Enteisung: ja oder nein??

AufMUCcer

Mitglied
Hi!

Aufgrund welcher Kriterien wird entschieden, ob ein Flieger enteist wird und was enteist wird? Erfolgt die Entscheidung alleine durch die Crew oder wird es z.T. auch von der Company vorgeschrieben?
Und wer entscheidet mir welchem Typ enteist wird? Crew oder FMG??

Merci
 
Die letzte Entscheidung, ob enteist wird oder nicht hat der Kommandant. In einigen Skandinavischen Ländern, die naturgemäß umfangreiche und teilweise mit vielen Tränen erkaufte Erfahrung mit Cold-WX-Ops haben, kann es allerdings sein, dass die Enteisungsmannschaft eine Entscheidung PRO Enteisung trifft, welche die Crew zwar formal-juristisch übergehen könnte, ich fürchte aber dass ATC einem nicht gehen lassen wird, wenn der Enteiser sagt, es 'wäre nötig'. Völlig ok für mich.

Dazu gibt es ganz klare gesetzliche Bestimmungen, welche sinngemäß sagen:

A pilot shall not take off in an airplane that has
a) frost, snow, slush or ice on any propeller, windschield or power plant installation or adheering to airspeed, altimeter, rate of climb or flight altitude instrument system
b) snow, slush or ice on the wings or stabilizer or control surfaces or any frost on the upper surfaces of wings or sstabilizer or control surfaces

Kurz: Die Tragflächenoberseite muss zum Beginn des Startlaufes aerodynamisch 'sauber' sein. Wenn es einfach nur geschneit hat, wird dies mittels einfachem 'De-Icing' erledigt. Wenn aber aktuell Niederschlag besteht, wird es schon schwieriger, hier ist dann zusätzlich ein 'Anti-Icing' nötig.

Enteist wird grundsätzlich mit einer Mischung aus Glykol, heißem Wasser und Verdickungsmitteln, angepaßt an die Niederschlagsart und die Aussentemperatur. Die Anti-Icing-Fluids binden den fallenden Niederschlag chemisch, ohne dass dieser festfriert und scheren dann im Startlauf bei ca. 80 Knoten mit einem Schwups ab, sodaß die Fläche dann oben 'sauber' ist. Sieht recht interessant aus, wenn man das mal aus der Kabine sieht.

Muss nur wegen nächtlicher Rauhreifbildung de-iced werden, dann ist das recht einfach, auf manchen Stationen kann das sogar auf dem Vorfeld und vor dem Eintrieffen der Crew unter Aufsicht der Technik/Station geschehen. Selbst wenn es an der RWY gemacht werden muß, ist das meistens innerhalb von 5 Minuten erledigt.

Neben Niederschlag und Rauhreifbildung während der nächtlichen Bodenzeit macht oftmals 'Fuel-Icing' ein De-Icing nötig. Dabei bildelt sich Rauhreif oberhalb des in den Tanks befindlichen kalten Sprits, der sich umsomehr abkühlt, je länger der Flug dauert und je kälter die Temps im Reiseflug sind.

Wenn man nun aus welchen Gründen auch immer mit viel kaltem Sprit landet und im Anflug länger in feuchten Wolken rumturnt oder die Luftfeuchtigkeit am Boden hoch ist, dann hat man schnell die Oberseite der Tanks komplett voller Rauhreif, was sich auch bei deutlichen Plus-Temperaturen recht hartnäckig halten kann. Macht sich besonders gut auf südeuropäischen Stationen, auf denen es gar kein De-Icing gibt. Auf diese Weise haben wir mal die Kantine am Airport in Valencia sehr intensiv kennen gelernt.

Schwieriger wird es, wenn tatsächlich Niederschlag besteht. Hier muß dann die sog. 'Holdover-Time' (HOT) beachtet werden, die besagt wie lange die Chemie in der Flüssigkeit wirkungsvoll bleibt und innerhalb derer der Takeoff begonnen werden muss. Selbst die 'modernsten' Flüssigkeiten (Typ IV) stossen bei niederschlagsreichem Wetter schnell an Ihre Grenzen. Ausserdem fängt die HOT mit dem Beginn des 'Anti-Icing' an zu laufen, also tickt die Uhr schon während der Behandlung. 15 Minuten für Enteisung, Checklisten, Warten auf die Lücke Verkehr können schnell zu wenige sein.

