Kampf gegen das rote Ungeheuer
"So ein Schmarrn": Ein Besuch bei Anwohnern an der Transrapid-Trasse
München - Gemütlich ist es im Garten. Sonnige Südseite, ein Brunnen plätschert, Vögel zwitschern. Und in ein paar Jahren fährt hier der Transrapid vorbei, Tempo 350, bis zu 250 Mal am Tag. Robert Reishöfer steht auf seiner Terrasse im Inhauser Moos und sieht nicht sonderlich glücklich aus. "Ein Kampf gegen Windmühlen", sagt er.
Erst war es ja nur ein Gerücht. Reishöfer hatte gerade gebaut, zusammen mit Uwe Czarnotta, ein Haus mit wunderschönem Wintergarten, richtig viel Eigenleistung steckt da drin, und ein Bankkredit. Vom Transrapid erzählten sie da was im Radio, von Hauptbahnhof und Flughafen. Das war vor sechs Jahren. Inzwischen ist klar: Die Trasse des Münchner Projekts wird dicht an ihrem Grundstück vorbeiführen. "Kaum war die Hütte fertig, kommt so ein Schmarrn", sagt Reishöfer trocken.
Der 41-Jährige geht zurück ins Wohnzimmer. Vor zwei Stunden war der Tisch noch leer, jetzt stapeln sich hier Trassenpläne, Studien, Mustereinwendungen. In wenigen Tagen läuft die Frist ab, um gegen die Planungen Einwände geltend zu machen. Reishöfer und Czarnotta (48) haben 300 Unterschriften gesammelt, Nachbarn gewarnt, unzählige Versammlungen besucht. Technik-Feinde sind beide wahrlich nicht, der eine Elektromeister, der andere bei der Lufthansa. Aber sie fürchten akut um ihre Lebensqualität.
Ein Stück weiter vorn, wo noch die Tannen stehen, würde der Transrapid durchrasen. "Der Erholungswert ist dann weg", sagt Czarnotta. Gut, 150 Meter vom Haus entfernt verläuft die A 92, eine dieser hoffnungslos verstopften Verkehrsadern im Münchner Norden. Aber man hört sie nur, wenn der Brunnen abgestellt ist: ein gleichmäßiger Schallteppich. Beim Transrapid wird das anders sein.
Natürlich gibt es Schallgutachten. Da ist dann ausgerechnet, mit welchem Lärm die Anwohner im Durchschnitt rechnen müssen. Aber was ist schon der Durchschnitt? "Man rechnet den Lärm über 24 Stunden, auch wenn der Zug in der Nacht vier Stunden gar nicht fährt", ärgern sich die beiden. "Wenn ich mein Weckerklingeln über 24 Stunden verteile, wache ich auch nicht davon auf", sagt Czarnotta.
Für ihn kommt es auf das einzelne Geräusch an. Ein Transrapid mag insgesamt recht leise sein, mit Tempo 350 ein paar Meter hinter dem Gartenzaun ist er leider sehr laut. Auf dem Tisch liegt eine Grafik. "Lärmschutz: sechs Millionen Euro", steht drauf, "0 Prozent der Bausumme". Das ist mathematisch nicht ganz korrekt, bringt die Anwohner aber ziemlich in Fahrt.
Zum Lärm kommen die Erschütterungen. Einer von der Transrapid-Firma - so schildern es die beiden - habe ihnen von "Erdbeben, Stärke 4" erzählt, "aber nur Millisekunden". 250 kleine Erdbeben pro Tag? Reishöfer spricht von der Gebäudesubstanz, von Schönrechnerei und Wertverlust. Die Nachbarn sprechen davon, dass plötzlich unangemeldet irgendwelche Vermesser durch ihre Blumenbeete stapften.
An diesem Tisch ist der Transrapid ein dickes, rotes Monster, das sich durch die Vorgärten frisst. Dass er hunderte Arbeitsplätze schaffen und erhalten würde, ein Innovations-Projekt für ganz Bayern wäre, ein Exportfaktor, ein Stück dringend notwendige Infrastruktur - all das klingt abstrakt in den Ohren derer, die sich von Enteignung und Absiedelung bedroht sehen.
Wird der Transrapid gebaut? Uwe Czarnotta denkt nach, nickt. Im Lauf der Jahre, sagt er achselzuckend, werde das Geld dafür schon durchsickern.
VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER mm