Bewerbungen schreiben gehört in jedem anderen Beruf zum Selbstverständnis. Nur Piloten scheinen immer noch der Überzeugung zu sein, ihnen müsse ein Arbeitsplatz angediehen werden. Verkehrte Welt.
Hallo Terrier, ehrlich gesagt kam für mich diese Aussage im Zusammenhang mit wartenden Flugschülern wie ein Schlag ins Gesicht. Wie C9T1 schon dankenswerterweise erklärt hat, sind wir vertraglich und rechtlich an die LH gebunden. Wir haben außer einem PPL absolut nichts in der Hand, womit wir fliegerisch etwas anfangen könnten. Du kannst mir glauben: Wäre es uns rechtlich möglich, uns irgendwo anders zu bewerben, würden wir das sofort tun. Es gibt neuerdings eine Kooperation mit Tyrolean, die unter größten bürokratischen Hindernissen geschaffen wurde. Für diese handvoll Stellen gab es eine riesige Menge an internen Bewerbungen. Am mangelnden Willen, Bewerbung zu schreiben, liegt es also nicht.
Dazu kommt noch der Fakt, dass man selbst mit abgeschlossenem Studium und selbst innerhalb des "eigenen" Konzerns praktisch unvermittelbar ist. Jeder potentielle Arbeitgeber fürchtet, dass man ja im Handumdrehen von LH gerufen werden könnte, wodurch überhaupt nicht planbar ist, wie lange man im Job zur Verfügung steht. Als Konsequenz sind paradoxer Weise gerade Leute mit abgeschlossener Berufsausbildung/Studium momentan in der Wartezeit in der schlechteren Position und müssen sich mit Praktika oder nem Job an der Supermarktkasse für Jahre (!) über Wasser halten, während Leute ohne Studium die Zeit für eben solches nutzen können.
Du schreibst, dass niemand einen Arbeitsplatz im KTV versprochen hat - sieh dir doch einfach mal die Website an, auf der wir alle uns damals beworben haben (
lufthansa-pilot.de), am besten auch in den Archivversionen von vielleicht 2008. Ja, der Vertrag, den wir mit LH haben, ist windig - war es aber tatsächlich naiv zu glauben, dass ein Unternehmen, dass ein Inbegriff der Verlässlichkeit war und soziale Verantwortung übernommen hat, für uns als erste Generation nach 60 Jahren all dies nicht einfach so über Bord werfen würde?
Herr Spohr hat in Bezug auf unsere Situation argumentiert, dass ein Juraabsolvent, der gerne für BMW arbeiten würde, wohl auch nicht auf die Idee käme auf BMW sauer zu sein, nur weil er direkt nach dem Studium dort keinen Arbeitsplatz angeboten bekommt. Im Unterschied zu uns kann dieser Jurist jedoch bei jedem anderen Arbeitgeber vorstellig werden - was Herr Spohr einfach ausblendet.
LaPlanche hat gesagt.:
Diese Situation der Flugschüler ist doch nicht erst seit dem "Amoklaufenden VV" so. Auch unter den anderen VV mussten die Flugschüler teils sehr lange warten, bevor sie fliegen durften. Für diese Situation Sport verantwortlich zu machen, ist zu einfach.
Wie wernerhuss bereits schön beschrieben hat, gab es klar immer schon Wartezeiten - nur eine völlige Perspektivlosigkeit wie bei uns (Wird man uns jemals einen Arbeitsvertrag anbieten? Wenn ja, kann man davon dann noch leben?) gab es jedoch meines Wissens noch nie. Und das hat definitiv Herr Spohr mit seiner Ausflaggungspolitik zu verantworten.
Ich wünsche niemandem bei EW die Arbeitslosigkeit. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Arbeitsplätze bei EW einen Preis haben. Und der besteht in der Arbeitslosigkeit von NFF.
Darüber hinaus entstehen im Konzern ja durchaus Arbeitsplätze (die EW CR9 verschwinden ja auch nicht gänzlich aus der Konzernflotte), beispielsweise bei SXD auf dem A330. Es findet "nur" eine Umverteilung statt, zu Lasten derer die sich nicht wehren können.
Und um noch mit einem letzten Vorurteil aufzuräumen: Nein, Flugschüler sind nicht, wie Frau Volkens immer gerne an die Presse gibt, im Schnitt 22 Jährige Abiturienten. Hierunter sind viele Leute jenseits der 30, zum Teil mit Kindern.
Ich danke C9T1 und wernerhuss für die super Argumentation hier! Viele Grüße aus der Arbeitslosigkeit.