Da in MUC bei Niederschlag meistens 2-Step-Procedure angesagt ist (erst Matsch runter als De-Icing mit Typ I, dann Protection durch Anti-Icing mit Typ IV), kann das dann schonmal länger dauern, auch wenn sebst bei medium FLiegern schon mit 3 Trucks gearbeitet wird. Vorletzten Winter hat es bei moderate Snow teilweise > 20 Minuten je Flieger gedauert!

Grundsätzlich gilt noch zu sagen, dass undere Tabellen nur für light to moderate precip gelten, bei starkem Niederschlag bewegt man sich schon in einer Grauzone. Bei Freezing Rain ist soagr schon bei -FZRA Schluss, wenn Ihr also den Airport dicht machen wollt, einfach nur mod. FZRA auf die ATIS und das wars.

Die Wahl der Flüssigkeit trifft normal der Enteiser, der ja auch das Wetter und die HOTs kennt. Allerdings hat auch hier wieder die Crew das letzte Wort, wobei in MUC ohnehin nur zwischen I und IV gewählt werden kann. Ich werde nachher mal versuchen eine HOT-Tabelle zu posten. Typ IV hat ziemlich starke Verdickungsmittel drin, was einerseits eine lange HOT ergibt, andererseits aber bei Fliegern ohne hydraulisch betriebenen Flight Controls zu teilweise üblen Problemem führen kann, wenn sich das Zeug in irgendwelchen Ritzen sammelt und dann später dort festfriert. Auf dem Avro durften wir eine Zeit lang gar nicht mehr mit Typ IV enteisen.

Ansonsten müssen wir für die ganze Enteiserei eine sehr lange Checkliste lesen und erst dann kommen die 'Items' welche normal nach dem Anlassen gemacht werden (Klappen fahren etc), d.h. nach Enteisungsende brauchen wir u.U. nochmal 5 Minuten bevor wir 'ready' sind.

Da besonders bei Dunkelheit und Niederschlag und Temperaturen um den Gefrierpunkt mittels Blick aus dem Kabinenfenster schwer zu beurteilen ist, ob 'das da draußen' nun angefroren ist oder nicht, können nur 'echte Helden' dies aus dem Cockpit beurteilen. Daher wird im Zweifelsfall einfach enteist. Eine Möglichkeit des 'Hands-On-Check' wie in Skandinavien üblich gibt es in D leider nicht und wenn ich auf irgendwelchen Leitern rumklettere um mal mit der Hand auf die Fläche zu fassen bin ich nicht versichert, muss diese Entscheidung 'im Zweifel' leider sehr oft getroffen werden.

Allerdings gibt es schon noch 'echte Männer' welche die Entscheidung, ob enteist werden muß oder nicht eher vom zu erwartenden Delay abhängig machen als vom Wetter. Da geht mir dann schon der Hut hoch, wenn wir 2 Stunden oder mehr warten als Number 30+ und dann kommen Kollegen mit tief verschneitem Flieger vorbeigerollt und sagen 'negative De-Icing'.

Die generelle Einstellung hat sich in den letzten Jahren nach einigen Unfällen nochmals geändert, während es früher trotz gleichlautender Vorschriften z.B. bei leichtem Flieger durchaus üblich war, mit ein paar m² Rauhreif auf der Fläche zu starten, wird jetzt einfach enteist. Das NTSB hat dazu ein paar schöne Bulletins veröffentlicht: http://www.ntsb.gov/PressRel/2004/041229.htm Kurzum: Ein paar Salzkörner oben auf der Fläche reduzieren den Auftrieb um bis zu 30%. Hat sich aber offenbar noch nicht bis zu allen Companies rumgesprochen. :thbdwn:

Alle Klarheiten beseitigt?

