"Durchbruch für Transrapid"
Verkehrsminister Erwin Huber: OB Ude ist verblendet
Beim Transrapid läuft die heiße Planungsphase. Der Bund hat jetzt 50 Millionen Euro für die Planung zur Verfügung gestellt, doch die Gesamtfinanzierung ist noch unklar. Wir sprachen mit Bayerns Verkehrsminister Erwin Huber (CSU) über Münchens OB Ude, dessen Alternativprojekt MAEX-Express-S-Bahn und die Furcht vor dem Scheitern des zweiten Stammstreckentunnels.
Herr Huber, mal Hand aufs Herz: Glauben Sie noch an den Transrapid?
Erwin Huber: Felsenfest. Der Transrapid kommt.
Sie haben jüngst die Express-S-Bahn MAEX, die OB Ude favorisiert, in der Luft zerrissen. Fürchten Sie, dass sich das Alternativprojekt durchsetzt?
Huber: Ich bin sicher, dass der MAEX nie realisiert wird.
Was macht Sie so sicher?
Huber: Der MAEX ist ohne zweite Stammstrecke und Erdinger Ringschluss nicht möglich. Das heißt, er wäre nicht vor 2020 fertig. Beim Transrapid haben wir nächstes Jahr Baurecht, da liegen Welten dazwischen. Dazu kommt, dass beim zweiten Stammstreckentunnel die Finanzierungsvereinbarung noch nicht unterschrieben ist.
Könnte der Tunnel, der für den Nahverkehr so wichtig wäre, noch scheitern?
Huber: Wir wollen den Tunnel, er ist notwendig. Aber er könnte eher scheitern als der Transrapid. Der Transrapid hat allein verkehrspolitisch einen Nutzen-Kosten-Faktor von 1,5, ein überragender Wert. Das heißt, der Nutzen übersteigt die Kosten weit. Zum Vergleich: Der zweite Stammstreckentunnel hat einen Koeffizienten von 1,07.
Hat es Sie getroffen, dass die Industrie jüngst sagte, sie werde sich nicht finanziell am Transrapid beteiligen? Sie selbst hatten auf 100 Millionen Euro gehofft.
Huber: Die Industrie weist darauf hin, dass sie 300 Millionen Euro für die Entwicklung des Transrapids ausgegeben hat. Für mich ist wichtig, dass sich Thyssen-Krupp und Siemens zu ihrer Mitverantwortung bekannt haben. Sie bewerben sich auch für das Projekt. Wir wollen in den Verhandlungen einen Beitrag der Industrie erreichen. Ob das technische oder Garantie-Leistungen sind, muss man sehen. Aber die Industrie muss irgendwie zum Projekt beitragen.
Warum laufen die Gespräche über die Transrapid-Finanzierung so schleppend?
Huber: Der Bund ist verantwortlich für das Projekt, er muss das in die Hand nehmen. Es ist zwar ein Projekt in Bayern, aber von nationaler industrie- und technologiepolitischer Bedeutung.
In der Berliner SPD wachsen die Zweifel am Transrapid...
Huber: Es ist ein Leuchtturmprojekt und steht so im Koalitionsvertrag, den die SPD unterschrieben hat. Und die SPD hat gerade auch der Freigabe der 50 Millionen Euro Planungsmittel für die Münchner Transrapid-Strecke zugestimmt. Das war der Durchbruch. Das ist die Basis, dass erstmals Bundesmittel für die Planung des Münchner Transrapids fließen können.
Erwarten Sie, dass Bundesverkehrsminister Tiefensee mehr Geld als die bisher zugesagten 550 Millionen Euro zuschießt?
Huber: Ich halte die Finanzierungsfrage für lösbar. Und wir wissen: Wenn Deutschland den Transrapid verwirklichen will, gibt es nur die Münchner Strecke. Wenn die scheitert, wird es keinen weiteren Anlauf geben.
Sie treiben das Projekt voran, obwohl eine große Finanzlücke klafft. Läuft das nach dem Motto: Jetzt haben wir schon so viel ausgegeben, da zahlen wir auch den Rest?
Huber: Bei keinem Straßen- oder Schienenprojekt liegt bei Baubeginn das Geld auf dem Tisch. 1,85 Milliarden Euro sind zwar zweifellos
eine Menge Geld. Der Bund hat aber 2,3 Milliarden für die Magnetbahntechnologie reserviert. Beim zweiten Stammstreckentunnel steht die Finanzierung wegen der Rechnungshof-Prüfung auch noch nicht endgültig, und trotzdem läuft die Planfeststellung weiter. Da höre ich keinen Protest.
Wird Bayern mehr als die zugesagten 185 Millionen Euro zuschießen?
