Der Kranich fliegt mit immer saubereren Schwingen
Donnerstag 30. September 2004, 06:59 Uhr
Flugzeuge gelten als Dreck- und Lärmschleudern. Dass es über den Wolken und am Boden nicht so sein muss, macht der Kranich vor, die deutsche Lufthansa. Ihre Flotte ist eine der modernsten und umweltverträglichsten ihrer Größe, meint Bernhard Bauske, Leiter strategische Unternehmenskommunikation der Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature.
FRANKFURT. Durch langfristige Investitionsplanung und starke Modernisierung hat der Kranich sein Wachstum im Passagierverkehr größtenteils von seinen Umwelteinflüssen entkoppelt.
Die Anstrengungen und hohen Investitionen zahlen sich aus: nicht nur durch Lob von Experten und Um-weltschützern, sondern auch ökonomisch durch niedrigere Gebührensätze, weniger Treibstoff- und Energiekosten sowie geringeren Motorenverschleiß. Wir sehen die Lufthansa zudem bewusst als nachhaltiges Investment, sagt Karlheinz Haag, seit zwei ein halb Jahren Leiter des Bereichs Umweltkonzepte. In der Frankfurter Konzernzentrale ist man daher stolz, seit Jahren eine Spitzenposition im weltweit führenden Nachhaltigkeitsindex Dow Jones Sustainability Index (DJSI) zu halten. Lufthansa und British Airways sind beide extrem gut. Im Umwelt- und Sozialbereich sind die Deutschen Branchenführer, urteilt Aino Piekkola, Analystin bei dem für den Index zuständigen Schweizer Fi-nanzdienstleister SAM Indexes.
Die Konzernflotte benötigte 2003 nach Firmenangaben durchschnittlich nur noch 4,3 Liter Kerosin, um einen Fluggast 100 Kilometer weit zu fliegen. Das sind gut 27 % weniger als 1991. Manche Chartergesellschaften kämen dank einer strukturell besseren Auslastung als Liniengesellschaften zwar auf noch bessere Werte, aber im Vergleich zu anderen Liniengesellschaften könne sich das Resultat sehen lassen, meint Bauske. Nur im Frachtbereich flögen noch einige ältere Maschinen.
Dem Konzern gelang es in den letzten 12 Jahren, sein Verkehrswachstum deutlich von den Emissio-nen zu entkoppeln. Unser Ziel ist, dies auch in der Zukunft zu erreichen, sagt Haag (Oslo: HAG.OL - Nachrichten) . Das wäre ein großer Schritt nach vorne aber nur, wenn das Wachstum nicht auf weniger ehrgeizige Partner verlagert wird, urteilt Christoph Bals, Leiter Klimaschutz der Umweltorganisati-on Germanwatch.
Anfänglich investierte die Lufthansa nur aus Wirtschaftlichkeitserwägungen in modernere Flugzeuge. Sie benötigen weniger Treibstoff und weniger Wartung, sind also effizienter. Dass zugleich umweltschädliche Emissionen sanken war ein glücklicher Zufall, wie Haag einräumt. Inzwischen aber hat sich Emissionssenkung zu einem fast gleichrangigen Ziel wie Effizienz entwickelt.
Dabei entstehen allerdings ständige Zielkonflikte. Die Kostenaufstellung einer jeweiligen Investition enthält auch Kosten, die durch Vorgaben des Umweltmanagements entstehen. Die Gewichtung innerhalb der Tabelle verschiebt sich zugunsten von Umweltaspekten, berichtet Haag. Das Einkaufssystem berücksichtige immer mehr nicht nur aktuelle Umweltkriterien sondern auch längerfristige Folgewirkungen von Investitionen. Das gelte für Emissionen klimaschädlicher Treibhausgasen wie CO2 sowie für Lärm.