Gruß MAX
 
Allerdings gibt es schon noch 'echte Männer' welche die Entscheidung, ob enteist werden muß oder nicht eher vom zu erwartenden Delay abhängig machen als vom Wetter. Da geht mir dann schon der Hut hoch, wenn wir 2 Stunden oder mehr warten als Number 30+ und dann kommen Kollegen mit tief verschneitem Flieger vorbeigerollt und sagen 'negative De-Icing'.
In dem Fall könnte noch die Luftaufsicht ein Startverbot aussprechen, solange das Flugzeug nicht enteist ist.
 
Soweit die Theorie:whistle:

Eher wird in Deutschland ein VFR-Flieger 'verhaftet', weil er auf einer 2.800 Meter-Bahn keine Startstreckenberechnung für eine C182 vorweisen kann, als dass jemand Probleme bekommt, der relativ erfolgreich versucht, im gewerblichen Verkehr sich und sein Paxe umzubringen.

Ich bin einige Zeit von NUE aus geflogen und habe den Glauben an die Luftausicht und die Landesbehörden seitdem engültig verloren.

Gruß MAX
 
Hallo Jettrail,

danke für deinen Beitrag. Du bist also aktiv in der Enteisung in MUC / bei der EFM tätig? Dann hätte ich ggf. mal ein paar Fragen an Dich.

Ansonsten danke für die Ausführungen, die Sache mit den Rückständen habe ich nicht weiterverfolgt, seit ich 1999 den Avro (BSe146) verlassen habe.

Mit dem Hands-On-Check meinte ich eher die Variante, dass an der Parkpositionn jemand kommt und mir sagt, ob der Regen auf meiner kalten Fläche schon gefriert oder nicht bzw. ob das Rauhreif oder nur Feuchtigkeit über den Tanks ist.

In Skandinavien gibt es dazu eigene Fahrzeuge (US-Van) mit einer verstellbaren Leiterplattform auf dem Dach (ich mache beim nächsten Mal ein Foto) mit dem ohne Kraxelei jede Stelle auf der Fläche erreichbar ist. Die fragen jedesmal nett, ob man mitgehen will und von dem Ding kann nicht mal ein besoffener Wickinger runterfallen.

Das fehlt bei uns eindeutig, müsste wahrscheinlich unsere Technik machen, die hat sowieso schon genug zu tun. Wir sind auch schon mal mit Passagier-Treppen ans Höhenleitwerk gefahren, um zu schauen, ob da was liegenbleit und um uns Stunden von De-Icing-Delay zu ersparen.

Ganz klar geht die Sicherheit vor, aber es gibt schon Tage wo man sich schwer dazu durchringen muss, diese Entscheidung zu treffen und dies nur, weil man kein anständiges Arbeitsmittel zur Verfügung hat. Das Mitleid für die Company (finanziell und operationell) hält sich dabei in sehr engen Grenzen, aber da hinten sitzen 150+ Gäste, die sich den Tag etwas anders vorgestellt haben. Aber trotzdem nochmals ganz klar: Bei uns wird im Zweifel IMMER enteist. Auch wenn es 4 Stunden dauert.

Bei den ganzen Fliegern mit Tail-Mounted-Engines gewinnt der Check nochmals an Bedeutung, allerdings sind da die Tragflächen i.d.R. auch besser zugänglich (Tiefdecker), evtl. sogar vom Boden aus mit kleiner Leiter.

Viele Grüße, MAX
 
Was mich noch interessiert ist, welche Checks bzw. Aktionen nach dem De-Icing durchgeführt werden... wie unterschiedlich sind die bei verschiedenen Flugzeugmustern oder angebrachten Enteiseungsflüssigkeiten?
Wann wird ein Run-Up durchgeführt, mit wieviel % Take-Off-Thrust und wie lange dauert dieser im Durchschnitt?

Danke!
 
Also ich bin mir nicht sicher, welche Checks Du genau meinst...

Grundsätzlich ist nach der Enteisung der sog. 'Post De-Icing/Anti-Icing Check' fällilg, der aber nur besagt, das alle zur Enteisung 'bestellten' Bereiche des Fliegers auch tatsächlich Eisfrei sind. Für die Durchführung ist idR die Enteisungsfirma zuständig. Beim Enteisen in etwas exotischeren Gefilden wäre es zwar wünschenswert, dass die Crew selbst nochmal einen genauen Blick wirft. Ein Blick durch das nasse Kabinenfenster evtl. noch ohne Tageslicht ist aber relativ sinnfrei. Eine Treppe und einen Hubwagen kommen zu lassen führt höchstens dazu, dass dann die Hold-Over-Time bestimmt abgelaufen ist.