Huber: Wir können am Anfang von Verhandlungen nicht sagen, was am Ende herauskommt. Die Bahn will aus der Erwartung künftiger Gewinne zehn Prozent beisteuern, das sind 185 Millionen Euro. Wir bieten den gleichen Betrag. Das Projekt verbindet zwei Verkehrsträger, einen Hauptbahnhof und einen Flughafen von europäischer Bedeutung. Deshalb hat die EU 7,5 Millionen Euro für die Planung zugesagt. Bis 2011 hat die EU 6 Milliarden Euro für Verkehrsprojekte in ihren Töpfen. Ich würde sagen: Sie sollte den gleichen Betrag zahlen wie Bahn und Bayern, dann hat man mit den zugesagten Bundesmitteln schon über eine Milliarde. Alle Beteiligten müssen sich aufeinander zubewegen. Dann ist die Finanzierungsfrage lösbar.
Wie will sich der Münchner Flughafen beteiligen?
Huber: Ein direkter finanzieller Beitrag ist nicht möglich. Aber die Flughafen GmbH könnte den für den Transrapid nötigen Bahnhof bauen, der unter den Flughafen geführt wird. Er wird rund 50 Millionen Euro kosten.
Wer soll eigentlich mit dem Transrapid fahren, wenn die Fahrt 25 Euro kostet?
Huber: So teuer wird es nicht werden. Die Bahn als Transrapid-Betreiber ist schließlich nicht frei in ihrer Preisgestaltung. Sie will die Strecke bei erhofften acht Millionen Fahrgästen im Jahr ja mit Gewinn betreiben. Natürlich wird die Fahrt etwas teurer sein als bei der S-Bahn, die derzeit rund zehn Euro kostet. Wer langsam fährt, fährt billiger, wer schnell ist, zahlt mehr. Eine Preis-Festlegung gibt es noch nicht, sagt mir Bahn-Chef Mehdorn.
Können die angekündigten Klagen das Projekt verzögern oder kippen?
Huber: Zum einen: Nach dem Beschleunigungsgesetz kann nur in einer Instanz geklagt werden. Zum anderen: Den Planfeststellungsbeschluss, der den rechtlichen Vorgaben entsprechen muss, macht das Eisenbahnbundesamt. Die machen solche Projekte dauernd. Ich bin sicher, dass die sich keinen Schnitzer leisten.
Verstehen Sie die Sorgen der Transrapid-Anlieger?
Huber: Siemens hat mir gesagt, der Transrapid ist bei 350 Stundenkilometer leiser als die S-Bahn bei 80. Ganz zu schweigen vom Lärm einer Express-S-Bahn bei Tempo 140. Experten haben zugesichert: An der ganzen Strecke wird niemand Lärmschutzfenster brauchen.
Mit dem Transrapid bekäme München eine Spitzentechnologie umsonst vor die Tür gestellt. Warum wehrt sich Oberbürgermeister Christian Ude gegen ein solches Geschenk?
Huber: Die Frage beschäftigt mich seit Monaten. Ich habe alle meine Ganglien in Bewegung gesetzt, aber ich komme nicht drauf. Was da
über den Transrapid Falsches behauptet wird, ist nicht nachvollziehbar. Die Kosten sind für Bund, Land und Europa verkraftbar. Jede Infrastrukturmaßnahme kostet Geld, aber sie bringt auch Ertrag. Es zeigt auch die Doppelzüngigkeit Udes: Er bietet als Alternative den MAEX an, für den er auch nichts zahlt. Aber der kostet auch eine Milliarde, hat zusätzlich über 30 Jahre ein Betriebsdefizit von 600 Millionen Euro und bringt uns keinen Industrie- und Image-Effekt. Dass ein OB so verblendet sein kann, diese Riesenchance für München nicht zu sehen, ist unbegreiflich.
Wie würde München vom Transrapid profitieren?
Huber: Die halbe Welt pilgert nach Schanghai zum Transrapid. Man würde dann zu uns kommen und sagen: Jetzt ist München wieder vorne. Die Stadt wäre die einzige in Europa, die das Verkehrsmittel anbieten kann. Und Bayern würde als High-Tech-Land glänzen. Udes MAEX hat keinen Mehrwert. Es gehen schon zwei S-Bahnen zum Flughafen, warum brauche ich eine dritte? Außerdem: Glaubt irgendjemand, dass zur gleichen Zeit zwei Milliardenprojekte aus Bundesmitteln für die Münchner S-Bahn finanziert werden? Der Transrapid läuft außerhalb der normalen Finanzierung, den können wir auf den Weg bringen. Eine Express-S-Bahn müsste aus Gemeinschaftstöpfen finanziert werden, da ist die Konkurrenz groß. Das müsste ein erfahrener Mann wie Ude doch begreifen.
Ist der Münchner Widerstand ein Problem?
Huber: Es schadet dem Projekt, dass die am meisten begünstigte Stadt derart Stimmungsmache betreibt. Das hinterlässt Spuren, in Berlin, bei der SPD, das macht die Sache nicht leichter. Auch gegen einen Teil des Autobahnrings ist die Stadt ja bis zum Bundesverwaltungsgericht gegangen. Das hat Ude nicht gehindert, bei der Einweihung ganz vorne zu stehen. Ein so anerkannter Politiker hätte es nicht nötig, billig auf der Klaviatur des Populismus zu spielen.
Interview: Georg Anastasiadis, Robert Arsenschek und Boris Forstner
mm Datum: 20.05.2006 00:02 Uhr