage, aber die Jungs hatten auch noch andere Probleme, die erschwärend hinzu kamen.

Von den möglichen Strukturschäden durch bei Gear Down offenen Gear Bays mal ganz zu schweigen...
Die Doors sind ja wieder zu und die Fahrwerke haben genauso wie die Triebwerke Scherbolzen die bei einer Überbelastung abreissen sollen und es dem Fahrwerk/Triebwerk ermöglichen sollen, sich nach hinten "raus zu drehen" bzw. aus den hinteren Aufhängungen raus zu "winden" ohne die Flügelstrucktur in mitleidenschaft zu ziehen (naja, relativ halt ;) )

Letztendlich möchte ich aber nicht mit den Leuten im Flugzeug tauschen wollen, egal ob "vorne" oder "hinten".
 
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