Nach dem Enteisen müssen zunächst noch etliche Schaltungen rückgängig gemacht werden, mit denen man den Flieger zum Enteisen bereit gemacht hat. Ein Großteil davon beschäftigt sich damit, die verschiedenen Luftquellen abzuschalten, sodaß kein Enteisungsmittel in die Klimaanlage gelangen kann. Dass stinkt nicht nur recht arg, sondern kann dann wenn es in der 'Air-Cycle-Machine' erhitzt/verdampft wird auch zu unschöner Rauchentwicklung führen.

In der Luft muss dann natürlich wieder die normale Konfiguration der Klima-/Druck-Systeme hergestellt werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:

1. Start ohne Druckkabine
2. Start mit Druckversorgung über die APU
3. Start mit Druckversortgung über die Triebwerke

1. Ist vom Handling am einfachsten, allerdings wird es im Flieger schon nach wenigen Minuten unangenehm warm und stickig. Ist daher besonders bei vollem Flieger oder langer Wartezeit nach dem Enteisen (zB LVO) keine gute Idee.

2. Hier muss man lediglich 60 Sekunden nach dem Ende der Enteisung warten und dann die APU-Bleed-Air wieder einschalten. Kostet halt ein bisschen Sprit extra (120 kg/h).

3. Hier muss ein Run-Up durchgeführt werden, falls die Triebwerke beim Enteisen liefen. Da ein Run-Up auf den DAs nicht möglich ist, ist dieses Verfahren die 'umtima ratio' und würde hauptsächlich dann angewendet, wenn das Wing-Anti-Ice für den Start benötigt wird. Da dieses im Gegensatz zum Engine-Anti-Ice nur mit eingeschalteter Engine Bleed Air funktioniert, ist hier der Runup Pflicht. In MUC würde es evtl. helfen dort wo vorhanden eine Enteisung in einem der 'Loops' zu requesten (z.B. die DAs1 im Norden) und den Runup dann nach Verlassen der DA und dem 'Turn' zu machen. Ansonsten müssten wir den Run-Up leider auf der Bahn machen.

Der Run-Up wird mit ca. 60% Drehzahl (das ist etwa das Powersetting für den Anflug) durchgeführt und dauert 10 - 15 Sekunden.

Ansonsten wird bei den meisten Flieger mit eingefahrenen Flaps/Slats enteist. Diese würden normalerweise nach dem Anlassen der Triebwerke bei den 'After Start Items' ausgefahren. Also werden diese Items nebst Checklist dann bis nach dem Enteisen zurückgestellt.

Danach kämen dann noch die Take-Off Checklist und 'schon' sind wir ready.

Generell ist es so, dass die Checklisten einiges an 'Kleingedrucktem' enthalten, das man weglassen kann wenn beide Kollegen bestätigen, dass sie mit dem Inhalt vertraut sind. Wenn man zum dritten Mal am selben Tag enteist, geht es also sicherlich etwas schneller als beim ersten Mal im Herbst.

Es gibt also ein recht breites Zeitfenster, welches zwischen Ende der Enteisung und 'ready for departure' liegen kann. Ich würde sagen, so zwischen 2 und 10 Minuten.

Gruß MAX
 
Gestern fragte ein Germanwings-Kutscher (der grad zum zweiten Mal enteisen musste weil er nicht innerhalb der HOT raus konnte), ob denn laut ATIS noch FZFG-Bedingungen herrschen. In der Tat war FZFG noch aktuell und er bemerkte (meiner Meinung nach zu recht), dass er sich dann wundere über alle anderen Kollegen, die gar nicht enteisen mussten/wollten etc. Wie kann es sein, dass
1. bei FZFG so wenige (ich würde schätzen vllt. 2-5% aller Dep.) enteisen wollten
2. erwähnter Pilot eine HOT von nur 15min hatte??
Laut oben stehender Tabelle müsste er eine HOT von ca. 30min haben oder er hat mit TypI enteist...
 