Bei jedem Flugzeugkauf gibt es darüber heftige Diskussionen. So ging der Streit beim Airbus A330 um die Wahl der Triebwerke, bei denen Effizienz, Emissionen und Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen sind. Hier hat Haag genauso eine Mitspracherecht wie der Leiter des Flottenmanagements. Da stöhnt schon mal einer über den Öko-Freak Haag, wie Mitarbeiter berichten. Den ficht das nicht an: Meine Job ist es, Argumente zu finden, die überzeugen, auch wenn man dann aneckt. So gaben seine Argumente den Ausschlag, das leiseste Triebwerk zu wählen.
Was rät Haag, um nachhaltiges Management erfolgreich zu realisieren? Erstens ist wichtig, Auseinan-dersetzungen zuzulassen, sowie zweitens eine Umweltabteilung mit Vollzeitstellen zu etablieren und sie direkt an den Vorstand an zu knüpfen. Er berichte monatlich an den Vorstand, was im Luftfahrtsektor vorbildlich sei. Der Konzern sei damit tatsächlich relativ gut aufgestellt, meint Bals. Er habe allerdings den Eindruck, dass die Abteilung manchmal zögere, dem Vorstand brisante Themen vor zu legen.
Anders als bei vielen Fluggesellschaften seien in seinem Bereich nach dem Anschlag am 11. September aber keine Projekte gestoppt oder storniert worden, berichtet Haag. Nur die Ausgaben hätten etwas sinken müssen. Wenn das Geld knapp ist, kommt man auf kreative Ideen und Lösungen, indem man sich zum Beispiel um Forschungsgelder bemüht und sich wissenschaftlichen Evaluierungen stellt. Uns bringt das zusätzliche Mittel, mit denen wir zukunftsweisende Maßnahmen zur Emissions- und Lärmminderung vorantreiben können. Viele Flugzeuge unterschreiten inzwischen die weltweit strengsten Lärmvorschriften. Auch innovative Boden-Technik trägt zu geringerer Lärmbelastung und sinkenden CO2-Belastungen bei. Für den Konzern zahlt sich das auch dadurch aus, dass er beziehungsweise die Tochter City Line auf den Flughäfen Frankfurt und Amsterdam nur die niedrigsten Gebührensätze entrichten müssen.
Manchmal muss mit den Flugzeugproduzenten hart verhandelt werden. Beim Kauf des Großraumflugzeugs A380 wurde scharf verhandelt, um das Flugzeug leiser zu bekommen. Zielkonflikte sind oft ein Ansporn, neue technische Lösungen zu finden, ist Haags Erfahrung. Die Maschine wurde so lange verbessert, bis Airbus warnte, dass jede weitere Lärmminderung den Treibstoffverbrauch und die Emissionen erhöhen werde.
Nachdem die Flotte kleinerer Flugzeuge wie der A320 relativ jung ist, konzentriert sich die Branche zur Zeit auf die Entwicklung emissionsarmer Großflugzeuge. Da Flugzeuge sehr langfristige Investitionen seien, die zum Beispiel über 12 Jahren abgeschrieben würden, brauche eine Airline Planungssicherheit. Immerhin beträgt der Listenpreis für eine A380 inklusive Triebwerke je nach Spezifikation 270 bis 290 Mill. Euro. Man muss sich daher auf wenige, strategische Projekte konzentrieren. In einem nächsten Schritt stünden sicher wieder die kleineren Typen im Fokus. Jedoch gebe es auch bei ihnen immer wieder Verbesserungsideen, die laufend integriert würden.
Die Forderung mancher Umweltschützer, die Carrier sollten ihre Emissionen absolut senken, sei angesichts der hohen Nachfrage nach Flügen jedoch technisch nicht umsetzbar, sagt Haag. Eine weitere Emissionssenkung sei aber wünschenswert, meint Analystin Piekkola. Es wäre besser, wenn die Lufthansa bei Inlandsflügen nicht auf den Ausbau des Frankfurter Flughafens drängte, sondern noch stärker mit der Bahn kooperieren und eine Verringerung der Inlandsflüge anstreben würde, meint Bauske. Die AiRail-Verbindungen Frankfurt-Stuttgart und Frankfurt-Köln seien Schritte in die richtige Richtung.