Grundsätzlich entscheidet natürlich die Crew ob tatsächlich enteist werden muss, dabei ist nicht nur die OAT zu beachten, sondern auch die niedrigste Tanktemperatur die natürlich bei jedem Flieger unterschiedlich und primär davon anbhängig ist, wie lange der vorherige Flug war und wie das verhältnis von kaltem, mitgebrachtem Sprit zur warmen nachgetankten Menge ist.

Flugbetrieb bei Wetterlagen mit gefrierendem Niederschlag ist sehr grenzwertig, jeder der auf dem Apron bei FZRA/FZDZ trotz Sandstreuung auf die Fr... gefallen ist weiß was ich meine. Allerdings ist bei RA/DZ definitionsgemäß die Tröpfchengröße und damit die enthaltenen 'Menge an Kälte' wesentlich höher als nur bei FG.

Damit ist bei FZFG und besonders bei (-FZFG) die auf dem Flieger abgelagerte Niederschlagsmenge so gering, dass man alleine deswegen nach einer normalen Turn-Around-Zeit von 30-60 Minuten nicht unbedingt wird enteisen müssen.

Das viel größere Problem bei Nebel/Hochnebel-Wetterlagen und Temperaturen am Boden nahe bzw. unter dem Gefrierpunkt ist, dass man im Anflug an den Staupunkten (also hauptsächlich die Profilvorderkanten der Tragflächen und Leitwerke) einiges an Eis aufpacken kann.

Selbst bei dünnen Wolkenschichten und Duchflugszeiten unter einer Minute können gerade in feuchter (Low) Stratus-Bewölkung bereits einige Millimeter Vereisung entstehen.

Leider verfügen nicht alle Flugzeuge über eine Enteisungsanlage für ALLE Vorderkanten, der A320 enteist z.B. nur den Bereich der äußeren 3 Slats, die inneren beiden sind unbeheizt ebenso wie die Vorderkanten von Seiten- und Höhenleitwerk. AI sagt, dass selbst ganz ohne Wing-Anti-Ice die Zulassungskriterien erfüllbar wären, was ja viel über selbige aussagt und einmal mehr unterstreicht, dass KEIN Airliner für den Flug in SEVERE Icing zulassbar ist!

Also steht an einem solchen Tag ein A320 mit der besagten Eisnase auf der Vorderkante vom Höhenleitwerk und die muss weg, während z.B. ein Avro, bei dem die ganze Wing und der Stabilizer enteist wird kein Problem hat.

Meistens hat es am Boden halt doch +1 oder +2 Grad und das reicht um das Zeug nach einer halben Stunde abrutschen zu lassen. Wie war denn die OAT zu dieser Zeit?

Zur Hold-Over-Time: Der Enteiser schlägt ein Mittel und ein Mischungsverhältnis vor (in MUC gibt es nur I und IV) und die Crew sagt ja oder nein. Allerdings hatte ich letzten Winter auch 2x den Fall dass in den aktuell verfügbaren Fahrzeugen nur Typ I vorhanden war und dann die HOT nicht bis zur nächsten Lücke im Anflug gereicht hat, also mussten wir nochmal enteisen. Diemal mit Typ Iv...

Das kann aber natürlich auch bei entsprechend niedrigem Anteil an Typ iV passieren, denn bei Typ IV, 50%, >-3° und FZFG ist die HOT gerade mal 11-17 Minuten und davon geht ja die Dauer des Enteisungsvorganges noch weg!

Gruß MAX
 
beim Versuch eines visuellen Checks der Tragflächenvereisung hat gerade ein Cpt. eines Busses beim öffnen der des Overwingexits die Notrutsche abgeschossen...
 
Weißt du zufällig die Registration????

Der TLB-Eintrag dazu würde mich sehr interessieren.......
 
Prinzipiell wäre es ja möglich, das komplette Flugzeug aussen zu beheizen. Kostet natürlich Gewicht und Energie ohne Ende, aber machbar wäre es, denke ich. Nur: Die ewige Enteiserei ist auch nicht grad billig, gerade wenn man den Zeitfaktor mit einrechnet. Wenn ich da lese, das gleich zweimal die HOT abgelaufen war, und man zum dritten Mal den Eisbär rufen musste, na vielen Dank.
Darum wollt ich mal so in die Runde werfen: Meint ihr, daß es unterm Strich Vorteile hätte, wenn mehr Bereiche der Flugzeuge mit Eisabwehr-Systemen ausrüsten würde? Und wenn ja, welche?
 
Tolle Idee.

Leider wäre damit kein wirkungsvolles 'Anti-Icing' als Vorbeugung gegen Vereisung während der Ground-Operation und des Takeoffs möglich, da Schmelzwasser unkontrolliert an unbeheizten Teilen der Struktur festfrieren könnte. Es müsste also trotzdem das ganze bodenseitige Enteisungsgerät vorgehalten werden oder man stellt den Flugbetrieb bei Niederschlag im Winter ein.

Mal abgesehen davon, das ein Teil der Weltflotte wahrscheinlich so gut wie nie ein Enteisungsfahrzeug aus der Nähe sieht und selbst hier in Europa die Anzahl der Enteisungen pro 100 Starts (aufs Jahre gesehen) im einstelligen %-Bereich liegt, also evtl. Bordseitig verbaute Ausrüstung spritfressend den Großteil des Jahres 'spazieren' geflogen würde, bleibt immer noch das übliche Problem mit dem Ersten Grundgesetz der Naturwissenschaften:

'Von nix kommt nix'. Sprich wo soll denn die Energei dafür herkommen?

Ein A320 hat eine Wing-Area von ca. 120 m². Wenn darauf 5 cm Pulverschnee liegen, sind das ca. 600 kg Wasser.

Um diese zu schmelzen ist eine Energie von ca. 55 kWh nötig, nicht mitgerechnet das evtl. nötige Erwärmen auf 0°C und das Mitaufheizen der Flügeloberfläche.

Um mit einem (illusorischen) Wirkungsgrad von 100% in akzeptabler Zeit (z.B. 15 Minuten) eine Energie von 55 kWh zu erzeugen ist eine Leistung von 200 kW nötig (im 115V-Bordnetz würde ein Strom von 1800 A fließen!). Leider haben unsere Genratoren aber nur je 90 kW und davon muß auch noch die 'Grundlast' gedeckt werden.

Alternativ könntest Du aber auch ca. 5 Liter Jet-Fuel über dem Flieger ausschütten und verbrennen, dabei werden auch 55 kWh frei. ;)

Das ganze sieht bei Schneematsch, -10°, FZRA oder einem komplett verschneiten Rumpf natürlich noch wesentlich übler aus.

Leider haben die ganzen 'alternativen' Enteisungsverfahren (IR-Deicing in Skandinavien, Gantry in MUC) im Alltagsbetrieb so große Einschränkungen, dass sie insgesamt gesehen (zumindest derzeit) nicht wirtschaftlich zu betrieben sind.

Gruß MAX
 
Max, du hast mit deinen Ausführungen wie immer vollkommen recht. Nur: Ich schrieb bewusst "mehr" Breiche, nicht "alle". Im Vergleich zu deinen 55kWh wäre es ganz interessant, wieviel Strom ein derzeit aktuelles Anti-Ice benötigt. Ausserdem gibt es ja noch die prinzipielle Möglichkeit mit Warmluft, erzeugt durch Verbrennung von Sprit, zu arbeiten, um die Generatoren nicht zu stark zu belasten. Wenn die Lösung soo super einfach wäre, hätte man sie schon längst umgesetzt - ich gehe nicht davon aus, hier ein neues *Ei des Kolumbus* zu finden...
Und da du es angesprochen hast: Was war genau das Problem mit der Gantry? Damals wurde sie als wahren Wundermittel angepriesen, heute ist es nur noch Schrott. Und das Hauptargument, welches ich fand war, daß Grossflugzeuge wie der A380 nicht durchpassen würden. Irgendwie habe ich meine Zweifel, daß das allein der ausschlaggebende Grund war, die Gantry wieder abzubauen. Schliesslich dauert es noch ein oder zwei Winter, bis der A380 zum häufigen Gast in MUC werden wird...
 
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